Die ersten Sterne waren überraschend klein
von Stefan Deiters astronews.com
14. November 2011
Die ersten Sterne, die sich im jungen Universum bildeten,
waren vielleicht erheblich kleiner als Astronomen lange Zeit angenommen hatten.
Dies ist zumindest das Ergebnis von Simulationen, die Wissenschaftler am Jet
Propulsion Laboratory der NASA durchgeführt haben. Das überraschende
Resultat könnte auch ein anderes Rätsel über die Frühzeit des Kosmos lösen
helfen.
Ausschnitt aus der Simulation zur Entstehung
der ersten Sterne: Im Zentrum (rechts vergrößert)
befindet sich der sich gerade bildende Stern.
Kaltes Gas ist bläulich dargestellt, dessen
dichteste Regionen (dunkelblau) bilden eine
Scheibe um die gerade entstehende Sonne. Das
heiße, expandierende Gas ist orange dargestellt.
Bild: NASA / JPL-Caltech / Kyoto
University [Großansicht] |
Die ersten Sterne, also jene Sonnen, die als erstes im Universum
aufleuchteten und sich daher aus dem ursprünglichsten Material überhaupt
gebildet haben müssen, waren - so zumindest die bisherige Lehrmeinung - die größten Sterne, die jemals entstanden sind
und sollten viele hundert Mal
massereicher als unsere Sonne gewesen sein. Doch genau dieses Szenario wird nun durch eine neue Studie infrage gestellt. Bei
jetzt präsentierten Simulationen der Sternentstehungsprozesse im frühen Universum entstanden nämlich auch Sterne,
deren Masse deutlich unter den vermuteten Extremwerten lag - in einem Fall beispielsweise
bei
der nur 43-fachen Masse der Sonne.
"Die ersten Sterne waren auf jeden Fall sehr massereich", erläutert Takashi
Hosokawa vom Jet Propulsion Laboratory der NASA die Ergebnisse der neuen
Untersuchung. "Sie waren aber nicht so extrem, wie man zuvor angenommen hatte.
Unsere Simulationen zeigen, dass das Wachstum dieser Sterne früher stoppte
als man dachte und sie deswegen nicht so groß wurden." Die Forscher
berichteten über ihre Resultate am Freitag in der Online-Ausgabe der
Fachzeitschrift Science.
Im frühen Universum gab es nichts weiter als die Elemente, die im Urknall
entstanden waren. Das Weltall bestand somit nur aus dünnen Wolken aus Wasserstoff- und
Heliumatomen. Einige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall leuchteten aber
bereits die
ersten Sterne im Universum auf. Wie sie genau entstehen konnten, ist den
Astronomen bis heute ein Rätsel.
Sterne bilden sich aus kollabierenden Gaswolken. Dabei dient ein etwas
dichterer Bereich im Zentrum der Wolke als eine Art "Saatkorn", das immer mehr
Materie anzieht. Bei normalen Sternen, wie etwa auch bei unserer Sonne, spielen
bei diesem Prozess schwerere Elemente wie Kohlenstoff eine wichtige
Rolle, da sie dazu beitragen, dass das auf den entstehenden Stern einfallende
Gas sich nicht zu stark erwärmt. Sonst würde es sich
nämlich ausdehnen und es könnte kein Stern mehr entstehen.
Schwere Elemente gab es jedoch im jungen Universum noch nicht, da diese erst
im Inneren von Sternen erzeugt werden mussten. Deswegen haben Astronomen
angenommen, dass für die ersten Sterne eine deutlich größere Menge an Material
erforderlich war, um dadurch das Fehlen der schweren Elemente zu kompensieren.
Daher vermutete man zunächst, dass die ersten Sterne Massen von bis zur
tausendfachen Masse der Sonne gehabt haben müssen. Neuere Modelle gingen
schließlich von einigen hundert Sonnenmassen aus. "Diese Sterne wurden mit der Zeit immer kleiner und kleiner", so
Hosokawa, "jetzt glauben wir, dass sie nur noch einige zehn Sonnenmassen groß
waren."
Bei den Computersimulationen des Teams stellte sich nämlich heraus, dass das
Material in der Umgebung des entstehenden Sterns sich deutlich stärker aufheizt
als man bislang angenommen hatte - auf bis zu 50.000 Kelvin, was in etwa der
8,5-fachen Oberflächentemperatur der Sonne entspricht. Gas mit einer solchen
Temperatur dehnt sich aber aus und kann dadurch der Anziehungskraft des sich
bildenden Sterns entkommen.
Damit muss das Wachstum dieser Sternen früher beendet gewesen sein, als man
gedacht hatte und sie dürften deswegen auch eine geringere Masse gehabt haben. "Dies wird einige Leute sicherlich überraschen", meint Harold Yorke vom
Jet
Propulsion Laboratory, der auch an der Untersuchung beteiligt war. "Bislang
gehört es zum Standardwissen, dass die ersten Sterne eine enorme Masse hatten."
Der unerwartete Fund könnte gleichzeitig helfen, ein anderes Rätsel über die Frühphase des
Universums zu lösen: Wären die ersten Sterne nämlich tatsächlich so
massereich wie ursprünglich angenommen, hätten sie am Ende ihres nuklearen
Lebens bei enormen
Supernova-Explosionen die in ihnen erzeugten schweren Elemente ins All blasen
müssen. Von diesen Elementen sollte sich dann in den
folgenden Sternengenerationen noch eine charakteristische Signatur nachweisen lassen. Trotz intensiver Suche hat man
diese Signatur allerdings bislang nicht gefunden.
Die neue Studie könnte dafür nun eine einfache Erklärung liefern: Man hat die Signatur bislang nicht gefunden, weil es sie nicht gibt. Da die ersten
Sterne nicht so massereich waren, explodierten sie eher wie Supernovae, die wir
auch heute noch beobachten können und hinterließen keine spezielle Signatur. "Ich
glaube es wird noch mehr Überraschungen aus dieser faszinierenden Epoche des
Universums geben", ist Yorke überzeugt.
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