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PLANCK
Möglicher Hinweis auf neue Physik
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik
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30. November 2020

Mithilfe des vom Satelliten Planck aufgenommenen kosmischen Mikrowellenhintergrunds könnten Forschende jetzt einen Hinweis auf eine neue Physik entdeckt haben: Sie wiesen in den Daten eine Verletzung der sogenannten Paritätssymmetrie durch Dunkle Materie und Dunkle Energie nach. Um sicher zu sein, müssen die Messungen allerdings noch genauer werden.

CMB

Ausschnitt des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (CMB), der vor 13,8 Milliarden Jahren emittiert wurde (links) und schließlich auf der Erde beobachtet wird (rechts).  Bild: Y. Minami / KEK [Großansicht]

In der Kosmologie geht man davon aus, dass sich die physikalischen Gesetze, die im Universum herrschen, bei einer Spiegelung nicht ändern: Die Gesetze des Elektromagnetismus beispielsweise bleiben unverändert, egal ob im ursprünglichen System betrachtet oder in einem System, in dem alle räumlichen Koordinaten gespiegelt wurden. Ist diese Symmetrie, auch "Parität" genannt, verletzt, könnte es uns viel über die Beschaffenheit der geheimnisvollen Dunklen Materie und Dunklen Energie verraten, die 25 bzw. 70 Prozent des Energiegehalts des heutigen Universums ausmachen.

Obwohl beide Bestandteile "dunkel", also nicht direkt sichtbar sind, haben sie eine messbare und  gegenteilige Wirkung auf die Entwicklung des Universums: Dunkle Materie wirkt anziehend, wohingegen Dunkle Energie zu einer immer schnelleren Ausdehnung des Universums führt. Nun berichtet eine neue Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Institute of Particle and Nuclear Studies (IPNS) der japanischen KEK-Forschungsorganisation, des Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe (Kavli IPMU) der Universität Tokio und des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) über einen Hinweis auf neue Physik, die die Parität verletzt — mit einem Konfidenzniveau von 99,2 Prozent.

Den Hinweis auf eine Verletzung der Paritätssymmetrie fanden die Wissenschaftler im kosmischen Mikrowellenhintergrund, einem Licht, das kurz nach dem Urknall ausgesandt wurde. Der Schlüssel liegt dabei in der sogenannten Polarisation. Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, die in verschiedene Richtungen oszillieren. Haben alle Wellen dieselbe Schwingrichtung, spricht man von polarisiertem Licht. Solche Polarisation entsteht, wenn Licht gestreut wird. Sonnenlicht beispielsweise besteht aus Wellen mit allen möglichen Polarisationsrichtungen und ist somit unpolarisiert, wohingegen das Licht eines Regenbogens polarisiert ist, da hierbei Sonnenlicht an Wassertropfen in der Atmosphäre gestreut wird.

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Ganz ähnlich wurde das Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds polarisiert als es 400.000 Jahre nach dem Urknall an Elektronen streute. Wenn dieses Licht, das seit 13,8 Milliarden Jahren durch das Universum unterwegs ist, nun mit Dunkler Materie oder Dunkler Energie interagiert, könnte das zu einer Drehung der Polarisationsebene um einen Winkel β führen. "Wenn Dunkle Materie oder Dunkle Energie mit dem Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds auf eine Art interagiert, die die Paritätssymmetrie verletzt, dann können wir diese Signatur in den Polarisationsdaten finden", betont Yuto Manami, Wissenschaftler am IPNS.

Um den Rotationswinkel β zu messen, benötigten die Wissenschaftler einen polarisationssensitiven Detektor, wie den an Bord des Planck-Satelliten der Europäischen Weltraumagentur ESA. Zusätzlich mussten sie genau bestimmen, wie dieser Detektor relativ zum Himmel orientiert ist. Ist diese Information nicht mit ausreichender Genauigkeit bekannt, würde die gemessene Polarisationsebene künstlich rotiert erscheinen und damit ein falsches Signal generieren.

Ungenaue Kenntnis dieses vom Detektor selbst erzeugten künstlichen Rotationswinkels schränkte deshalb frühere Messungen des Polarisationswinkels β stark ein. "Wir haben eine neue Methode entwickelt, um diese künstliche Rotation zu bestimmen, indem wir polarisiertes Licht vom Staub aus unserer Milchstraße nutzen", erklärt Minami. "Mit dieser Methode konnten wir eine Messgenauigkeit erzielen, die doppelt so gut ist wie bei früheren Arbeiten, und waren endlich in der Lage β zu messen."

Die Strecke, die das vom Staub emittierte Licht in der Milchstraße zurücklegt, ist viel kürzer als die des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Die Strahlung des Staubs wird deshalb nicht von Dunkler Materie oder Dunkler Energie beeinflusst, sondern nur das Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds wird um den Winkel β gedreht, wohingegen beide der künstlichen Rotation ausgesetzt sind. Aus der Differenz zwischen den gemessenen Polarisationswinkeln von beiden Quellen kann β bestimmt werden.

Das Team benutzte diese Methode um β mit den Polarisationsdaten des Planck-Satelliten zu messen. Sie fanden damit einen Hinweis auf die Verletzung der Paritätssymmetrie mit einem Konfidenzniveau von 99,2 Prozent. Von der Entdeckung neuer Physik spricht man allerdings erst ab einem viel höheren Konfidenzniveau, nämlich 99,99995 Prozent.

Eiichiro Komatsu, Direktor am MPA und leitender Wissenschaftler beim Kavli IPMU und beim Exzellenzcluster ORIGINS, macht deutlich: "Es ist klar, dass wir noch keinen endgültigen Nachweis für neue Physik gefunden haben; wir brauchen eine höhere statistische Signifikanz, um das Signal zu bestätigen. Aber es ist toll, dass wir mit unserer neuen Methode diese 'unmögliche' Messung durchführen konnten, die tatsächlich auf neue Physik hinweist."

Um die Messung zu bestätigen, kann die neue Methode auf Daten von weiteren existierenden — und zukünftigen — Experimenten angewendet werden, die die Polarisation des kosmischen Mikrowellenhintergrunds messen, wie das Simons Array und LiteBIRD, an denen sowohl KEK als auch Kavli IPMU beteiligt sind. Die Ergebnisse der Studie wurde im Journal Physical Review Letters veröffentlicht.

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siehe auch
Hubble-Konstante: Diskrepanz der Messwerte bestätigt - 8. Januar 2020
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
Max-Planck-Institut für Astrophysik
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