Konzeptstudie für neues ESO-Teleskop zur Spektroskopie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
27. November 2024
In diesem Monat wurde ein Vertrag zur Finanzierung der
Konzeptstudie für ein neues Teleskop, das Wide Field Spectroscopic Telescope,
unterzeichnet, das ab 2040 in Chile in Betrieb gehen könnte. Es wäre, nach dem
aktuell in Bau befindlichen European Large Telesope, das nächste
Großprojekt der europäischen Südsternwarte ESO in dem südamerikanischen Land.
Entwurf des Wide Field Spectroscopic
Telescopes.
Bild:
G. Gausachs / WST [Großansicht] |
Das innovative Wide Field Spectroscopic Telescope (WST)-Projekt
zielt darauf ab, ein Teleskop zu bauen, das spektroskopische Durchmusterungen
über ein großes Himmelsfeld ermöglichen wird und diverse astronomische Objekte
beobachten kann – von fernen Galaxien bis hin zu Asteroiden und Kometen in
unserem Sonnensystem. Das Projekt wurde als Teil des Horizon-Europe-
Rahmenprogramms der Europäischen Union im Rahmen einer Ausschreibung für
Forschungsinfrastrukturen ausgewählt. Das internationale Konsortium, welches die
Förderung von drei Millionen Euro in den kommenden drei Jahren erhält, plant das
WST als nächste große Beobachtungsinfrastruktur der europäischen Südsternwarte
(ESO) nach der Fertigstellung des Extremely Large Telescope (ELT), das
derzeit gebaut wird. Das Konsortium umfasst 19 Forschungseinrichtungen aus ganz
Europa und Australien, einschließlich dem Leibniz-Institut für Astrophysik
Potsdam (AIP), mit einem wissenschaftlichen Team von über sechshundert
Mitgliedern aus 32 Ländern auf allen fünf Kontinenten. Das Projekt wird von
Roland Bacon vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS,
Frankreich) und Sofia Randich vom Istituto Nazionale di Astrofisica
(INAF, Italien) geleitet, unterstützt von einem Projektbüro und einem
Steuerungsausschuss mit Mitgliedern der beteiligten Institute.
Das WST soll eine kritische Lücke schließen: ein Großteleskop, welches
ausschließlich für die spektroskopische Beobachtung von Himmelsobjekten bestimmt
ist. Der Bedarf an einer solchen Beobachtungsinfrastruktur wird in zahlreichen
strategischen internationalen Forschungsplänen, die die wichtigsten Prioritäten
für die astrophysikalische Forschung im kommenden Jahrzehnt umreißen,
ausdrücklich genannt, so auch in der European Astronet Roadmap 2023.
Trotz des Baus von bodengestützten Teleskopen mit 30- bis 40-Meter-Spiegeln gibt
es keine bestehenden oder geplanten Einrichtungen mit den einzigartigen
Eigenschaften des WST, nämlich einem Hauptspiegel mit zwölf Metern Durchmesser,
dem gleichzeitigen Betrieb eines Multi-Objekt-Spektrographen (MOS), der ein
großes Gesichtsfeld (drei Quadratgrad, etwa die Fläche von zwölf Vollmonden) mit
hohen Multiplex-Fähigkeiten (20.000 Objekte pro Aufnahme) abdecken kann, sowie
einem Panorama-Integralfeld-Spektrographen (IFS), der eine scheinbare
Himmelsfläche von neun Quadratbogenminuten lückenlos erfasst.
"Diese Spezifikationen sind sehr ehrgeizig und stellen das WST-Projekt über
die bestehenden und geplanten bodengestützten Beobachtungsinfrastrukturen. In
nur fünf Jahren könnten mit dem MOS Spektren von 250 Millionen Galaxien und 25
Millionen Sternen mit niedriger spektraler Auflösung sowie von über zwei
Millionen Sternen mit hoher Auflösung erfasst werden, während das IFS vier
Milliarden Spektren liefern würde, die es den Forschenden ermöglichen würden,
diese Quellen vollständig zu charakterisieren. Um diese Zahlen ins rechte Licht
zu rücken: Es würde 43 Jahre dauern, vier Milliarden Spektren mit dem IFS am
existierenden VLT-Teleskop der ESO zu erhalten, oder 375 Jahre mit dem kommenden
4MOST-Instrument, um 250 Millionen Galaxien in derselben Tiefe zu beobachten",
sagt Bacon.
Matthias Steinmetz, wissenschaftlicher Vorstand des AIP und Mitglied im
Steuerungsausschuss des WST, ergänzt: "Das WST wird die mit RAVE, MUSE und 4MOST
am AIP begonnenen Arbeiten im Bereich umfassender spektroskopischer
Himmelsdurchmusterungen sowohl technisch als auch in der astrophysikalischen
Anwendung auf die nächste Ebene heben. Es wird uns ermöglichen, einen weitaus
systematischeren und tieferen Blick in den Kosmos zu werfen." Sofia Randich
erklärt: "Das spektroskopische Weitfeldteleskop wird bahnbrechende,
transformative Wissenschaft hervorbringen und es den Forschenden ermöglichen,
wichtige wissenschaftliche Fragen in Bereichen wie der Kosmologie, der
Entstehung, Entwicklung und chemischen Anreicherung von Galaxien (einschließlich
der Milchstraße), dem Ursprung von Sternen und Planeten, der Physik variabler
Ereignisse und der Multi-Messenger-Astrophysik zu beantworten."
Die von Horizon Europe finanzierte Konzeptstudie wird sich mit allen
relevanten Aspekten des Projekts befassen: der Konstruktion des Teleskops und
der Instrumente, der Auswahl eines geeigneten Standorts in Chile, sowie der
Weiterentwicklung wissenschaftlicher Fragestellungen. Roelof de Jong, der
designierte Projektwissenschaftler für das WST erklärt: "Das AIP liefert
aufgrund seiner Erfahrungen wichtige Beiträge zu der Instrumentierung, für die
Ausarbeitung eines Beobachtungsplans sowie eines Betriebsmodells und für eine
innovative Datenreduktion und -analyse, mit dem Ziel, den wissenschaftlichen
Ertrag zu maximieren."
Die Studie wird der ökologischen Nachhaltigkeit besondere Aufmerksamkeit
widmen. Die Umweltauswirkungen werden eines der Kriterien sein, die die
technologischen Entscheidungen und Abwägungen leiten, und es werden Lösungen
entwickelt, um die wichtigsten Quellen von Kohlenstoffdioxidemissionen zu
verringern. Die voraussichtlichen Umweltauswirkungen sowohl für die Bau- als
auch für die Betriebsphase von WST werden am Ende der Studie detailliert
dokumentiert. Gegen Ende der Konzeptstudie wird die ESO ein Auswahlverfahren
starten, um die innovativsten und wissenschaftlich vielversprechendsten Projekte
zu bewerten. Im Falle einer Genehmigung würde das WST die nächste Großanlage der
ESO werden, die in den 2040er Jahren bahnbrechende astrophysikalische Fragen
beantworten könnte.
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