Ein staubfreier Nachbar der Milchstraße
von Stefan Deiters astronews.com
27. Januar 2016
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute eine neue
Ansicht der irregulären Zwerggalaxie IC 1613 veröffentlicht. Das System ist ein
Nachbar der Milchstraße und enthält nur sehr wenig Staub. Dies erlaubte eine
detaillierte Untersuchung der kleinen Galaxie, was auch die Methoden zur Messung
von Entfernungen im All verbessern half.

Die irreguläre Zwerggalaxie IC 1613.
Bild: ESO [Großansicht] |
Die Galaxie IC 1613 befindet sich im Sternbild Walfisch und ist auf einem heute von der europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichten Bild
zu sehen. Auffällig ist das rosafarben leuchtende Gas und die ohne erkennbare Struktur verteilten
Sterne in dem System. Die Galaxie wird von den Astronomen daher auch als irreguläre Galaxie
klassifiziert, da man hier keinerlei Zentrum, keine Scheibe oder auch keine
Spiralarme erkennen kann.
Auch etwas anderes ist nicht zu sehen: Staub. Dunkle Staubschwaden geben
vielen Galaxien ein ganz charakteristisches Aussehen, können aber die
Untersuchung der Systeme erheblich beeinträchtigen. Bei IC 1613 hat man diese
Sorgen nicht. Die Galaxie wurde erstmals im Jahr 1906 vom deutschen Astronomen
Max Wolf beobachtet, Walter Baade konnte dann 1928 mithilfe des
2,5-Meter-Teleskops auf dem Mount Wilson in Kalifornien einzelne Sterne in IC
1613 erkennen.
Bald erkannten die Astronomen, dass das System uns relativ nahe sein
muss. Tatsächlich gehört IC 1613 zur "lokalen Gruppe", also unserem
Heimatgalaxienhaufen. Die Galaxie ist rund 2,3 Millionen Lichtjahre von der Erde
entfernt. Die vergleichsweise geringe Distanz und der praktisch nicht vorhandene
Staub in der Galaxien selbst und auf der Sichtlinie machten detaillierte
Untersuchungen von IC 1613 möglich.
Dabei fanden sich in IC 1613 zwei für die Astronomen sehr wichtige
Sterntypen: Cepheiden und RR-Lyrae-Sterne. Bei beiden handelt es sich um
veränderliche Sterne, deren Helligkeit regelmäßig schwankt.
Das Besondere allerdings ist, dass zwischen der Periode der
Helligkeitsveränderungen und ihrer tatsächlichen Helligkeit ein Zusammenhang
besteht. Durch die Bestimmung der Periode lässt sich also ihre wirkliche
Helligkeit ermitteln.
Kennt man aber die tatsächliche Helligkeit eines Sterns und vergleicht diese mit
der auf der Erde gemessenen Helligkeit, kann man
daraus die Entfernung des Sterns ableiten. Cepheiden und RR-Lyrae-Sterne gelten
daher in der Astronomie als sogenannte "Standardkerzen". Findet man solche
Sterne in einem System, lässt sich vergleichsweise einfach auch deren Entfernung
bestimmen.
Für größere Distanzen gibt es andere "Standardkerzen", wie etwa
Supernova-Explosionen eines bestimmten Typs. Durch die Kombination verschiedener
"Kerzen", die man in unterschiedlichen Entfernungen beobachtet und die man
miteinander abgleicht, lässt sich eine "kosmische Entfernungsleiter" entwickeln,
auf der man sich von einer Sprosse zur nächsten zu immer weiteren Entfernungen
entlanghangeln kann. Relativ nahegelegene Standardkerzen, wie die in IC 1613,
spielen dabei für die Eichung dieser Entfernungsleiter eine wichtige Rolle.
Die Daten für die Ansicht von IC 1613 wurden mit der OmegaCAM am VLT Survey Telescope (VST) der ESO auf dem Gipfel des Paranal in Chile gewonnen. Beim VST
handelt es sich um ein Spezialteleskop für großflächige Himmelsdurchmusterungen.
Sein Sichtfeld entspricht in etwa dem doppelten Vollmonddurchmesser. Das VST ist
ein 2,6-Meter-Teleskop mit aktiver Optik, die während der Beobachtungen für eine
perfekte Positionierung des Spiegels sorgt. Auch die Luftunruhe der Atmosphäre
kann mit der modernen Optik praktisch herausgefiltert werden. Im Herzen des
Teleskops befindet sich die 770 Kilogramm schwere OmegaCAM, die aus 32
CCD-Detektoren besteht, mit denen sich zusammen Bilder mit einer Auflösung von
268 Megapixel erstellen lassen.
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