Planeten mit vier Sonnen?
von Stefan Deiters astronews.com
26. Juli 2007
In der Regel, so die Ansicht der Astronomen, entstehen
Planeten um einen Einzelstern. Schon bei Doppelsternsystemen dürfte es in den
meisten Fällen für junge Planeten schwierig werden, sich zwischen den zwei
Sonnen zu behaupten. Jetzt aber haben Astronomen mit dem
Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer Hinweise dafür entdeckt, dass es
sogar in einem Vierfach-Sternsystem Planeten geben könnte.
So stellt sich ein Künstler das System HD 98800
vor. Im Vordergrund HD 98800B mit der von
Spitzer untersuchten Staubscheibe.
Bild: NASA / JPL-Caltech / T. Pyle (SSC) |
Die Forscher nutzten das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer,
um eine Staubscheibe zu studieren, die um ein Sternenpaar des Vierfachsystems HD
98800 kreist. Solche Staubscheiben gelten gemeinhin als Geburtsstätten von
Planeten. Die Astronomen sahen jedoch auf ihren Bildern nicht etwa eine Scheibe,
in der der Staub gleichmäßig verteilt war, sondern fanden verräterische Lücken.
Diese könnte man durch die besonderen Gegebenheiten eines Vierfachsystems
erklären - oder aber durch Planeten.
"Planeten wirken wie kosmische Staubsauger. Sie säubern den gesamten Bereich
auf ihrem Weg um den Zentralstern", erläutert Dr. Elise Furlan vom NASA
Astrobiology Institute an der University of California in Los Angeles. Furlan ist
Hauptautorin eines Fachartikels, der demnächst in der Zeitschrift The
Astrophysical Journal erscheinen wird. Das System HD 98800 ist rund
10 Millionen Jahre alt und 150 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Schon vor den Spitzer-Beobachtungen hatten die Wissenschaftler eine gewisse
Vorstellung über das Aussehen des Systems HD 98800: So wussten sie, dass das
System aus insgesamt vier Sternen besteht, die sich in jeweils zwei Doppelsterne
gepaart haben: Es umkreisen sich also die beiden jeweiligen Partner der
Doppelsternsysteme und zusätzlich noch die beiden Doppelsternsysteme selbst.
Eines der beiden Doppelsternsysteme, genannt HD 98800B, verfügt über eine
Staubscheibe. Das andere Doppelsternsystem nicht. Die beiden Doppelsternsysteme
sind 50 Astronomische Einheiten voneinander entfernt, was etwas mehr ist als die
durchschnittliche Entfernung des Pluto von der Sonne. Eine Astronomische Einheit
ist die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne.
Bislang war es nicht gelungen, die Staubscheibe um HD 98800B genauer zu
untersuchen. Erst mit Spitzer gelang nun ein detaillierterer Blick. Die Astronomen
entdeckten dabei, dass die Staubscheibe offenbar aus zwei Gürteln besteht. Einer
dieser Gürtel ist 5,9 Astronomische Einheiten vom Zentrum des Doppelsternsystems
entfernt und hat damit etwa eine Entfernung, die dem Abstand des Jupiters von der
Sonne entspricht. Die Astronomen vermuten, dass sich in diesem Bereich
Asteroiden und Kometen befinden.
Der zweite entdeckte Bereich befindet sich nur 1,5 bis 2 Astronomischen
Einheiten vom Zentrum des Doppelsternsystems entfernt, was in etwa dem Abstand
des Mars oder des Asteroidengürtels von der Sonne entspricht. Dieser Bereich
dürfte aus feinen Staubkörnern bestehen. "Wenn Astronomen Lücken in Staubscheiben
entdecken, denken sie sofort, dass ein Planet dafür verantwortlich ist", so
Furlan. "Doch angesichts des scheibenlosen Doppelsternsystems in 50
Astronomischen Einheiten Entfernung, dürften die Staubteilchen, die langsam ins
Innere des Systems wandern, ganz unterschiedlichen und wechselnden Kräften
ausgesetzt sein, so dass die Existenz eines Planeten nur Spekulation ist."
Planeten entstehen nach Ansicht der Astronomen in Staubscheiben um
neugeborene Sterne. Kleine Staubkörner wachsen dabei im Laufe der Zeit zu immer
größeren Brocken heran und einige von diesen werden zu erdähnlichen Planeten
oder zu Kernen von Riesenplaneten. Die Brocken, die nicht als Planet enden,
bleiben als Asteroiden oder Kometen übrig. Wenn diese kollidieren, entsteht
Staub, der von Spitzer beobachtet werden kann.
Furlan vermutet, dass der Staub, der durch die Kollisionen im äußeren Ring um
HD 98800B entsteht, langsam ins Innere wandert. Doch ist der innere Ring nicht
gleichmäßig gefüllt, wie das eigentlich zu erwarten wäre. Die dort beobachteten
Lücken lassen sich wieder durch den Einfluss von Planeten oder des anderen
Doppelsternsystems in der Nähe erklären. "Da viele junge Sterne in
Mehrfachsystemen entstehen, müssen wir davon ausgehen, dass die Entwicklung von
Staubscheiben um diese Sterne und die mögliche Entstehung von Planeten deutlich
komplizierter ablaufen kann, als in unserem recht einfachen Sonnensystem", so
Furlan.
Ein Beobachter auf einem hypothetischen Planeten um HD 98800B könnte in dem
System doppelte Sonnenauf- und untergänge erleben. Die beiden Sonnen HD 98800A
würden von dem Planeten allerdings aufgrund ihrer Entfernung mehr wie sehr helle Sterne
erscheinen.
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