Anzeige
 Home  |  Nachrichten  | Frag astronews.com  | Bild des Tages  |  Kalender  | Glossar  |  Links  | Forum  | Über uns    
astronews.com  
Nachrichten

astronews.com
astronews.com

Der deutschsprachige Onlinedienst für Astronomie, Astrophysik und Raumfahrt

Home  : Nachrichten : Forschung : Artikel [ Druckansicht ]

 
STERNE
Ein Superflare pro Jahrhundert bei sonnenähnlichen Sternen
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung
astronews.com
17. Dezember 2024

Auf Sternen, die der Sonne ähneln, kommt es im Durchschnitt pro Stern etwa einmal alle hundert Jahre zu einem gigantischen Strahlungsausbruch. Diese Einschätzung beruht auf einer Bestandsaufnahme von 56.450 sonnenähnlichen Sternen. Die Häufigkeit ist damit deutlich höher als bislang angenommen. Auch die Sonne dürfte zu ähnlich heftigen Ausbrüchen fähig sein.

Superflare

Sonnenähnliche Sterne erzeugen etwa einmal alle hundert Jahre einen Superflare, einen gewaltigen Strahlungsausbruch. Bild: MPS / Alexey Chizhik  [Großansicht]

Dass die Sonne ein temperamentvoller Stern ist, steht außer Frage. Davon zeugen allein die ungewohnt starken Sonnenstürme des vergangenen Jahres, die sich durch eindrucksvolle Polarlichter selbst in niedrigen Breiten bemerkbar gemacht haben. Doch kann unser Stern auch zur wahren Furie werden? Belege für heftigste solare "Wutanfälle" finden sich in vorzeitlichen Baumstämmen und in Proben jahrtausendealten Gletschereises. Die Häufigkeit von solchen "Superflares" lässt sich diesen indirekten Quellen jedoch nicht entnehmen. Und direkte Messungen der Strahlungsmenge, welche die Erde von der Sonne erreicht, gibt es erst seit Beginn des Weltraumzeitalters.

Eine weitere Möglichkeit, dem langfristigen Verhalten unseres Sterns auf die Schliche zu kommen, bietet – wie in einer jetzt vorgelegten Studie praktiziert – der Blick in die Sterne. Moderne Weltraumteleskope beobachten abertausende von Sternen und zeichnen ihre Helligkeitsschwankungen auf. Superflares, die innerhalb kurzer Zeit Energiemengen von mehr als Quadrilliarden Joule freisetzen, verraten sich in den Messdaten durch kurze, sehr heftige Helligkeitsspitzen im sichtbaren Licht. "Wir können die Sonne nicht über Tausende von Jahren beobachten", erklärt Prof. Dr. Sami Solanki, Direktor am Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und Koautor der Studie, den Grundgedanken der Untersuchung. "Stattdessen können wir aber das Verhalten Tausender sonnenähnlicher Sterne über kurze Zeiträume überwachen. Das hilft uns einzuschätzen, wie häufig es zu Superflares kommt."

Anzeige

In der aktuellen Studie wertete das Team, zu dem auch Forschende der Universität Graz in Österreich, der Universität von Oulu in Finnland, des Nationalen Astronomischen Observatoriums Japans, der Universität von Colorado Boulder in den USA sowie des Center for Atomic and Alternative Energies Paris Saclay und der Universität von Paris-Cité zählen, die Messdaten von 56.450 sonnenähnlichen Sternen aus, die das NASA-Weltraumteleskop Kepler in der Zeit von 2009 bis 2013 im Visier hatte. "Die Kepler-Daten liefern uns in ihrer Gesamtheit das Zeugnis von 220.000 Jahren stellarer Aktivität", so Prof. Dr. Alexander Shapiro von der Universität Graz. Entscheidend ist dabei die sorgfältige Auswahl der Sterne. Schließlich sollen sie sich durch besonders enge "Verwandtschaftsbeziehungen" zur Sonne auszeichnen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ließen deshalb nur solche Sterne zu, deren Oberflächentemperatur und Helligkeit den Werten der Sonne ähneln. Zudem schlossen die Forschenden zahlreiche Fehlerquellen aus wie etwa kosmische Strahlung, vorbeiziehende Asteroiden oder Kometen sowie nicht-sonnenähnliche Sterne, die auf Aufnahmen des Weltraumteleskops rein zufällig in der Nähe eines sonnenähnlichen Kollegen aufblitzen. Dafür wertete das Team die nur wenige Pixel großen Bilder jedes Verdachts-Superflares sorgfältig aus und ließ nur diejenigen gelten, die sich verlässlich einem der ausgewählten Sterne zuordnen ließen. Auf diese Weise identifizierten die Forschenden 2889 Superflares auf 2527 der 56450 betrachteten Sterne. Demnach schleudert im Durchschnitt ein sonnenähnlicher Stern einen Superflare pro Jahrhundert ins All.

