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Das Ion des Wasserstoffmoleküls und die neue Physik
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf astronews.com
28. August 2025
Das Ion des Wasserstoffmoleküls ist hervorragend geeignet, um
ultrapräzise Messungen wichtiger physikalischer Konstanten zu machen. Mit einem
neuen Verfahren gelang es nun, die bisherige Messgenauigkeit erheblich zu verbessern
und so das Massenverhältnis von Proton zu Elektron mit höherer
Genauigkeit als bisher zu bestimmen.

Detailaufnahme des Experimentaufbaus. Mittels
Laserlicht werden die Molekülionen des
Wasserstoffs gekühlt, so dass sie anschließend
laserspektroskopisch vermessen werden können.
Foto: HHU / Nicolas Stumpe [Großansicht] |
Das molekulare Wasserstoffion H2+ ist das einfachste Molekül. Gerade
seine Einfachheit macht es zu einem perfekten Untersuchungsobjekt für die
Physik, denn seine Eigenschaften – beispielsweise die Energieniveaus – lassen
sich präzise berechnen. So können theoretische Vorhersagen mit experimentellen
Messungen verglichen werden, um zu überprüfen, ob die Theorien die Wirklichkeit
korrekt wiedergeben. Am Institut für Experimentalphysik der
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) will die
Arbeitsgruppe um Prof. Stephan Schiller die Genauigkeit der Messungen
immer weiter vorantreiben. "Es geht um die
Suche nach 'neuer Physik', also nach Phänomenen, die das äußerst erfolgreiche
Standardmodell der Teilchenphysik nicht erklären kann", so Schiller. "Indem wir
ultrapräzise theoretische Vorhersagen für H2+ mit ähnlich präzisen experimentellen Messungen
vergleichen, suchen wir nach kleinsten Abweichungen."
"Finden wir Abweichungen, kann dies auf eine neue, 'fünfte Kraft' hindeuten,
die über die vier bekannten fundamentalen Wechselwirkungen hinaus existiert",
ergänzt Dr. Soroosh Alighanbari. "Oder wir können untersuchen, ob versteckte zusätzliche Dimensionen
existieren, die die Gravitation auf kleinen Skalen beeinflusst." Das
HHU-Forschungsteam nutzt Quantentechnologien – Ionenfallen, Laserspektroskopie
und Laserfrequenzmesstechnik –, um H2+-Übergangsfrequenzen zu vermessen.
"In früheren Arbeiten bestimmten wir zum ersten Mal direkt
laserspektroskopisch einen Schwingungsübergang in H2+. Die
Messgenauigkeit war aber durch den sogenannten Doppler-Effekt begrenzt, der die
Spektrallinien verbreitert und verschiebt", erläutert Alighanbari.
Den HHU-Physikern gelang es nun, ihre bisher
erreichten Laserspektroskopieergebnisse erheblich zu verbessern. Sie konnten
durch ein spezielles, in Düsseldorf entwickeltes Verfahren der "dopplerfreien
Laserspektroskopie" den in einem früheren Experiment noch störenden
Doppler-Effekt aufheben. Zusätzlich schalteten sie weitere störende Effekte von
externen elektrischen und magnetischen Felder aus. "Wir fangen Molekülionen
zusammen mit Atomionen, die mit Lasern kühlbar sind, in einer Falle zusammen
ein", erläutert Alighanbari den Düsseldorfer Ansatz: "Die kalten Atome kühlen
die Moleküle mit ab und verlangsamen so deren Bewegung drastisch. Doch da reicht
dies noch nicht ausreichte, um die Dopplerverbreiterung vollständig zu
eliminieren, wählten wir eine spezielle Spektroskopiegeometrie, mit der dies
möglich wurde."
Mithilfe der gemessenen Schwingungsspektren können die Physiker
Grundkonstanten der Natur berechnen. Diese Größen finden sich etwa in den
Gleichungen der Quantenmechanik wieder und legen dort etwa die Energieniveaus
von Atomen und Molekülen fest. Entsprechend bestimmen sie auch die Frequenz
absorbierten oder emittierten Lichts, wenn ein Atom oder Molekül zwischen zwei
Niveaus wechselt.
Mit dem Düsseldorfer Experiment kann das Verhältnis von
Protonenmasse (mp) zu Elektronenmasse (me) bestimmt werden, denn für Moleküle
ist die Protonenmasse besonders relevant. "Die Molekülspektroskopie
eignet sich besonders gut für die extrem genaue Messung des Massenverhältnisses
von Proton und Elektron (mp/me)", so Schiller. "Diese dimensionslose Konstante bestimmt den
Maßstab für Teilchenmasseeffekte in molekularen Schwingungs- und
Rotationsenergien." Die Forschenden bestimmten das Verhältnis mp/me mit einer Unsicherheit von
nur 26 Teilen pro Billion. Damit konnte die Genauigkeit um drei Größenordnungen
gegenüber den früheren Messungen gesteigert werden.
"Dieses
Ergebnis stimmt nicht nur mit der Penningfallen-Massenspektrometrie, einer
weiteren führenden Technik, überein, sondern übertrifft diese in ihrer
Präzision", freut sich Alighanbari. "Unser Ergebnis betrifft nicht nur mp/me. Es ist ein Meilenstein, um
grundlegende Symmetrien der Natur zu erforschen, insbesondere die
CPT-Symmetrie", betont Schiller die weitreichenden Potenziale der
Ergebnisse: "Unser Ansatz kann letztendlich einen viel empfindlicheren CPT-Test
ermöglichen, indem wir einen Übergang in H2+ mit seinem Antimaterie-Gegenstück
vergleichen. Dazu muss noch die Synthese von Anti-H2+ beispielsweise am
europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf gelingen."
Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt
zwar fundamentale Teilchen und Kräfte bemerkenswert gut, doch tiefgreifende
Rätsel bleiben ungelöst: etwa die Natur der Dunklen Materie – deren Masse den
Großteil des Universums ausmacht – und der Dunklen Energie – deren Wirkung die
Ausdehnung des Universums auf großen Dimensionen beschleunigt. Weitere offene
Fragen lauten: Warum ist die Schwerkraft so schwach, warum haben Neutrinos Masse
und warum besteht das Universum überwiegend aus Materie und nicht aus
Antimaterie?
Um die Materie-Antimaterie-Antisymmetrie im Universum untersuchen zu können,
kann H2+ in Zukunft mit seinem Antimaterie-Gegenstück verglichen
werden. Verhalten sich die Moleküle spektroskopisch nicht exakt gleich –
Physiker sprechen davon, dass die CPT-Symmetrie verletzt ist, nach der sich
Materie und Antimaterie identisch verhalten sollten –, erlaubt diese
möglicherweise Rückschlüsse, warum nach dem Urknall ein allein mit Materie
gefülltes Universum zurückblieb.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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