Sonnensystem wandert in Randbezirk
von Hans Zekl für astronews.com
16. Mai 2007
Die Milchstraße und die Andromeda-Galaxie befinden sich auf
Kollisionskurs: In rund fünf Milliarden Jahren werden die beiden Spiralgalaxien
zu einer neuen elliptischen Galaxie verschmolzen sein. Unser Sonnensystem dürfte
die kosmische Karambolage vermutlich unbeschadet überstehen, wird sich aber wohl
in einem recht abgelegen Teil der neuen Galaxie wiederfinden. Darauf deuten
zumindest Computersimulationen hin, die jetzt vorgestellt wurden.
Hubbles Blick auf die kollidierenden Antennen-Galaxien
NGC 4038-4039. Vermutlich wird sich ähnliches
abspielen, wenn unsere Milchstraße mit der
Andromeda-Galaxie kollidiert. Foto:
NASA, ESA und das Hubble Heritage Team (STScI /
AURA) - ESA/Hubble Collaboration [mehr
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Zweieinhalb Millionen Lichtjahre entfernt befindet sich die große Schwester unserer Milchstraße, die Andromeda-Galaxie.
Doch jede Sekunde verringert sich der Abstand zwischen den beiden
Spiralgalaxien um rund 120 Kilometer. Deshalb nehmen die Astronomen schon
seit gut fünf Jahrzehnten an, dass die beiden Systeme mit jeweils über 100 Milliarden Sternen eines fernen Tages zusammenstoßen
werden.
Normalerweise stoßen bei Galaxienkollisionen die Sterne nicht wirklich
zusammen - die Abstände zwischen ihnen sind einfach zu groß sind. Die Bahnen
der Sterne allerdings können gehörig durcheinander gewirbelt werden. Die interstellare Materie in den beiden Systemen prallt
direkt aufeinander und setzt eine Welle der Sternentstehung in Gang.
Neue Simulationen der Astronomen T. J. Cox und Avi Loeb vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics im
amerikanischen Cambridge geben nun darüber Auskunft, was unserem
Sonnensystem bevorstehen könnte, wenn Andromeda und die Milchstraße
kollidieren.
Die Forscher berichten über ihre Resultate in einer kommenden Ausgabe der
Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.
Ein Beobachter, der die Kollision von Andromeda und Milchstraße von der Erde
aus verfolgen könnte, würde sehen, wie auch langsam die gewaltige Scheibe
der Andromeda-Galaxie immer deutlicher am Nachthimmel sichtbar wird. Das zarte Band der Milchstraße
würde sich dann allmählich in ein Getümmel aus
Sternen verwandeln - nämlich dann, wenn die sich nähernde Andromeda-Galaxie
die Bahnen der Sterne kräftig durcheinanderwirbelt. Am Ende des Prozesses
sind beide Galaxien zu einer riesigen Kugel aus Milliarden von Sternen
verschmolzen.
Doch bevor es soweit ist, werden sich die beiden Galaxien mehrmals begegnen. Dabei verlieren sie jedes Mal durch die
gegenseitigen Anziehungskräfte an Geschwindigkeit. Die Astronomen haben
zudem angenommen, dass beide Galaxien in eine diffusen Wolke aus Gas und
Dunkler Materie eingebettet sind, was die Abbremsung der Galaxien und den
Verschmelzungsprozess deutlich beschleunigt. Ohne deren Wirkung würden die Ereignisse nahezu dreimal solange brauchen.
Die erste Passage oder Kollision erfolgt danach in weniger als zwei Milliarden
Jahren, zu einer Zeit, in der sich die Sonne noch nicht zu einem Riesenstern
aufgebläht hat und es auf der Erde vielleicht noch Leben gibt. Wie eng die
Begegnung tatsächlich sein wird, ist unsicher, da man die Größe der
seitlichen Bewegung von Andromeda nicht genau genug kennt. In fünf Milliarden Jahren
dann werden beide Systeme zu einer elliptischen Galaxie verschmolzen sein.
Das Sonnensystem selbst wird bis dahin eine weite Reise zurück gelegt haben. Wenn sich die beiden Galaxien begegnen wird die gegenwärtig fast kreisförmige Bahn
der Sonne um das Milchstraßenzentrum durch die Anziehungskraft von Andromeda stark verändert werden. Möglicherweise
kreist die Sonne mit ihren Planeten eine Zeit lang sogar um das Zentrum unserer Nachbargalaxie, bevor sie sich dann mit den anderen Sternen in der
neu entstandenen Galaxie wiederfindet.
Allerdings dürfte unser Sonnensystem dann vier Mal soweit vom Zentrum entfernt sein wie heute, nämlich
etwa 100.000 Lichtjahre.
"Momentan leben wir quasi in einer Art Vorstadt-Bezirk der Milchstraße," beschreibt Cox das Szenario.
"Aber durch die kommenden turbulenten Ereignisse werden wir wohl weit nach
draußen verfrachtet werden." Loeb sieht es mit Humor:
"Das ist meine erste Veröffentlichung, die vielleicht noch in fünf Milliarden Jahren erwähnt werden wird."
Und einen Namen für die zukünftige Galaxie haben Cox
und Loeb auch schon: "Milkomeda", also eine Kombination von "Milky way" und
"Andromeda", könnte man das neue System nennen, schlagen die Forscher
augenzwinkernd vor. Auf Deutsch müsste die neue elliptischen Galaxie
entsprechend "Milchomeda" heißen.
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