"Dass sonnenähnliche Sterne so häufig zu gigantischen Strahlungsausbrüchen neigen, hat uns sehr überrascht", so Dr. Valeriy Vasilyev vom MPS, Erstautor der neuen Studie. Frühere Bestandsaufahmen anderer Forschungsgruppen hatten Zeitabstände von durchschnittlich tausend oder sogar zehntausend Jahren gefunden. Allerdings konnten frühere Studien nicht die genaue Quelle des beobachteten Helligkeitsblitzes bestimmen und mussten sich deshalb auf Sterne beschränken, die auf den Teleskop-Aufnahmen keine zu nahen Nachbarn haben. Die aktuelle Studie dürfte die bisher präziseste und empfindlichste sein.

Größere durchschnittliche Zeitabstände zwischen solaren Extremereignissen legten bisher auch Untersuchungen nahe, die auf der Erde nach Hinweisen für heftige Sonnenstürme suchen. Trifft ein besonders starker Fluss energetischer Teilchen von der Sonne auf die Erdatmosphäre, entsteht eine messbare Menge radioaktiver Atome wie etwa des radioaktiven Kohlenstoff-Isotops 14C. Diese lagern sich in "natürlichen Archiven" wie etwa in Baumringen und Gletschereis ein. Auch Jahrtausende später lässt sich durch Messungen der 14C-Mengen mit modernen Techniken auf den plötzlichen Einfall hochenergetischer Sonnenteilchen schließen. Auf diese Weise konnten Forschende innerhalb der vergangenen zwölftausend Jahren fünf extreme Teilchenausbrüche der Sonne und drei Kandidaten für solche Ausbrüche identifizieren.

Der heftigste dürfte sich im Jahre 775 unserer Zeitrechnung ereignet haben. Allerdings ist es gut möglich, dass es in der Vergangenheit auf der Sonne zu mehr solcher heftigen Teilchenausbrüchen und auch zu mehr Superflares gekommen ist. "Es ist unklar, ob gigantische Strahlungsausbrüche immer mit Teilchenausbrüchen einhergehen und wie beide Phänomene zusammenhängen. Weitere Forschung ist notwendig", gibt Koautor Prof. Dr. Ilya Usoskin von der Universität im finnischen Oulu zu Bedenken. Der Blick auf die irdischen Zeugnisse vergangener Sonneneruptionen könnte die Häufigkeit von Superflares deshalb unterschätzen.

Wann sich die schlechte Laune der Sonne das nächste Mal besonders heftig entlädt, lässt sich der neuen Studie nicht entnehmen. Doch die Ergebnisse mahnen zur Vorsicht. "Die neuen Zahlen erinnern eindringlich daran, dass auch extremste Sonnenstürme zum natürlichen Repertoire der Sonne gehören", so Koautorin Dr. Natalie Krivova vom MPS. Beim Carrington-Ereignis von 1859, einem der heftigsten Sonnenstürme der vergangenen 200 Jahre, brach in weiten Teilen Nordeuropas und Nordamerikas das Telegrafennetzwerk zusammen. Der dazugehörige Strahlungsausbruch setzte Schätzungen zur Folge nur ein Hundertstel der Energie eines Superflares frei.

Heute wären bei einem solchen Ereignis neben der Infrastruktur auf der Erdoberfläche vor allem Satelliten gefährdet. Als wichtigste Vorbereitung auf starke Sonnenstürme gilt deshalb eine verlässliche und rechtzeitige Vorhersage. Beispielsweise lassen sich Satelliten vorsorglich abschalten. Ab 2031 soll die ESA-Raumsonde Vigil bei solchen Vorhersagen helfen. Von ihrer Beobachtungsposition im All schaut sie von der Seite auf die Sonne und bemerkt so eher als erdnahe Sonden, wenn sich auf unserem Stern Prozesse zusammenbrauen, die gefährliches Weltraumwetter auslösen können. Das MPS entwickelt derzeit das Instrument Polarimetric and Magnetic Imager für die Mission.

Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Science erschienen ist.

Forum
Ein Superflare pro Jahrhundert bei sonnenähnlichen Sternen. Diskutieren Sie mit anderen Lesern im astronews.com Forum.
siehe auch
Sonne: Ein ungewöhnlich ruhiger Stern seiner Klasse? - 4. Mai 2020
Chandra & XMM: Ältere Sterne beruhigen sich schnell - 8. September 2017
Links im WWW

Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
In sozialen Netzwerken empfehlen
 
 
Anzeige
astronews.com 
Nachrichten Forschung | Raumfahrt | Sonnensystem | Teleskope | Amateurastronomie
Übersicht | Alle Schlagzeilen des Monats | Missionen | Archiv
Weitere Angebote Frag astronews.com | Forum | Bild des Tages | Newsletter
Kalender Sternenhimmel | Startrampe | Fernsehsendungen | Veranstaltungen
Nachschlagen AstroGlossar | AstroLinks
Info RSS-Feeds | Soziale Netzwerke | astronews.com ist mir was wert | Werbung | Kontakt | Suche
Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Cookie-Einstellungen
     ^ Copyright Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999-2023. Alle Rechte vorbehalten.  W3C
Diese Website wird auf einem Server in der EU gehostet.

© astronews.com / Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999 - 2020
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung.


URL dieser Seite: https://www.astronews.com:443/news/artikel/2024/12