Offenbar erneut schneller als das Licht
von Stefan Deiters astronews.com
18. November 2011
Sind Neutrinos wirklich schneller als das Licht? Als
entsprechende Resultate des OPERA-Experimentes am CERN im September bekannt
wurden, löste dies einen erheblichen Medienrummel aus. Das OPERA-Team hat jetzt
noch einmal nachgemessen, um einige der diskutierten Fehlerquellen
auszuschließen. Doch wieder waren die Neutrinos schneller als sie eigentlich
sein sollten.
Der
OPERA-Detektor in Gran Sasso.
Foto: OPERA-Kollaboration |
Das Experiment ist eigentlich nicht sonderlich spektakulär:
Physiker am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf hatten einen
Neutrinostrahl zum 730 Kilometer entfernten Untergrundlabor Gran Sasso in den
Bergen bei Rom geschickt und genau gemessen, wie lange die Neutrinos für ihren
Weg benötigen. Das Ergebnis war überraschend: Die Elementarteilchen hatten ihr
Ziel schneller erreicht, als es selbst Licht möglich gewesen wäre. Sie waren
exakt 60 Nanosekunden schneller, als man dies mit Lichtgeschwindigkeit erwarten
würde (astronews.com berichtete). Nach Einsteins Relativitätstheorie aber sollte
dies nicht möglich sein - die Lichtgeschwindigkeit ist darin eine obere
Geschwindigkeitsgrenze, die kein Teilchen überschreiten kann.
Entsprechend groß war der Medienrummel, als die Ergebnisse des OPERA-Teams,
die dieses Experiment durchgeführt hatten, bekannt wurden. Antonio Ereditato,
Professor für Hochenergiephysik an der Universität Bern und Leiter des
OPERA-Projekts, sprach von "großen Auswirkungen auf die geltende Physik", sollte
sich der Fund tatsächlich bestätigen. Dabei war Ereditato einer der ersten, der
weitere Experimente und eine genaue Überprüfung der Ergebnisse forderte. Die
Wissenschaftler hatten dazu ihre Daten bereits sehr früh offengelegt, damit auch
andere Experten einen Blick darauf werfen und auf eventuelle Fehler hinweisen
konnten.
Schnell meldeten sich auch verschiedene Kritiker, die glaubten, Messfehler
des OPERA-Teams gefunden zu haben. Bislang allerdings konnte niemand eine
schlüssige Erklärung für die gemessenen Daten liefern. Auch das Team um
Ereditato war natürlich in den vergangenen Wochen nicht untätig: Sie führten ihr
Experiment mit einem neuen Teilchenstrahl durch, um damit eventuellen
systematischen Messfehlern auf die Spur zu kommen, die durch eine fehlerhafte
Geschwindigkeitsbestimmung entstanden sein könnten.
Dazu wurde der Teilchenstrahl in einzelnen, jeweils drei Nanosekunden langen
Pulsen auf den Weg geschickt. Der Abstand zwischen den einzelnen Pulsen betrug
dabei bis zu 524 Nanosekunden. Im Untergrundlabor Gran Sasso ließen sich davon
20 Neutrinos eindeutig identifizieren und auch exakt den ursprünglichen Pulsen
zuordnen. Dies zeigt nach Ansicht des OPERA-Teams, dass ihnen bei der
Zeitmessung kein systematischer Fehler unterlaufen war, was externe Experten
immer wieder vermutet hatten. Auch in dem neuen Versuchslauf waren die
gemessenen Neutrinos ein wenig schneller als das Licht.
Allerdings betonen die OPERA-Verantwortlichen, dass dies noch immer nicht
bedeuten würde, dass Neutrinos tatsächlich schneller als das Licht sind. Dazu
müsste es noch weitere Tests und auch unabhängige Messungen geben. Mit dem
OPERA-Experiment sollten ursprünglich keine Neutrinos mit
Überlichtgeschwindigkeit entdeckt, sondern die Umwandlung von verschiedenen
Neutrino-Typen ineinander nachgewiesen werden.
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