Eine Alterskarte der Milchstraße
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
11. Januar 2016
Erstmals ist es gelungen, mithilfe von roten Riesensternen
die Altersstruktur unserer Milchstraße großräumig zu erfassen. Dazu haben
Astronomen das Alter von fast 100.000 Roten Riesen in Abständen von bis zu
50.000 Lichtjahren vom galaktischen Zentrum erfasst. Die so gewonnenen Daten
ermöglichen eine Überprüfung von Theorien zur Entwicklung unserer Heimatgalaxie.
Altersverteilung für rote Riesensterne quer
durch unsere Milchstraße, wie sie Melissa Ness
und ihre Kollegen erstellt haben.
Bild: M. Ness &
G. Stinson / MPIA [Großansicht] |
In den vergangenen Jahrzehnten haben umfangreiche Durchmusterungen den
Astronomen Daten über Millionen Objekte der Milchstraße beschert, so dass groß
angelegte Auswertungen nie vorher gekannten Ausmaßes möglich werden. Aber solche
Auswertungen sind immer nur so gut, wie die Werkzeuge, die dafür zur Verfügung
stehen.
Melissa Ness und Marie Martig vom Max-Planck-Institut für Astronomie haben
nun mithilfe von Daten der APOGEE-Durchmusterung, die ein Teil des Sloan Digital
Sky Survey ist, und des NASA-Weltraumteleskops Kepler zwei voneinander
unabhängige Methoden entwickelt, das Alter von roten Riesensternen direkt aus
deren Spektren zu bestimmen.
Auf diese Weise konnten die Astronomen für fast 100.000 rote Riesen, die mit
der APOGEE-Durchmusterung beobachtet worden waren, das Alter bestimmen und so
eine ganz neuartige Karte unserer Milchstraße erstellen: eine Altersverteilung
die zeigt, wo in unserer Heimatgalaxie sich die alten, mittelalten oder jungen
Sterne befinden.
Die Karte stellt dabei einen repräsentativen Querschnitt durch die
wichtigsten galaktischen Regionen vom Zentrum bis zu den 65.000 Lichtjahre vom
Zentrum entfernten Außenbezirken dar. Mit einer Alterskarte dieser Art lassen
sich Entwicklungsmodelle für unsere Heimatgalaxie testen.
Solche Modelle sagen beispielsweise vorher, dass die Sternscheiben, die in
Galaxien wie unserer Milchstraße den Großteil der Sterne beherbergen, sich von
innen nach außen gebildet haben: Es sollte also zunächst eine vergleichsweise
kleine Scheibe gegeben haben, die dann immer weiter nach außen gewachsen ist.
Demnach würde man nahe dem galaktischen Zentrum ältere und nach außen hin immer
jüngere Sterne erwarten. Die Karte bestätigt genau diese Verteilung.
Die Modelle sagen außerdem, dass bei festem Abstand vom galaktischen Zentrum
in der Scheibenebene eher jüngere, entfernt davon eher ältere Sterne zu finden
sein sollten. Auch das bestätigt die Karte von Ness und Kollegen. Sobald die
Ergebnisse derzeit laufender Durchmusterungen wie APOGEE-2 oder der Arbeit des
ESA-Satelliten Gaia abgeschlossen ist, versprechen die von Ness und Martig
entwickelten Methoden noch deutlich weiterreichende Ergebnisse.
Dann nämlich können sich Astronomen daran machen, die
Sternentstehungsgeschichte unserer Milchstraße insgesamt zu rekonstruieren: wie
viele Sterne in den verschiedenen Epochen unserer galaktischen Geschichte
entstanden sind, in welchen Regionen dies stattfand, und wie die Sterne das
Rohmaterial unserer Heimatgalaxie durch die in ihnen entstehenden schwereren
chemischen Elemente verändert haben. Solche Veränderungen und das Vorhandensein
schwererer Elemente sind Voraussetzung für die Entstehung von Planeten und
letztlich auch von Lebewesen.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in mehreren Fachartikeln, die in den
Zeitschriften The Astrophysical Journal und Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erschienen sind oder noch erscheinen werden. Melissa Ness
hat ihre Resultate auch am vergangenen Freitag im Rahmen der Jahrestagung der
American Astronomical Society vorgestellt.
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