Neue Hinweise in der Tiefsee auf nahe Supernovae
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
14. Mai 2021
Durch eine gründliche Untersuchung von Tiefsee-Krustenmaterial hat ein
Forschungsteam nun neue Hinweise auf Supernova-Explosionen in relativer Nähe zur
Erde entdeckt, die sich innerhalb der vergangenen zehn Millionen Jahre ereignet
haben müssen. Sie konnten zudem auch ein Plutonium-Isotop nachweisen, dessen
Ursprung noch Rätsel aufgibt.

Künstlerische Darstellung der Staubbildung
in der Umgebung einer Supernova-Explosion. Bild: ESO/M.
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Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Anton Wallner vom
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf hat neue Beweise für eine Serie von
Supernova-Ereignissen gefunden, die in den letzten zehn Millionen Jahren in
relativer Nähe zur Erde stattgefunden haben. Anstatt den Himmel nach Spuren
dieser Sternexplosionen zu scannen, haben sie am Meeresboden gesucht – und
wurden fündig. Sie fahndeten dabei nach zwei verschiedenen Isotopen, die beide
nicht natürlich auf der Erde vorkommen und die ihren Ursprung im explosiven Ende
massereicher Sterne haben.
Das Team aus Australien, Israel, Japan, der Schweiz und Deutschland hatte
zunächst zehn Millionen Jahre altes Tiefsee-Krustenmaterial aus dem Pazifik auf
Eisen-60 untersucht. Das radioaktive Isotop ist ein guter Indikator für nahe
Supernova-Ereignisse, also gewaltige Explosionen von Sternen, die sich ereignen,
wenn ihnen der Brennstoff zur Neige geht und sie anschließend kollabieren. Dabei
werden schwerere chemische Elemente wie Silber und Platin gebildet und in die
kosmische Nachbarschaft geschleudert.
"Während diese Sternenreste durch den interstellaren Raum wandern, gehen
davon auch kleine Mengen auf die Erde nieder und reichern sich im Meeresboden
an, darunter auch Eisen-60", erklärt Wallner, der die Forschungsarbeiten an der
HIAF-Anlage (Heavy Ion Accelerator Facility) der Australian National
University (ANU) in Canberra geleitet hat. "Der Anteil des Eisen-60 aus dem
Weltraum in der Kruste ist nur ein Millionstel eines Milliardstels der Menge des
normalen Eisens, das auf der Erde natürlich vorkommt."
Um die winzigen Mengen an interstellaren Eisen-60-Atomen zu identifizieren,
setzten Wallner und sein Team auf extrem empfindliche Nachweismethoden. Dazu
haben die Forschenden die Eisen-60-Spuren nach der chemischen Aufarbeitung der
ozeanischen Bodenprobe von anderen, irdischen Isotopen getrennt, und zwar mit
dem Schwerionenbeschleuniger der ANU, der weltweit einzigen Anlage, die
empfindlich genug für diese Art Forschung ist. Das Alter der einzelnen Schichten
der Probe vom Meeresgrund ermittelten sie unabhängig davon über ein anderes
radioaktives Isotop, mit Beryllium-10, das auch in den Proben zu finden ist.
Die kombinierte Datierung ergab zudem, dass sich der Eisen-60-Eintrag
eindeutig in zwei Schüben ereignet hatte, einmal in der Spanne vor vier bis
einer Million Jahren, ein weiteres Mal vor etwa sieben Millionen Jahren.
"Eisen-60 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren und ist nach
etwa zehn Millionen Jahren praktisch nicht mehr nachweisbar. Daher wissen wir,
dass unsere Eisen-60-Probe innerhalb dieses Zeitfensters entstanden sein muss",
resümiert Wallner.
Die Geschichte ist an dieser Stelle aber noch nicht zu Ende: Denn
überraschenderweise entdeckte das Forschungsteam auch Spuren von Plutonium-244,
von dem die Fachwelt annimmt, dass es bei Supernova-Explosionen oder bei der
Verschmelzung von Neutronensternen entsteht. "Wir waren begeistert,
interstellares Plutonium in unserem Probenmaterial zu entdecken. Es ist das
erste Mal, dass Spuren seines Vorhandenseins in geologischen Archiven der Erde –
wie etwa unserem Krustenmaterial – so deutlich gefunden wurden", freut sich
Wallner.
Ähnlich wie Eisen-60 kommt auch Plutonium-244 nicht natürlich auf der Erde
vor. Doch mit einer Halbwertszeit von 81 Millionen Jahren zerfällt es viel
langsamer als Eisen-60. In einer ausgeklügelten chemischen Probenaufbereitung
konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler winzige Spuren von
interstellarem Plutonium-244 abtrennen und mit dem VEGA-Beschleuniger der
Australian Nuclear Science and Technology Organisation (ANSTO) in Sydney
nachweisen. Dieser Erfolg wurde erst durch jüngste technische Verbesserungen des
Verfahrens möglich, denn die nachgewiesenen Konzentrationen des Plutonium-244
waren nochmal 10.000-mal niedriger als die des schon extrem seltenen Eisen-60.
Mit dem Auffinden einer anderen Form von Plutonium hatten die Forschenden
hingegen schon gerechnet. Bei der Analyse des Krustenmaterials stieß das Team
gleich in den obersten, jüngsten Schichten auf menschengemachtes Plutonium, das
dort ebenfalls eingebaut wurde: ein Zeitzeuge des Kalten Kriegs, als
Atomwaffentests für eine globale Verteilung von Plutonium sorgten.
Im Mittel erlebt unsere Galaxie alle hundert Jahre ein bis zwei
Supernova-Explosionen. Deshalb hatten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler höhere Mengen an Plutonium-244 in der Probe vom Pazifikboden
erwartet – wenn das Element bei solchen Ereignissen entsteht. "Es deutet sehr
viel darauf hin, dass dieses Plutonium-244 von den gleichen
Supernova-Explosionen wie Eisen-60 stammt. Es könnte jedoch auch von einem viel
älteren, aber noch spektakuläreren Ereignis wie etwa einer
Neutronenstern-Verschmelzung übrig geblieben sein", spekuliert Wallner.
Die erste Variante stünde im Widerspruch zu neueren Arbeiten, die nahelegen,
dass Plutonium ausschließlich bei solch seltenen Ereignissen entsteht, die mit
der Detonation der ineinander stürzenden Neutronensterne enden. Doch um diese
Spekulationen aufzuklären, sind weitere Daten erforderlich. Das gilt ebenso für
eine Untermauerung von Vorstellungen, die Supernova-Einflüsse auf das Klima und
die Evolution der Erde für denkbar halten.
Das Team hofft nun, eine deutlich größere Probe des Krustenmaterials
untersuchen zu können, um Einblicke in eine noch weiter zurückliegende Zeit zu
bekommen – bis ins späte Oligozän, vor rund 25 Millionen Jahren. Dabei soll die
Suche auf andere interstellar gebildete Isotope ausgedehnt werden. So wollen die
Forschenden mehr über die Ursprünge der schweren Elemente des Periodensystems
erfahren.
Über ihre Untersuchungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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