Streifen an Abhängen durch Staub und nicht durch
fließendes Wasser?
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
20. Mai 2025
Wie entstehen die eigentümlichen Streifen, die immer wieder
an Fels- und Kraterwänden des Mars beobachtet wurden? Vielfach wurden sie als
Hinweis auf flüssiges Wasser auf dem Roten Planeten gedeutet. Zwei Forscher
haben die Streifen nun mit einem neuen Ansatz unter die Lupe genommen. Das
Ergebnis: Nicht Wasser, sondern Staub ist vermutlich für ihre Entstehung
verantwortlich.

Wie lässt sich die Herkunft der
eigentümlichen Streifen an Fels- und Kraterwänden des Mars
erklären? Der Kontrast auf dieser Aufnahme der Kamera CaSSIS
an Bord des ExoMars Trace Gas Orbiter der ESA wurde verstärkt,
um die Streifen besser sichtbar zu machen.
Bild: ESA [Großansicht] |
Seit Jahren beobachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seltsame
helle und dunkle Streifen, die an den Fels- und Kraterwänden des Mars
entlanglaufen. Einige Forschende haben diese Hangstreifen als Flüssigkeitsströme
interpretiert, was auf die Möglichkeit einer gegenwärtig "bewohnbaren" Umgebung
auf dem Roten Planeten hindeuten würde. Eine jetzt vorgestellte Studie, bei der
maschinelles Lernen eingesetzt wurde, um einen riesigen Katalog dieser Streifen
zu erstellen und zu analysieren, deutet jedoch auf eine andere Erklärung hin:
trockene Prozesse im Zusammenhang mit Wind- und Staubaktivitäten.
"Ein Schwerpunkt unserer Forschung ist das Verständnis der
Oberflächenprozesse die heute auf dem Mars ablaufen – einschließlich der
Möglichkeit von flüssigem Wasser auf seiner Oberfläche", sagt Dr. Valentin
Bickel, Planetenforscher am Center for Space and Habitability (CSH) an
der Universität Bern, der die Studie zusammen mit Dr. Adomas Valantinas verfasst
hat, der bis April 2023 Postdoktorand in der Abteilung für Weltraumforschung und
Planetologie (WP) am Physikalischen Institut der Universität Bern war und jetzt
an der Brown University forscht. "Unsere Studie hat verschiedenste
Merkmale der Hangstreifen untersucht, aber keine Hinweise auf Wasser gefunden.
Unser Modell spricht für trockene Entstehungsprozesse."
Forschende sahen die seltsamen Streifen erstmals auf Bildern, die von der
Viking-Mission der NASA in den 1970er Jahren zurückkamen. Diese Strukturen sind
in der Regel dunkler als das umliegende Gelände und erstrecken sich über
Hunderte von Metern in abschüssigem Gelände. Einige bleiben über Jahre oder
Jahrzehnte bestehen, während andere schneller kommen und gehen. Die Streifen,
die schneller auftauchen und wieder verschwinden (sogenannte "Recurring Slope
Lineae", kurz RSL) scheinen während der wärmsten Perioden des Marsjahres an
denselben Stellen immer wieder aufzutauchen.
Der Ursprung der Streifen ist ein intensiv diskutiertes Thema unter
Planetenforschenden. Der moderne Mars ist bemerkenswert trocken, und die
Temperaturen steigen selten über den Gefrierpunkt. Dennoch ist es möglich, dass
sich kleine Mengen Wasser – vielleicht aus unterirdischem Eis, unterirdischen
Wasserspeichern oder ungewöhnlich feuchter Luft – mit genügend Salz vermischen,
um selbst auf der gefrorenen Marsoberfläche eine flüssige Phase zu erzeugen.
Wenn das stimmt, könnten RSLs und Hangstreifen seltene, bewohnbare Nischen auf
einer Wüstenwelt markieren. Andere Forschenden sind davon nicht überzeugt. Sie
behaupten, dass die Streifen ausschließlich durch trockene Prozesse wie
Steinschlag oder Windböen ausgelöst werden und nur auf Satellitenbildern flüssig
erscheinen.
In der Hoffnung auf neue Erkenntnisse wendeten Bickel und Valantinas
maschinelles Lernen an, um so viele Hangstreifen wie möglich zu katalogisieren.
Nachdem sie ihren Algorithmus anhand von bestätigten Streifen-Sichtungen
trainiert hatten, nutzten sie ihn, um mehr als 86.000 hochauflösende
Satellitenbilder zu scannen. Das Ergebnis war die erste globale Karte von
Hangstreifen auf dem Mars, mit mehr als 500.000 individuellen Streifen. "Sobald
wir diese globale Karte hatten, konnten wir sie mit Datenbanken und Katalogen zu
anderen Faktoren wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Steinschlagaktivität und
Staubteufelaktivität vergleichen", erklärt Bickel. "Dann konnten wir in
Hunderttausenden von Fällen nach Korrelationen suchen, um die Bedingungen besser
zu verstehen, unter denen sich die Streifen bilden."
Diese globale, geostatistische Analyse zeigte, dass Hangstreifen und RSLs im
Allgemeinen nicht mit Faktoren verbunden sind, die auf einen flüssigen oder
frostigen Ursprung hindeuten, wie z. B. eine bestimmte Hangausrichtung, hohe
Oberflächentemperaturschwankungen oder hohe atmosphärische Feuchtigkeit.
Stattdessen ergab die Studie, dass sich beide Merkmale eher an Orten mit
überdurchschnittlicher Windgeschwindigkeit und Staubablagerung bilden –
Faktoren, die auf einen trockenen Ursprung der Streifen hindeuten.
Bickel und Valantinas kommen zu dem Schluss, dass sich die Streifen
höchstwahrscheinlich bilden, wenn Schichten von feinem Staub plötzlich von
steilen Hängen abrutschen. Die spezifischen Auslöser können variieren.
Hangstreifen treten häufiger in der Nähe von jüngeren Einschlagskratern auf, wo
Stoßwellen möglicherweise Oberflächenstaub lockern und lostreten. RSLs werden
dagegen häufiger an Orten gefunden, an denen sogenannte Staubteufel oder
Felsstürze häufig sind.
Insgesamt lassen die Ergebnisse neue Zweifel an der Eignung von Hangstreifen
und RSLs als Hinweis auf potenziell lebensfreundliche Umgebungen auf dem Mars
aufkommen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Erforschung des
Mars. Auch wenn potenziell lebensfreundliche Umgebungen nach guten
Forschungszielen klingen, bleiben die NASA und ESA lieber auf Abstand zu solchen
Umgebungen. Alle irdischen Mikroben, die auf einer Raumsonde mitgeflogen sind,
könnten potenziell lebensfreundliche Marsumgebungen kontaminieren und so die
Suche nach Leben auf dem Mars erschweren. Die aktuelle Studie deutet allerdings
darauf hin, dass das Kontaminationsrisiko an den Gebieten mit Hangstreifen kein
großes Problem darstellt. "Das ist der Vorteil dieses Big-Data-Ansatzes", sagt
Valantinas. "Er hilft uns, einige Hypothesen aus dem Orbit auszuschließen, bevor
wir Raumfahrzeuge und Rover zur Erkundung schicken."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde.
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