Nur die größten Sternhaufen überlebten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
15. Februar 2012
Die Kugelsternhaufen unserer Milchstraße könnten die einzigen
Überlebenden einer sehr heftigen Sternentstehungsphase nach einer
Galaxienkollision sein, bei der unzählige kleinere Haufen wieder
zerstört wurden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, in der
Wissenschaftler die Entstehung von Kugelsternhaufen mit einem
Computermodell untersucht haben.

Numerische Simulation von zwei kollidierenden
Galaxien.
Bild: D. Kruijssen, MPA |
Kugelsternhaufen haben eine bemerkenswerte Eigenschaft: Die typische
Anzahl von Sternen in diesen Haufen scheint im ganzen Universum etwa
gleich zu sein. Ganz im Gegensatz zu viel jüngeren Sternhaufen, die
nahezu eine beliebige Anzahl von Sternen enthalten können - von weniger
als 100 bis zu vielen Tausend. Doch wie lässt sich dieser Unterschied
erklären?
Um diese Frage zu beantworten, hat ein deutsch-niederländisches
Astronomenteam jetzt Simulationen von isolierten und kollidierenden
Galaxien durchgeführt, in denen auch ein Modell für die Entstehung und
Zerstörung von Sternhaufen enthalten war. Bei einer Galaxienkollision
gibt es oft spektakuläre Ausbrüche von Sternentstehung (sogenannte
Starbursts) und es entsteht eine Fülle von hellen, jungen Sternhaufen in
ganz unterschiedlichen Größen. Deshalb vermuteten die Wissenschaftler
zunächst, dass sich die Gesamtzahl der Sternhaufen während eines
Starbursts erhöhen muss.
Bei ihren Simulationen stellten die Astronomen nun aber fest, dass genau
das Gegenteil der Fall war. Während die hellsten und größten Haufen
aufgrund ihrer eigenen Anziehungskraft tatsächlich in der Lage sind eine
Galaxienkollision zu überleben, werden die zahlreichen kleineren Haufen
durch die sich rasch ändernden Gravitationskräfte bei Starbursts mit
Gas, Staub und Sternen in konstanter Bewegung zerstört. Als die
Starburstphase dann nach etwa zwei Milliarden Jahren zu Ende war, hatten
nur die Haufen mit einer hohen Anzahl von Sternen überlebt. Deren
Eigenschaften entsprachen genau jenen, die man für junge
Kugelsternhaufen vor etwa elf Milliarden Jahren erwarten würde.
"Es ist wirklich eine Ironie des Schicksals zu sehen, dass Starbursts
zum einen viele junge Sternhaufen entstehen lassen, die Mehrheit von
ihnen aber gleichzeitig auch wieder zerstören. Dies passiert nicht nur
in Galaxienkollisionen, sondern ist bei jedem Starburst zu erwarten",
erläutert Dr. Diederik Kruijssen vom Max-Planck-Institut für
Astrophysik, der die Untersuchung leitete. "Im frühen Universum waren
Starbursts an der Tagesordnung - es macht daher absolut Sinn, dass alle
Kugelsternhaufen in etwa die gleiche große Anzahl von Sternen haben.
Ihre kleineren Brüder und Schwestern, die nicht so viele Sterne
enthielten, waren dazu verdammt zerstört zu werden."
In den Simulationen werden die meisten Sternhaufen schon kurz nach ihrer
Entstehung zerstört, im lebensfeindlichen Umfeld der jungen Galaxie.
Nach dem Ende dieses Abschnitts "leben" die übrig gebliebenen
Kugelsternhaufen ruhig bis zum heutigen Tag weiter.
Die Theorie könnte sich, so die Forscher, durch Beobachtungen leicht
überprüfen lassen: "In unserer kosmischen Nachbarschaft gibt es mehrere
Galaxien, die vor kurzem große Ausbrüche von Sternentstehung durchlaufen
haben. Es sollte daher möglich sein, die schnelle Zerstörung der
kleineren Sternhaufen direkt in Aktion zu sehen", so Kruijssen. "Sollte
man dies bei den neuen Beobachtungen tatsächlich finden, so ist unsere
Theorie für die Entstehung der Kugelsternhaufen bestätigt."
Die Simulationen deuten darauf hin, dass die meisten Eigenschaften der
Kugelsternhaufen bereits durch die Bedingungen bei ihrer Entstehung
festgelegt werden. Die Tatsache, dass Kugelsternhaufen heute alle sehr
ähnlich sind, spricht somit dafür, dass sie sich in der gleichen
Umgebung (wenn auch in unterschiedlichen Galaxien) gebildet haben. In
diesem Fall können sie laut Kruijssen wie fossile Zeitzeugen eingesetzt
werden, um mehr über die Bedingungen zu erfahren, unter denen einst die
ersten Sterne und Galaxien geboren wurden.
Die Astronomen berichten über ihre Untersuchung in einem Fachartikel in
den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Ein Film
der Simulation lässt sich auf der Webseite von Kruijssen herunterladen.
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