Grönlands schmelzende Gletscher im Blick
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
13. November 2015
Auch die großen Gletscher im Nordosten Grönlands sind von
der Klimaerwärmung betroffen. Diese beunruhigende Erkenntnis ist das Ergebnis
der Auswertung von Satellitendaten aus den vergangenen Jahren. Wichtiges
Datenmaterial für die jetzt vorgestellte Studie lieferten die beiden deutschen
Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X.

Strömungsgeschwindigkeit der Gletscher
Zachariæ Isstrøm und Nioghalvfjerdsfjorden im
Nordosten Grönlands 2012. Bild:
DLR / UCI / NASA [Großansicht] |
Bislang galten die Gletscher im Nordosten Grönlands wegen der starken Kälte
als sicher vor der Klimaerwärmung. Ein Forscherteam der amerikanischen
University of California in Irvine (UCI) konnte nun jedoch in einer
Langzeitstudie am Gletscher Zachariæ Isstrøm zeigen, dass die riesigen Eismassen
schneller schmelzen als bisher angenommen.
"Die Form und Dynamik haben sich in den letzten Jahren drastisch verändert.
Der Gletscher bricht auf und kalbt große Mengen Eisberge in den Atlantik", sagt
Jeremie Mouginot, Forscher am Institut für Erdsystemwissenschaften der UCI. Für
ihre Studie nutzten die Forscher auch Daten der beiden Satelliten TerraSAR-X
und TanDEM-X des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Der Gletscher Zachariæ Isstrøm im Nordosten Grönlands ist einer der größten
des Landes. Würde er schmelzen, könnte er den globalen Meeresspiegel um etwa
einen halben Meter anheben. Die Studie der UCI zeigt, dass der Gletscher seit
2012 fast fünf Milliarden Tonnen Masse pro Jahr verliert. "Wir haben eine
Zeitserie von Geschwindigkeitskarten des Gletschers erstellt, die etwa 40 Jahre
abdeckt", erklärt Bernd Scheuchl, Wissenschaftler in der Forschergruppe am UCI.
Um Veränderungen der Form, Größe und Position des Gletschereises über diesen
langen Zeitraum zu beobachten und festzuhalten, brauchten die Wissenschaftler
präzise Daten. Diese erfassten sie über eine Kombination mehrerer Sensoren und
Messgeräte, wie etwa Gravimetern, hochsensiblen Radargeräte und Laser-Profilieranlagen,
die sie mit Radar- und optischen Bildern aus dem Weltall koppelten.
Dabei konnten die Forscher auf nahezu alle verfügbaren Satelliten
verschiedener internationaler Luft- und Raumfahrtbehörden zurückgreifen, wie
etwa dem DLR, der europäischen Weltraumorganisation ESA, der amerikanischen
Weltraumbehörde NASA oder der japanischen Raumfahrtagentur JAXA. So konnte auch
die sogenannte "Grounding Line" des Gletschers vermessen und kartiert werden,
also die Stelle, ab der er nicht mehr auf dem Meeresgrund steht, sondern beginnt
aufzuschwimmen.
Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass nicht nur die steigende
Lufttemperatur eine Bedrohung für die Eismassen ist: "Zachariæ Isstrøm wird von
oben und unten getroffen", sagt Eric Rignot vom Institut für
Erdsystemwissenschaften der UCI. Warmes Ozeanwasser und größere Mengen
Schmelzwasser von der Eisdecke höhlen die Unterseite von Zachariæ Isstrøm rapide
aus. "Die Erwärmung des Ozeans spielt wahrscheinlich eine große Rolle beim
Gletscherrückgang", sagt Mouginot, "aber wir brauchen noch weitere
meereskundliche Beobachtungen in dem kritischen Sektor von Grönland bis zur
Arktis."
Dabei helfen auch die Bilder der TerraSAR-X- und der TanDEM-X-Missionen
des DLR. Diese haben eine hohe räumliche Auflösung und ermöglichten es den
Forschern, lokal hochgenaue Geländeinformationen für ausgewählte Gletscher zu
erstellen. Diese Gebiete konnten sie dann auf Veränderungen in der Geländehöhe
hin untersuchen. "Wir verwenden die Daten der DLR-Satelliten zusammen mit
Radar-Daten anderer Sensoren, um Zeitserien und Geschwindigkeitskarten von
Gletschern in der Antarktis und Grönland zu erstellen", erklärt Scheuchl.
Zwischen 2011 und 2013 endeten vier internationale Radar-Missionen, ein
kritischer Zeitraum für die Forscher: "Das hätte zu einem akuten Datenmangel
führen können. TerraSAR-X und TanDEM-X konnten jedoch
Wissenschaftsdaten über wichtigen Gebieten in dieser Zeit aufnehmen", so
Scheuchl.
Die wissenschaftlichen Datenaufnahmen in Polargebieten werden international
koordiniert. Das DLR arbeitet mit weiteren internationalen Weltraumagenturen in
der Polar Space Task Group zusammen, um den höchstmöglichen
wissenschaftlichen Wert der Aufnahmen sicherzustellen und vorhandene Ressourcen
optimal zu nutzen.
Auch für zukünftige Projekte wollen die UCI-Forscher auf die Daten der
DLR-Satelliten zurückgreifen: "Wir erwarten natürlich gespannt die TanDEM-X-Höhenmodelle
für die Antarktis und für Grönland. Beide sind im Moment noch in Produktion,
werden aber einen Meilenstein für die Forschung darstellen, wenn sie verfügbar
gemacht werden können", so Scheuchl.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Science.
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