Asteroid mit sechsfachem Schweif
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
7. November 2013
Astronomen haben ein Objekt entdeckt, das im
Asteroidengürtel um die Sonne kreist und für einige Zeit einen sechsfachen
Schweif aufwies. Beobachtungen des Weltraumteleskops Hubble lieferten
nun neue Ansichten dieses sonderbaren Objekts. Sie könnten erklären helfen,
worum es sich bei P/2013 P5 handelt und wie der eigentümliche Schweif entsteht.

Auf Bildern des
Weltraumteleskops Hubble vom 10. September
(links) und 23. September 2013 (rechts) zeigt
P/2013 P5 sechs Schweife. Während die meisten
Schweife zwischen den Beobachtungen blasser
wurden, hat Schweif F deutlich an Helligkeit
zugelegt.
Bild: NASA/HST [Großansicht] |
Es gibt Körper, die bringen die Ordnung im Sonnensystem gehörig
durcheinander. P/2013 P5 ist ein solcher Körper. Ausgestattet mit mehreren
deutlich erkennbaren Schweifen mutet er zwar wie ein Komet an, zieht aber
innerhalb des Asteroidengürtels seine Kreise um die Sonne - und lässt sich somit
keiner der beiden Kategorien zweifelsfrei zuordnen.
Ein internationales Team von Wissenschaftlern, dem auch Forscher des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) angehören, hat den
rätselhaften Körper nun mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble näher
untersucht. Ihre Diagnose: P/2013 P5 ist ein Asteroid, der sich unter dem
Strahlungsdruck der Sonne so schnell dreht, dass er Material ins All verliert.
Asteroiden sind eigentlich beständige Himmelskörper: Da sie unter dem
Einfluss der Sonne ihre leichtflüchtigen Bestandteile wie etwa Wasser bereits
vor Milliarden von Jahren verloren haben, verändern die steinernen Brocken ihr
Aussehen kaum. Zwar können Einschläge kleinerer Körper der Oberfläche hier und
da einen weiteren Krater hinzufügen; grundlegende Metamorphosen sind jedoch
nicht zu erwarten.
Kometen hingegen sind "Staub- und Gasspucker": Unter dem Einfluss der Sonne
verdampfen leichtflüchtige Stoffe von ihrer Oberfläche und reißen Staubteilchen
mit sich. 1996 geriet diese Sicht der Dinge ins Wanken: In Aufnahmen des
Asteroiden 1979 OW7, der später in "Komet 133P/Elst-Pizarro" umgetauft werden
musste, zeigte sich ein deutlicher Schweif. Ein Komet im Asteroidengürtel? Oder
ein Asteroid, der Gas und Staub spuckt?
Die genaue Zuordnung dieser astronomischen Zwitter, von denen bisher kaum
mehr als zehn bekannt sind, fällt bis heute schwer. Auch sprachlich wird die
Verwirrung deutlich: Forscher sprechen von aktiven Asteroiden oder
Hauptgürtel-Kometen. Welche Bezeichnung für P/2013 P5 zutreffender ist, sollte
die neue Studie unter Leitung von Prof. Dr. David Jewitt von der University
of California klären.
"Vieles spricht dafür, dass die so genannten aktiven Asteroiden keine
einheitliche Gruppe bilden", erklärt Dr. Jessica Agarwal vom MPS. Von der
Oberfläche einiger Vertreter sublimiert vermutlich Eis. Dieses stammt
wahrscheinlich aus dem tiefen Innern der Körper und wurde möglicherweise durch
heftige Einschläge freigelegt. Bei anderen aktiven Asteroiden haben
Zusammenstöße eine Fontäne aus Staub erzeugt, die noch monatelang als Schweif
sichtbar war. "Bei den meisten dieser Körper ist jedoch der Ursprung des
Schweifes völlig unklar", so Agarwal.
Auch P/2013 P5 war zunächst ein Rätsel. In den Aufnahmen vom August dieses
Jahres, in denen er entdeckt wurde, schmückt er sich bereits mit einem Schweif.
Der genauere Blick, den die Forscher nun mit Hilfe des Weltraumteleskops
Hubble auf den Sonderling richteten, offenbarte weitere: Insgesamt sechs
Schweife umgeben den Körper wie die Speichen eines Wagenrads. "Allein diese
Anzahl spricht dagegen, dass die Schweife auf Kollisionen oder Einschläge
zurückzuführen sind", so Agarwal. Sechs Einschläge innerhalb kurzer Zeit seien
doch eher unwahrscheinlich.
Auch Sublimation von Eis könne man so gut wie ausschließen. Da P/2013 P5 am
inneren Rand des Asteroidengürtels, also für einen Asteroiden in großer
Sonnennähe, zu finden ist, dürfte kein solches mehr existieren. Die Forscher
tippten deshalb darauf, dass der Körper so schnell rotiert, dass er Masse
verliert. Angetrieben wird er dabei vom Druck des Sonnenlichts. Da dieses unter
verschiedenen Winkeln auf die zerklüftete Oberfläche trifft, kann sich unterm
Strich ein Gesamtdrehmoment ergeben, das seine Rotation mehr und mehr
beschleunigt.
Irgendwann wird dadurch die Fliehkraft am Äquator stärker als die recht
schwache Schwerkraft des mit einem Durchmesser von 240 Metern recht kleinen
Körpers: Material wird von der Oberfläche fortgeschleudert. Entscheidende
Hinweise lieferte der Vergleich von Hubble-Aufnahmen, die an zwei Tagen
im September dieses Jahres gelangen. "Zwischen den Beobachtungen lagen 13 Tage.
In dieser Zeit hatte sich unser Forschungsobjekt stark verändert", so Agarwal.
Während ein Schweif fast unverändert geblieben war, hatte ein zweiter
deutlich an Länge und Leuchtkraft zugenommen. Alle anderen waren verblasst. In
Computersimulationen gelang es dem Team, genau diese Veränderung zu
rekonstruieren. Dafür berechneten die Wissenschaftler die Bahnen vieler
hypothetischer Staubteilchen verschiedener Größe und verschiedenen Alters und
verglichen deren Positionen mit denen der beobachteten Schweife. Einzige Annahme
war, dass allein Strahlungsdruck und Gravitation der Sonne die Bewegung der
Teilchen beeinflussen.
"Unsere Rechnung und die tatsächlichen Beobachtungen stimmen sehr gut
überein", bilanziert Agarwal, die die Rechnungen durchführte. "Besonders
ermutigend ist, dass wir die zeitliche Entwicklung zwischen den beiden
Beobachtungstagen gut wiedergeben können", ergänzt sie. Offenbar entstand jeder
der sechs Schweife zu einem anderen Zeitpunkt, der jüngste nur wenige Tage vor
den Hubble-Aufnahmen. Er konnte in den folgenden Tagen deshalb an
Helligkeit zulegen, während alle anderen - je nach Größe ihrer Staubteilchen -
nach und nach schwanden.
Über ihre Untersuchungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Astrophysical Journal Letters.
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