Kosmisches Filament im Detail untersucht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
19. Juni 2025
Eine Vielzahl von Teleskopen hat gemeinsam ein großes
Filament aus heißem Gas untersucht, das vier Galaxienhaufen verbindet. Dieser 23
Millionen Lichtjahre lange Gasfaden enthält mehr als zehn Millionen Grad heißes
intergalaktisches Medium. Seine Eigenschaften passen perfekt zu den Vorhersagen
des kosmologischen Standardmodell.

Das zusammengesetzte Bild basiert auf
Röntgendaten der Weltraumteleskope JAXA Suzaku
und ESA XMM-Newton: Das Filament ist als
violetter Flickenteppich zwischen den oberen und
unteren Galaxienhaufen sichtbar.
Bild:
ESA / XMM-Newton und ISAS / JAXA,
Acknowledgement: Migkas et al. (2025) [Großansicht] |
Für die jetzt vorgestellte Studie konzentrierte sich das Forschungsteam auf
ein Filament, das die Galaxienhaufen A3532 und A3530 auf der einen Seite mit
A3528-N und A3528-S auf der anderen Seite verbindet. Die vier Galaxienhaufen
sind Teil des großen Shapley-Superhaufens, einer großen Ansammlung von mehr als
8000 Galaxien, die sich etwa 650 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im
Sternbild Zentaur befinden. Die Analyse zeigt, dass das Filament hauptsächlich
aus freien Elektronen und Protonen mit einer Temperatur von mehr als zehn
Millionen Grad Celsius besteht. Die Dichte beträgt etwa zehn Teilchen pro
Kubikmeter, was etwa 30 bis 40-mal der durchschnittlichen Dichte des Universums
entspricht. Insgesamt umfasst das heiße Gas im Filament in etwa das Zehnfache
der Masse der Milchstraße.
Heißes Gas in Filamenten wurde schon früher beobachtet. Es ist aber das erste
Mal, dass seine Eigenschaften mit einer genauen spektroskopischen Analyse
bestimmt wurden, und dass ohne nennenswerte "Verunreinigungen" durch Schwarze
Löcher und Galaxien. Um die Verunreinigungen, die durch Röntgenstrahlung aus den
heißen Scheiben rund um Schwarze Löcher entstehen, zu beseitigen, setzte das
Forschungsteam der Universitäten Leiden, Bonn, Helsinki und Paris-Saclay eine
Kombination von Methoden ein. Zunächst bestimmten sie mit Daten von optischen
Teleskopen die Ausrichtung des Filaments am Himmel. Mit dem japanischen Suzaku-Röntgenteleskop
erstellten sie dann ein Spektrum der gesamten Region. Schließlich nutzten sie
Daten des europäischen XMM-Newton-Teleskops, um die verunreinigenden Schwarzen
Löcher zu modellieren und zu eliminieren. Schließlich konnten sie ein Spektrum
des Filaments isolieren, das sie zur Bestimmung seiner Dichte und Temperatur
nutzten.
Kosmologische Beobachtungen stützen das Standardmodell zur Entwicklung des
Universums, das von bestimmten Mengen an Materie- und Energieformen ausgeht.
Zwei dieser Bestandteile sind der Teilchen- und Quantenphysik noch unbekannt,
für den Erfolg des Modells aber entscheidend: Die sogenannte Dunkle Materie soll
die relativ schnellen Rotationsraten der Galaxien erklären; die Dunkle Energie
die zunehmende Expansionsrate des Universums. Die baryonische Materie, "normale"
Materie wie zum Beispiel Elektronen und Protonen, trägt nur zu fünf Prozent zur
Gesamtsumme bei. "Nicht nur, dass die moderne Physik die Natur von 95 Prozents
des Inhalts unseres Universums nicht kennt - wir sind bisher auch nicht in der
Lage, die Hälfte der verbleibenden fünf Prozent zu lokalisieren", erklärt Dr.
Florian Pacaud vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn. Er
ist auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) "Matter".
Groß angelegte kosmologische Simulationen zeigen, dass es sich bei der
fehlenden Materie um warme ionisierte Materie handeln muss, sogenanntes
warm-heißes intergalaktisches Medium (WHIM). Dieses kommt in riesigen kosmischen
Filamenten, langgezogene Gasfäden, vor, die Galaxienhaufen miteinander
verbinden. In früheren Studien, von denen mehrere von der Universität Bonn
geleitet wurden, konnten nur einige der dichtesten Filamente erfolgreich einzeln
nachgewiesen werden – weil diese heller und leichter zu entdecken sind. Diese
Beobachtungen stimmten jedoch nicht mit den Simulationen überein.
"Wir hatten nicht erwartet, dass unsere neue Methode das Signal der fehlenden
Baryonen so effektiv isoliert", sagt Forschungsleiter Konstantinos Migkas, der
seine Arbeiten an der Universität Bonn begann und nun als Oort-Postdoktorand am
Leiden Observatory und bei der Space Research Organisation Netherlands
forscht. Das Ergebnis der Analyse zeigt: Die Dichte des Filaments ist viermal
weniger dicht als die bisherigen Entdeckungen – und damit typisch für die
Vorhersagen in numerischen Simulationen. "Wir zeigen damit, dass die
Eigenschaften der kosmischen Filamente doch mit den Simulationen übereinstimmen.
Es scheint also, dass die kosmologischen Simulationen die ganze Zeit über
richtig waren. Das ist eine große Belohnung."
Laut dem Team könnte diese Forschung den Weg für künftige Studien ebnen, die
an ähnlichen Orten im Universum nach Filamenten und ihren Eigenschaften suchen.
Sie ermöglicht es den Forschenden, die Verbindungen zwischen den größten
Strukturen im Universum besser zu verstehen. Über die Ergebnisse berichtet das
Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics
erschienen ist.
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