Lebensfreundliche Welten gleich um die Ecke?
von Stefan Deiters astronews.com
7. Februar 2013
Astronomen sind durch Auswertung öffentlich zugänglicher
Kepler-Daten zu einer faszinierenden Schlussfolgerung gelangt: Um sechs
Prozent der Roten Zwergsterne sollten erdgroße Planeten kreisen, auf denen
theoretisch Leben möglich wäre. Da diese Sterne sehr häufig sind, könnte der
nächste bewohnbare Planet nur 13 Lichtjahre entfernt sein.

So könnte eine
habitable Welt mit zwei Monden um einen Roten
Zwergstern aussehen.
Bild: David
A. Aguilar (CfA) |
"Wir haben immer angenommen, dass man ungeheure Distanzen überwinden
muss, um auf den nächsten erdähnlichen Planeten zu stoßen", so Courtney Dressing
vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, die die Studie
leitete. "Jetzt stellen wir fest, dass die nächste Erde praktisch in unserem
eigenen Hinterhof zu finden ist und nur darauf wartet, entdeckt zu werden."
Dressing hat ihre Ergebnisse gestern auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Sie
werden zudem in einem Fachartikel in der Zeitschrift The Astrophysical
Journal veröffentlicht.
Auf einer solchen "zweiten Erde" sollten, angesichts ihrer
Beschaffenheit und ihres Abstands vom Zentralstern, alle Voraussetzungen für
lebensfreundliche Bedingungen gegeben sein, was natürlich nicht bedeutet, dass
diese dort auch anzutreffen sind. Zudem dürfte dieser Planet nicht um einen
sonnenähnlichen Stern, sondern um einen Roten Zwergstern kreisen. Dabei handelt
es sich um Sterne, die deutlich kleiner, lichtschwächer und kühler sind als
unsere Sonne, die aber etwa drei Viertel der Sterne in unserer Galaxie ausmachen.
Rote Zwerge lassen sich zwar von der Erde aus nicht mit bloßem Auge
beobachten, dürften aber nicht nur wegen ihrer großen Zahl ideal für die Suche
nach Planeten sein: Ein vor einem Roten Zwergstern vorüberziehender Planet sorgt
nämlich bei der Suche nach sogenannten Transits für ein deutlich stärkeres
Signal als bei einem normalen Stern, da der Planet im Verhältnis zu seiner Sonne
größer ist.
Das 2009 gestartete Weltraumteleskop Kepler sucht mithilfe der
sogenannten
Transitmethode nach Planeten und visiert dazu ständig über 150.000 Sterne an,
deren Helligkeit die Detektoren des Teleskops überwachen. Wandert - aus
Keplers Perspektive - ein Planet direkt vor seiner Sonne entlang,
verdunkelt er seinen Zentralstern ein wenig - ein Helligkeitsabfall, den
Kepler registrieren kann. Die Stärke des Helligkeitsabfalls erlaubt dann
Rückschlüsse auf die Größe des Planeten relativ zu seiner Sonne.
Da um einen Roten Zwergstern zudem die habitable Zone, also jener Bereich um
einen Stern, in dem Wasser auf der Oberfläche eines Planeten theoretisch auch in
flüssiger Form vorkommen kann, näher am Stern liegt als bei leuchtstärkeren
Sonnen, ist die Wahrscheinlichkeit auch größer, dass ein solcher Planet - aus
unserer Perspektive - vor seiner Sonne vorüberzieht.
Dressing hat sich nun den Katalog der von Kepler überwachten Sterne
vorgenommen und darin nach Roten Zwergsternen gesucht. Von diesen hat sie dann
Größe und Temperatur genauer bestimmt als es zuvor geschehen war. Sie stellte
dabei fest, dass nahezu alle Sterne dieses Typs kleiner und kälter waren als
ursprünglich angenommen. Dies ist wichtig, da die Größe eines Transitplaneten
relativ zur Größe seines Zentralsterns bestimmt wird. Zudem befindet sich bei
kleineren Sternen die habitable Zone noch dichter an dem jeweiligen Stern.
Unter den zahlreichen von Kepler aufgespürten Planetenkandidaten
entdeckte Dressing 95, die um Rote Zwergsterne kreisen. Dies würde - so die
Analyse der Astronomin - bedeuten, dass mindestens 60 Prozent der Roten Zwerge
über Planeten verfügen, die kleiner sind als Neptun. Von den 95 Planeten
erfüllen allerdings nur drei Welten die Kriterien, die sie zu einem
"erdähnlichen" Planeten machen würden, die also die richtige Temperatur auf der
Oberfläche besitzen könnten und ungefähr die Größe der Erde haben.
Statistisch gesehen sollte damit um sechs Prozent aller Roten Zwergsterne ein
erdähnlicher Planet kreisen. "Wir kennen jetzt die Rate, mit der habitable
Planeten um den häufigsten Sternentyp der Galaxie auftreten", so Mitautor David
Charbonneau vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. "Diese
Rate spricht dafür, dass es deutlich leichter sein wird, nach Leben außerhalb
des Sonnensystems zu suchen als bislang angenommen."
Betrachtet man die Sterne in Sonnenumgebung, bei denen es sich auch etwa zu
75 Prozent um Rote Zwergsterne handelt, ergibt sich mit einer Rate von sechs
Prozent, dass der nächstgelegene erdähnliche Planet nur etwa 13 Lichtjahre
entfernt sein sollte. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Welten anders
aussehen als die Erde: So dürften sie beispielsweise - wegen des geringen
Abstands zu ihrer Sonne - den Zentralstern in gebundener Rotation umkreisen,
diesem also immer dieselbe Seite zuwenden.
Eine dicke Atmosphäre oder ein tiefer Ozean könnte allerdings für einen
ausreichenden Wärmeausgleich sorgen und die Atmosphäre den Planeten gleichzeitig
vor den starken Strahlungsausbrüchen im Ultravioletten schützen, die man bei
jungen Roten Zwergsternen beobachtet hat. "Man benötigt keinen Klon der Erde, um
Leben möglich zu machen", zeigt sich Dressing überzeugt.
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