Herzschlagmessung in Schwerelosigkeit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
11. Juni 2025
Vom Flughafen Bordeaux-Mérignac startet in dieser Woche
wieder ein umgebauter Airbus, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im
Rahmen der 44. Parabelflugkampagne zusammen mit ihren Experimenten in die
Schwerelosigkeit zu bringen. Im Fokus steht dabei unter anderem das Wohlergehen
der Besatzung während eines Aufenthalts im All.

Am 10. Juni 2025 ist der Airbus A310 ZERO-G
um 9:30 Uhr vom Flughafen Bordeaux-Mérignac
gestartet, um Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler zusammen mit ihren Experimenten
in die Schwerelosigkeit zu bringen. Es ist der
erste von drei Flugtagen während der 44.
Parabelflugkampagne der Deutschen
Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR), die bis zum 13. Juni
stattfindet.
Foto: DLR
(CC BY-NC-ND 3.0) [Großansicht] |
Am 10. Juni 2025 ist der Airbus A310 ZERO-G um 9:30 Uhr vom Flughafen
Bordeaux-Mérignac gestartet, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
zusammen mit ihren Experimenten in die Schwerelosigkeit zu bringen. Es ist der
erste von drei Flugtagen während der 44. Parabelflugkampagne der Deutschen
Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die bis zum
13. Juni stattfindet. Während der aktuellen Parabelflugkampagne werden insgesamt
zehn Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen an Bord durchgeführt.
Neu dabei sind die Experimente ARTIFACTS zu Störfaktoren in kardiologischen
Messmethoden und ComFly, ein Experiment, das den Kreislauf über die Kompression
der Beine stabilisieren soll. Im Experiment "Komplexe Plasmen und KI" wird zum
zweiten Mal die Einbindung einer Künstlichen Intelligenz (KI) getestet, um die
Ergebnisse automatisch zu analysieren. Zudem ist das DLR-Institut für Robotik
und Mechatronik aus Oberpfaffenhofen mit einem Experiment zum menschlichen
Positionssinn vertreten.
Bei der Messung der Herzfunktion kann es zu Störsignalen kommen, die die
Messungen verfälschen. Sie entstehen, wenn die entsprechenden Sensoren unter
Schwerkraft durch den Herzschlag kippen und drehen. Im Experiment ARTIFACTS
(Identifikation gravitationsbedingter Artefakte ballisto-kardiographischer
Signale im Vergleich Schwerelosigkeit und bei normaler Gravitation) soll
untersucht werden, wie genau diese Störsignale entstehen. In Schwerelosigkeit
sollte das Problem nicht auftreten. Daher werden vier gesunde Personen mit
Sensoren versehen und deren Bewegung während der Parabeln erfasst. Die Sensoren
sind klein und leicht und können mit Pflastern auf der Haut oder an der Kleidung
befestigt dauerhaft getragen werden. Sie sind außerdem unempfindlich gegen
Strahlung und deswegen sehr gut geeignet, bei Weltraummissionen eine dauerhafte
und nicht-invasive Überwachung der Herzgesundheit sicherzustellen. Unter dem
Namen "SpacePatch" werden die Sensoren derzeit für den Einsatz auf längeren
Raumflügen, beispielsweise zum Mond, vorbereitet.
Das Experiment ComFly (CompressionFly) der Charité Berlin untersucht die
Anwendung von Kompressionsgeräten an den Beinen zur Stabilisierung des
Kreislaufsystems. Während des Fliegens ändern sich Gravitationskräfte und es
können sich Blutstauungen im Körper bilden. Ziel ist es, das Blut durch Druck
auf die Beine an einer Stauung zu hindern und das Herz-Kreislauf-System dadurch
zu stabilisieren. Die Ergebnisse dieses Experiments könnten für die Entwicklung
von Technologien für Langzeitmissionen im Weltall entscheidend sein. Starts,
Landungen und längere Aufenthalte in Schwerelosigkeit sind sehr belastend für
das Herz-Kreislauf-System. Hier Abhilfe schaffen zu können, würde längere
Mission erst ermöglichen.
Komplexe Plasmen sind elektrisch leitende Gase, ähnlich wie in
Leuchtstoffröhren verwendet, in die Mikropartikel (Staubteilchen) eingebracht
werden. Diese Mikropartikel laden sich in einer Plasmakammer stark negativ auf
und werden durch elektrische Felder zum Schweben gebracht. Die elektrostatische
Wechselwirkung zwischen den Mikropartikeln ist sehr stark, sodass neue
interessante Phänomene auftreten können. Ziel des Experiments "Untersuchungen
von KI-Methoden zur Durchführung von komplexen Plasmen in der Schwerelosigkeit"
ist, das Verhalten der Mikropartikel im Plasma zu untersuchen, beispielsweise
die temporäre Bildung von kristallinen Strukturen, sogenannten Plasmakristallen.
Mithilfe von künstlicher Intelligenz werden die Ergebnisse des Experiments
automatisch kontrolliert. Insbesondere ist die KI in der Lage, die Partikel und
ihre Strukturen sofort zu analysieren. Diese Experimente und ihre Auswertung
werden im Labor durch den Einfluss der Schwerkraft auf die Mikropartikel
teilweise stark beeinträchtigt. Deshalb werden Experimente mit komplexen Plasmen
seit langem unter Schwerelosigkeit beispielsweise auf Parabelflügen oder der
Internationalen Raumstation ISS durchgeführt.
Bei zukünftigen Raumfahrtmissionen auf dem Mond oder Mars werden Roboter zum
Einsatz kommen, die durch Astronautinnen und Astronauten ferngesteuert werden.
In Schwerelosigkeit haben Menschen jedoch Schwierigkeiten, die Position ihrer
Gliedmaßen genau zu bestimmen. Das beeinträchtigt die motorische Genauigkeit und
damit auch die Steuerung von Robotern. Um diesem Problem zukünftig begegnen zu
können, untersucht das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik in
Oberpfaffenhofen den menschlichen Positionssinn in Schwerelosigkeit und erhöhter
Gravitation. Dabei ruhen die Arme von sechs Versuchspersonen auf Hebeln. Jeweils
ein Hebel wird auf eine Testposition gefahren. Mit dem zweiten Hebel wird
anschließend die Position des anderen Hebels angezeigt.
Seit 1999 organisiert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR regelmäßig eigene
Parabelflugkampagnen für biologische, humanphysiologische, physikalische,
technologische und materialwissenschaftliche Experimente von deutschen
Forschungseinrichtungen. Das Forschungsflugzeug, der A310 Air ZERO-G der
französischen Firma Novespace, wird dabei nicht nur für die wissenschaftliche
Kampagnen des DLR genutzt, sondern auch von anderen Raumfahrtagenturen wie der
Europäischen Weltraumorganisation ESA oder der französischen Raumfahrtagentur
CNES.
Eine Parabelflugkampagne besteht in der Regel aus drei Flugtagen mit ungefähr
vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden. Während jeder
Parabel herrscht für etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit. Insgesamt stehen bei
einer Flugkampagne also circa 35 Minuten Schwerelosigkeit – im Wechsel mit
normaler und nahezu doppelter Erdbeschleunigung – zur Verfügung, die Forschende
für ihre Experimente nutzen können. Bis zu 40 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler können an einem Flug teilnehmen, bei dem sich um die zehn
Experimente an Bord befinden.
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