Diskrepanz der Messwerte bestätigt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
8. Januar 2020
Die Frage nach dem Wert der Hubble-Konstanten schien schon
geklärt zu sein, bis der ESA-Satellit Planck aus der kosmischen
Hintergrundstrahlung einen deutlich niedrigeren Wert bestimmte, als mit lokalen
Verfahren gemessen wurde. Eine jetzt vorgestellte Analyse neuer Beobachtungen
bestätigt nun diese Diskrepanz. Könnte sie ein Hinweis auf eine neue Physik
sein?
Jede dieser Momentaufnahmen des
Hubble-Weltraumteleskops zeigt vier verzerrte
Bilder eines Hintergrund-Quasars, die den
zentralen Kern einer massereichen Galaxie im
Vordergrund umgeben.
Bild: NASA, ESA, S.H. Suyu, und K.C. Wong [Großansicht] |
Die Kenntnis des genauen Wertes der Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums
ist wichtig für die Bestimmung von Alter, Größe und Schicksal des Kosmos. Dieses
Rätsel zu entschlüsseln, ist derzeit eine der größten Herausforderungen der
Astrophysik. Der jetzt veröffentliche, neueste Wert für die Hubble-Konstante
stellt die bisher präziseste Messung mithilfe des Gravitationslinseneffekts dar,
bei dem eine Vordergrundgalaxie durch ihre Schwerkraft wie eine riesige
Vergrößerungslinse wirkt und das Licht von Hintergrundobjekten verstärkt und
verzerrt.
Das Team von Astronomen, das die neue Messung der Hubble-Konstante
durchgeführt hat, nennt sich H0LiCOW (H0 Lenses in COSMOGRAIL's Wellspring).
COSMOGRAIL ist die Abkürzung für Cosmological Monitoring of Gravitational Lenses,
ein großes internationales Projekt, dessen Ziel die regelmäßige Beobachtung von
Gravitationslinsen ist. "Wellspring" bezieht sich auf das reichliche Angebot an
Quasar-Linsen-Systemen. Für seine jüngsten Messungen nutzte das Team neue Daten
des Weltraumteleskops Hubble sowie des 2,2-Meter-Teleskops der ESO/MPG
und dem Very Large Telescope der ESO in Chile, Weitfeldaufnahmen des
Dark Energy Survey und hochauflösende Aufnahmen mit der adaptiven Optik
des Keck-Observatoriums.
Die H0LiCOW Ergebnisse und andere neuere Messungen deuten auf eine schnellere
Expansion im lokalen Universum hin, als aufgrund der Beobachtungen des
Satelliten Planck der ESA erwartet wurde, die unseren Kosmos vor mehr als 13
Milliarden Jahren zeigen. Die Kluft zwischen den beiden Werten hat wichtige
Auswirkungen auf das Verständnis der physikalischen Parameter, die unserem
Universum zugrunde liegen. Neue physikalische Erkenntnisse sind möglicherweise
erforderlich, um die Diskrepanz zu erklären.
"Wenn diese Ergebnisse nicht übereinstimmen, könnte das ein Hinweis darauf
sein, dass wir noch nicht vollständig verstehen, wie sich Materie und Energie im
Laufe der Zeit entwickelt haben, besonders in frühen Zeiten", sagt
H0LiCOW-Teamleiterin Sherry Suyu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA)
in Deutschland, der Technischen Universität München und dem Academia Sinica
Institute of Astronomy and Astrophysics in Taipeh in Taiwan.
Die Forscher errechneten einen Wert für die Hubble-Konstante von 73
Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec (mit 2,4% Unsicherheit). Die Messung des
Teams liegt nahe an dem Wert von 74, den das SH0ES-Team (Supernova H0 for the
Equation of State) berechnet hat. Das SH0ES-Ergebnis basiert auf der Messung der
Entfernungen zu erdnahen und erdfernen Galaxien, wobei zuerst variable Sterne,
die Cepheiden, und bei größeren Distanzen Supernovae als Messlatten zu den
Galaxien verwendet werden. Die neue H0LiCOW-Studie kommt nun unabhängig von
dieser traditionellen "Kosmischen Entfernungsleiter"-Technik zum nahezu gleichen
Ergebnis.
Die SH0ES- und H0LiCOW-Werte unterscheiden sich beide deutlich vom Ergebnis
des Planck-Teams von 67, was die Spannung zwischen den Messungen der
Hubble-Konstanten im heutigen Universum und dem auf Beobachtungen des frühen
Universums basierenden Vorhersagewert verstärkt. "Während unsere ersten
Ergebnisse bereits auf solch einen hohen Wert der Hubble-Konstante hindeuteten,
können wir nun sicher sein, dass es tatsächlich einen systematischen Unterschied
zwischen den Werten in der Früh- und Spätphase des Universums gibt", erklärt
Suyu.
Stefan Taubenberger, ein Mitglied des H0LiCOW-Teams am MPA ergänzt: "Unser
H0LiCOW-Wert ist signifikant höher als der Planck-Wert
(wissenschaftlich gesprochen: mit einer Signifikanz von mehr als 3 Sigma) und in
Kombination mit der SH0ES-Messung wird die Signifikanz noch größer".
Seit 2012 sammelt das H0LiCOW-Team Daten und verfügt inzwischen über
Hubble-Aufnahmen und Zeitverzögerungsmessungen für zehn Quasare, deren
Licht durch vorgelagerte Linsengalaxien gebrochen und mehrfach abgebildet wird.
Das Team wird in Zusammenarbeit mit weiteren Forschern auch in Zukunft nach
neuen Gravitationslinsen-Quasaren suchen und diese systematisch beobachten. Das
Ziel des Teams ist es, 30 weitere Linsensysteme zu beobachten, um die
Unsicherheit in der Messung der Hubble-Konstante auf ein Prozent zu reduzieren.
Über ihre Eregbnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Soiciety veröffentlicht wurde.
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