Wie das Magnetfeld Singvögeln hilft
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Oldenburg astronews.com
28. Januar 2022
Das Magnetfeld der Erde schützt die Oberfläche vor
schädlicher Strahlung aus dem All und dürfte das Leben in der uns bekannten Form
erst möglich gemacht haben. Außerdem dient es der Navigation: Es hilft nicht nur
der Schifffahrt, sich auf hoher See zu orientieren, sondern offenbar auch
Singvögeln dabei, ihre Brutplätze nach langer Reise wiederzufinden.
Das Erdmagnetfeld ist für Teichrohrsänger
wie ein Koordinatensystem. Sie orientieren sich
vermutlich an der Inklination, der Neigung der
Feldlinien zur Waagerechten.
Bild: Thomas Miller [Großansicht] |
Dass wenige Gramm schwere Singvögel nach einem Flug über zwei Kontinente zu
ihrem Brutplatz vom Vorjahr zurückfinden, erscheint selbst Fachleuten wie ein
kleines Wunder. Eine neue Studie liefert nun Hinweise darauf, wie den Vögeln
dies gelingt: Magnetische Signale zeigen ihnen, wo sie ihre Wanderung beenden
müssen, so das Team unter Leitung von Forschenden der Universität im englischen
Oxford und mit Beteiligung der Universität Oldenburg. Die Untersuchung basiert
auf Beringungsdaten, die über fast 80 Jahre in ganz Europa gesammelt wurden.
Wie Vögel das Magnetfeld der Erde wahrnehmen, ist derzeit Gegenstand
intensiver Forschung. Einer Theorie zufolge, die Forschende aus Oldenburg und
Oxford gemeinsam untersuchen, registrieren Vögel Magnetfeldlinien mithilfe
bestimmter chemischer Moleküle im Auge. Das Team vermutet, dass die Vögel diese
Fähigkeit nutzen, um ihre Flugrichtung und vielleicht Hinweise auf ihren
Aufenthaltsort zu bestimmen.
"Untersuchungen machen zwar immer deutlicher, dass der Vogelzug einem festen
Programm folgt, das Vögel von ihren Eltern erben. Aber wie sie Jahr für Jahr mit
hoher Präzision an denselben Ort zurückkehren, ist nach wie vor ein Rätsel",
sagt Dr. Joe Wynn vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven. Er hatte
zuvor an der University of Oxford geforscht und die Idee zu der Studie während
eines Aufenthalts als Gastwissenschaftler in der Arbeitsgruppe des Biologen
Prof. Dr. Henrik Mouritsen an der Universität Oldenburg entwickelt. "Es ist
daher sehr aufregend, Hinweise darauf zu finden, dass Singvögel magnetische
Signale nutzen, um ihr Zuhause wiederzufinden", ergänzt Wynn.
Das Team analysierte Beringungsdaten von fast 18.000 Teichrohrsängern, die
aus der Zeit zwischen 1940 und 2018 stammen. Teichrohrsänger sind winzige
Singvögel, die jedes Jahr die Sahara überqueren und den Sommer in Europa
verbringen. Sie zählen zu den Arten, die seit fast hundert Jahren mit kleinen
Metallfußringen individuell markiert werden. Sowohl die Beringungsorte als auch
die Fundorte werden für ganz Europa zentral erfasst. "Diese Daten sind ein
fantastisches Mittel, um Fragen zum Vogelzug zu beantworten, weil sie über so
viele Jahre hinweg in einem sehr großen Gebiet gesammelt wurden", sagt Wynn.
Das Team analysierte die Beringungsdaten der Teichrohrsänger mit
statistischen Methoden. Die Verteilung der gefundenen Ringe deutete darauf hin,
dass die Vögel ein Ziel anpeilen, das nicht ortsfest ist: Die Forschenden fanden
einen sehr genauen Zusammenhang zwischen den Fundorten und der der langsamen
Drift des Erdmagnetfeldes, dessen Feldlinien sich durch Bewegungen des flüssigen
Eisens im Erdkern von Jahr zu Jahr um wenige Kilometer in verschiedene
Richtungen verlagern können.
Wie Wynn und seine Kolleginnen und Kollegen schreiben, scheinen die Vögel
eine bestimmte magnetische Koordinate wie ein Stoppschild zu nutzen: Sobald die
magnetische Inklination – der Neigungswinkel zwischen Feldlinien und
Erdoberfläche – einen bestimmten Wert erreicht, hören sie auf zu wandern. Andere
Komponenten des Erdmagnetfeldes, etwa die Feldstärke oder die Abweichung
zwischen magnetischer und geografischer Nordrichtung, spielen demnach keine
Rolle.
"An einem Ort ändert sich das Magnetfeld von Jahr zu Jahr nicht besonders
stark. Daher erscheint es sinnvoll, dass die Vögel einen bestimmten
Magnetfeldwert als Zielpunkt ihrer Reise wählen", erklärt Wynn. Die Inklination
bietet den Vögeln nach Meinung des Teams die besten Chancen, zum Brutplatz
zurückzukehren, weil sie der stabilste Bestandteil des Erdmagnetfeldes ist.
"Die Fähigkeit von Vögeln, die weniger als ein Teelöffel wiegen, ihren
Brutplatz nach einer Reise um die halbe Welt genau zu lokalisieren, ist
vielleicht einer der erstaunlichsten Aspekte des Vogelzugs", sagt Mouritsen, der
an Ideenentwicklung und Datenanalyse der Studie beteiligt war. Es sei äußerst
spannend, dieses Phänomen mithilfe von Daten zu untersuchen, die vor allem von
Hobby-Vogelbeobachtern gesammelt wurden.
Das Team hofft, dass diese Form der Bürgerwissenschaft noch mehr Menschen
dazu inspiriert, Vögel zu beobachten und sich für die Wissenschaft zu
begeistern. Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Science.
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