Generalprobe
für seltenen Transit der Venus
Redaktion
astronews.com
23. März 2004
Im letzten
Jahr zog der Merkur - von der Erde aus gesehen - vor der Sonnenscheibe vorüber.
Für die Astronomen in aller Welt war dieses Ereignis so etwas wie eine
Generalprobe für ein deutlich selteneres Ereignis, das im Sommer dieses Jahres
stattfindet: ein Transit der Venus. Das letzte Mal zog unser Nachbar im
Sonnensystem im Jahr 1882 vor der Sonnenscheibe vorüber.
Merkur vor der Sonnenscheibe am 7. Mai 2003, aufgenommen am
Vakuum-Turm-Teleskop auf Teneriffa (oben). Unten: die Natrium-Absorption um Merkur.
Foto/Bild: Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik / idw
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In etwa zweieinhalb Monaten, am 8. Juni 2004, wird die Venus von der Erde aus
gesehen vor der Sonne vorbeiziehen. Dieses Ereignis findet zwischen 7.10 und
13.30 Uhr MESZ statt und ist von Mitteleuropa aus bei Sonnenschein gut zu
beobachten. Dieser außerordentlich seltene "Venus-Transit" wurde bisher von
keinem lebenden Menschen beobachtet; der letzte Venus-Transit fand im Jahr 1882
statt. Die Venus ist der zweitnächste Planet der Sonne.
Transits des der Sonne nächsten Planeten - des Merkurs - sind wesentlich
häufiger: Das letzte derartige Ereignis war am 7. Mai 2003. Es wurde am
deutschen Vakuum-Turm-Teleskop auf Teneriffa intensiv beobachtet. Dabei ist es
Wissenschaftlern des Kiepenheuer-Instituts und der Hamburger Sternwarte
gelungen, erstmalig neutrales Natrium in der dünnen "Atmosphäre" (genauer:
Exosphäre) von Merkur nachzuweisen. Dieses Ergebnis ist ein wichtiger
Meilenstein auf dem Weg zum Nachweis von Atmosphären von Exoplaneten, also von
Planeten, die um ferne Sterne kreisen.
Die Existenz der Exosphäre des Merkurs ist seit den Flügen der Raumsonde
Mariner 10 zum Merkur (1974/75) bekannt. Bei späteren Beobachtungen von der
Erde aus fand man schmale Emissions-Spektrallinien des ionisierten Natriums und
Kaliums auf der sonnenbeschienenen Scheibe des Planeten. Der Merkur-Transit im
Mai 2003 bot die Gelegenheit, seine Exosphäre vom Sonnenlicht "durchleuchten" zu
lassen. Die neutralen Natrium-Atome machen sich durch eine zusätzliche
Absorption im Spektrum des Sonnenlichts in der unmittelbaren Umgebung der
schwarzen Merkur-Scheibe bemerkbar. Da sich der Merkur während des Transits mit
einer Geschwindigkeit von etwa 4,6 Kilometern pro Sekunde auf die Erde zu
bewegte, wurde die vom Merkur erzeugten Absorptionslinie zu kürzeren
Wellenlängen durch den so genannten Doppler-Effekt verschoben.
Im unteren Bild ist die räumliche Verteilung der gemessenen Stärke der
zusätzlichen Absorption dargestellt. Die Pfeile zeigen in die Richtung der
Rotationsachse sowie zum West-Rand (dort ging auf Merkur gerade die Sonne auf).
Die Konzentration der neutralen Natrium-Atome ist also besonders stark über den
Polen von Merkur und kann bis etwa 700 km oberhalb der Planetenoberfläche
nachgewiesen werden. Eine schwächere Absorption sieht man auch entlang des
Westrands, wohingegen am Ostrand (Sonnen-Untergang) nichts zu erkennen ist.
Die Messungen wurden mit einem zweidimensionalen Fabry-Perot-Spektrometer
durchgeführt. Wesentlich zum Erfolg trug eine Adaptive Optik bei, welche die
durch Luftunruhe erzeugten Bildverzerrungen weitgehend unterdrückte und damit
die Messung der schwachen Absorption in der Nähe des Merkurs erst möglich
machte. Ähnliche spektroskopische Untersuchungen sind am VTT auch für den
Venus-Transit am 8. Juni 2004 geplant.
Der Ursprung der Natriumatome in der Exosphäre von Merkur ist noch nicht
vollständig verstanden. Sie können zum Beispiel durch den Sonnenwind oder durch
Mikrometeorite aus der Merkuroberfläche freigesetzt werden. Die Stärke des hier
gefundenen Effekts kann auch als Anhaltspunkt für die spektroskopische
Untersuchung extrasolarer Planeten dienen, wenn sie - von der Erde aus gesehen -
vor ihren jeweiligen Zentralsternen vorbeiziehen und diese bedecken.
Das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (KIS) wurde vom Europäischen
Süd-Observatorium (ESO) ausgewählt, den deutschen Informationsknoten für ein
internationales und von der EU gefördertes Projekt der Beobachtung und
Popularisierung des Venustransits 2004 zu bilden. Zentrales Anliegen dieses
Projekts ist eine Wiederholung der bedeutenden historischen Nutzung von
Venus-Transits, um die Astronomische Einheit, die mittlere Entfernung zwischen
Erde und Sonne, zu bestimmen. Bei diesem Projekt ist zwar kein genauerer Wert zu
erwarten, aber es ist eine optimale Gelegenheit, mit eigenen Beobachtungen und
eventuell auch eigenen Auswertungen ein Verständnis der Methode und ihrer
Genauigkeit zu erreichen. Im internationalen Projekt werden die Beobachtungen
zentral gesammelt und ausgewertet werden.
Zusätzlich wird zu einem Videofilmwettbewerb aufgerufen und es werden Kontakte
zu Planetarien, Volkssternwarten und anderen Einrichtungen gegeben, bei denen
das Ereignis auch für Laien gefahrlos zu beobachten ist. Schließlich sind
umfangreiche Einspeisungen von Bildmaterial aus international verteilten
Web-Kameras in das vt-2004-Netzwerk geplant - was besonders wichtig ist, wenn es
mal wieder - wie bei der totalen Sonnenfinsternis am 11. August 1999 - bei uns
bewölkt ist.
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