Milchstraße überraschend massearm
Redaktion /
Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
2. Juni 2008
Unsere Milchstraße hat deutlich weniger Masse als bislang
angenommen: Eine Auswertung von Daten des Sloan Digital Sky Survey
(SDSS) ermöglichte nun eine sehr präzise Bestimmung der Masse unserer
Heimatgalaxie. Diese ist danach nur etwa halb so groß wie vermutet. Die
Milchstraße dürfte somit auch weniger Dunkelmaterie enthalten als angenommen.
Aus der Geschwindigkeit von Sternen im Halo der
Milchstraße konnten die Forscher jetzt einen
viel zuverlässigeren Wert für die Masse des
galaktischen Halos und damit für die gesamte
Masse der Galaxis ableiten.
Bild:
Axel M. Quetz / MPIA / SDSS-II Collaboration [Großansicht] |
Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, hat offenbar eine wesentlich geringere
Masse als lange Zeit angenommen: Einer neuen, wesentlich genaueren Untersuchung
zufolge ist ihre Masse nur etwa halb so groß wie bisher vermutet. Die neue
Massenbestimmung beruht auf Daten des zweiten Slown Digital Sky Survey
(SDSS-II), einer umfassenden und weitreichenden Himmelsdurchmusterung, und
dürfte wichtige Konsequenzen für unser Bild von der Milchstraße haben. So ist
die Gesamtmasse beispielsweise wichtig, um zu verstehen, in welchem Maße die
Milchstraße kleinere, Begleitgalaxien verschlucken und deren Materie in neue
Sterne umwandeln kann. Sie zudem Auswirkungen auf die Berechnung des
Dunkelmaterie-Anteils in der Milchstraße.
Die internationale Forschergruppe hat für diese neue Massenbestimmung die
Geschwindigkeiten von Sternen gemessen, die das Zentrum der Galaxis in ihren
Außenbereichen, dem so genannten Halo, auf weiten Bahnen umlaufen. Zur Ableitung
der Masse der Galaxis bestimmte die Gruppe unter der Leitung von Xiang-Xiang
Xue, einer Forscherin des Nationalen Observatoriums Chinas, gegenwärtig
Doktorandin am Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie, die typischen
Geschwindigkeiten dieser Sterne in unterschiedlichen Entfernungen vom
galaktischen Zentrum.
Diese Geschwindigkeiten verraten den Astronomen, wie schnell die Sterne sich
bewegen müssen, um der Anziehungskraft des Milchstraßensystems und seiner
Dunklen Materie zu widerstehen. "Die Galaxis besitzt weniger Masse als wir
dachten, insbesondere gibt es viel weniger Dunkle Materie als bisher vermutet",
erkläutert Xue. Als "Messinstrument" zur Bestimmung des Gravitationsfeldes, und
damit der Massenverteilung, innerhalb der Galaxis wurden in der Untersuchung
2.400 Sterne verwendet, die relativ gleichmäßig verteilt und alle in etwa im
gleichen Entwicklungsstadium sind.
Das 2,5-Meter-Teleskop der Sloan-Durchmusterung in New Mexiko
lieferte für diese Sterne digitale Bilder und Spektren, aus denen sich sowohl
ihre Position am Himmel als auch ihre Entfernung und Geschwindigkeit mit hoher
Präzision ableiten lassen. Zwei frühere Studien aus dem Jahr 2003 beruhten auf
der Bestimmung der Fluchtgeschwindigkeit von 50 beziehungsweise 500 Sternen aus
einer inhomogenen Stichprobe – sie führten auf eine Masse der Galaxis, die
zweitausend Milliarden (zwei Billionen) Sonnenmassen entspricht. Die neue Studie
ergab einen nur halb so großen Wert.
Gewöhnlich bestimmt man die Masse der Galaxis, indem man nicht die
Umlaufgeschwindigkeiten, sondern die höchsten Geschwindigkeiten misst, die bei
Sternen in der Sonnenumgebung vorkommen. "Sterne, die zu schnell sind, müssen
die Galaxis vor langer Zeit verlassen haben, man findet sie also nicht", erklärt
Hans-Walter Rix, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astronomie. "Die höchsten
gemessenen Geschwindigkeiten entsprechen somit der Fluchtgeschwindigkeit und
liefern eine unabhängige Abschätzung der Masse unserer Galaxis. Auch auf diesem
Wege finden wir den neuen, niedrigen Wert."
"Das Ergebnis spielt auch dann eine wichtige Rolle," sagt Xue, "wenn man das
Milchstraßensystem mit anderen Galaxien vergleichen will. Die neue Untersuchung
ist auch deshalb einzigartig, weil sie ein dreidimensionales Bild der Galaxis
liefert."
Mit dem neu bestimmten, genaueren Wert für die Masse der Galaxis werden sich
bessere Antworten zu vielen Fragen über ihren Aufbau ergeben. Das betrifft
insbesondere die Aufteilung der Materie, aus welcher der galaktische Halo
besteht, in "normale" und "dunkle" Materie. Aufgrund der neuen Ergebnisse lässt
sich sagen, dass es weit weniger Dunkle Materie gibt als bisher vermutet. Die
Resultate werden im Herbst in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal
erscheinen.
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