Deuterium bringt Theorien ins Wanken
von Rainer Kayser
15. August 2006
In unserer Milchstraße existiert erheblich mehr Deuterium
als bislang von den Astronomen vermutet. Das zeigen neue Beobachtungen mit dem
amerikanischen Satelliten FUSE. Die demnächst im Fachblatt Astrophysical
Journal veröffentlichten Messergebnisse könnten nach Ansicht der Forscher
eine radikale Erneuerung der Theorien über die Entstehung von Sternen und
Galaxien erfordern.
Löste ein Problem und entdeckte ein neues: NASA-Sonde FUSE. Bild: NASA |
"Seit den 1970er Jahren waren wir nicht in der Lage zu erklären, warum
Deuterium in der Milchstraße so ungleichmäßig verteilt ist", erläutert Jeffrey
Linsky von der University of Colorado in Boulder, der die Beobachtungen
leitete. "Die Antwort, die wir nun gefunden haben, ist ebenso beunruhigend wie
aufregend."
Deuterium oder schwerer Wasserstoff enthält im Gegensatz zu normalem
(leichtem) Wasserstoff im Atomkern zusätzlich zum Proton ein Neutron. Schwerer
Wasserstoff ist nach heutigen Erkenntnissen ausschließlich beim Urknall
entstanden und wird in Sternen durch Kernfusion zu Helium verbrannt. Messungen
vor 35 Jahren zeigten, dass Deuterium in unserer Milchstraße extrem
ungleichmäßig verteilt ist - ein Umstand, für den die Astronomen bislang keine
Erklärung hatten.
Vor drei Jahren entwickelte Bruce Draine von der Princeton University
ein Modell, nach dem Deuterium sich bevorzugt an interstellare Staubkörner
anlagert und dadurch unbeobachtbar wird. Die neuen Beobachtungen mit der
NASA-Sonde Far Ultraviolet Spectroscopic Explorer (FUSE) scheinen nun
dieses Modell zu bestätigen. "Überall, wo wir hohe Konzentrationen von Staub
sehen, finden wir mit FUSE niedrige Konzentrationen von Deuterium", so Linsky,
"und dort wo wenig Staub ist, messen wir viel Deuterium."
Dies erklärt zwar die ungleichmäßige Verteilung des schweren Wasserstoffs,
doch ergaben die Messungen auch, dass es viel mehr Deuterium in der Milchstraße
gibt, als bislang angenommen. Die Theorie sagt voraus, dass mindestens ein
Drittel des ursprünglich in der Milchstraße vorhandenen Deuteriums inzwischen in
Sternen verbrannt sein sollte.
Doch die FUSE-Messungen zeigen, dass der heutige Wert der Deuteriumdichte nur
15 Prozent niedriger ist als der ursprüngliche Wert. "Es muss also entweder
erheblich weniger Deuterium in Helium und andere schwerer Elemente umgewandelt
worden sein - oder es muss im Verlauf der Zeit erheblich mehr Deuterium in die
Milchstraße geströmt sein als wir denken", so Linsky. "In jedem Fall müssen wir
unsere Modelle von der Entwicklung der Milchstraße erheblich revidieren."
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