Neue Methode zum
"Wiegen" Schwarzer Löcher
von Stefan Deiters astronews.com
17. Juli 2008
Astronomen haben jetzt erstmals ein neues Verfahren
ausprobiert, mit dem die Masse eines supermassereichen Schwarzen Lochs
unabhängig bestimmt werden kann: Sie basiert auf der Spitzentemperatur des
heißen Gases im Zentrum einer Galaxie. Ein erster Vergleich zeigte nun, dass die Methode
korrekte Ergebnisse liefert.

Die Galaxie NGC 4649 in einer kombinierten Hubble- (blau) und Chandra (violett)-Aufnahme. Bild:
NASA / CXC / Univ. of California Irvine / P. Humphrey et al. (Chandra); NASA / STScI (Hubble) |
Mit Hilfe des NASA-Röntgenteleskops Chandra und einem
neuen Verfahren bestimmten Astronomen jetzt die Masse des supermassereichen Schwarzen
Lochs im Zentrum der elliptischen
Riesengalaxie NGC 4649. Sie ermittelten dazu die
Temperaturspitze des Gases im Zentrum der Galaxie. Der gefundene Wert stimmt mit
bisherigen Massenabschätzungen ausgezeichnet überein.
Bislang wurde die Masse supermassereicher Schwarzer Löcher in der Regel anhand der Bewegung
von Sternen und Gas in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs bestimmt.
"Das ist schon ein enorm wichtiges Ergebnis, denn Schwarze Löcher sind
manchmal sehr schwer zu fassen und es gibt nur wenige Methoden, mit denen man
die Masse genau bestimmen kann", erläutert Philip Humphrey von der
University of California in Irvine, der die Untersuchung leitete. "Es ist ein
gutes Gefühl, dass zwei grundsätzlich verschiedene Methoden zum gleichen
Ergebnis führen."
NGC 4649 ist nur eine von wenigen Galaxien, in denen die Masse des zentralen
Schwarzen Lochs mit zwei verschiedenen Methoden gemessen wurde. Die neue, auf
Chandra-Röntgenbeobachtungen basierende Methode bestätigt zudem, dass NGC 4649
tatsächlich das
massereichste Schwarze Loch in unserem lokalen Universum besitzt. Mit der 3,4
Milliarden-fachen Masse der Sonne ist es etwa Tausend Mal massereicher als das
Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße.
Die Methode macht sich den Einfluss der Anziehungskraft des Schwarzen Lochs auf das umgebende Gas zunutze. Dieses wird komprimiert und erhitzt
sich, wodurch es
zu einem Anstieg der Gastemperatur sowie zu einer Temperaturspitze in
unmittelbarer Nähe des Zentrums kommt. Je massereicher das Schwarze Loch ist,
desto höher ist die Temperatur dieser Spitze im Zentrum der
Galaxie. Eine theoretischen Vorhersage dieses Effektes wurde bereits vor zehn
Jahren publiziert, doch erst jetzt konnte er zum ersten Mal beobachtet und zur Bestimmung
der Masse verwendet werden.
"Es ist schon wunderbar, endlich einen überzeugenden Beweis für den Einfluss
des riesigen Schwarzen Lochs zu sehen, den wir erwartet hatten", meint Fabrizio Brighenti von der Universität im italienischen Bologna, der die Theorie zusammen
mit seinem Kollegen William Mathews von der University of California in Santa
Cruz vor zehn Jahren aufgestellt hatte. "Wir sind begeistert, dass unser neues
Verfahren genauso gut funktioniert wie die traditionellen Methoden zur
Bestimmung der Masse eines Schwarzen Lochs."
Das Schwarze Loch in NGC 4649 ist derzeit nicht sonderlich aktiv, verschlingt
also keine gewaltigen Mengen von Materie. Deswegen ist es relativ unauffällig.
Um mehr über das Schwarze Loch zu erfahren, muss man daher zu indirekten
Verfahren greifen und die Sterne und das Gas in seiner Umgebung studieren. Die
neue Methode ist gerade für solche Schwarzen Löcher hervorragend geeignet.
"Riesige Schwarze Löcher im entfernten Universum sorgen für eine spektakuläre
Lichtshow, das sieht aber im lokalen Universum anders aus", so Humphrey. "Wir
können es darum kaum erwarten, unsere Methode bei anderen Galaxien
auszuprobieren, die auch so unauffällige Schwarze Löcher im Zentrum haben." Die Forscher veröffentlichen ihre Ergebnisse in einer kommenden Ausgabe der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
|