Leben auf anderen Welten ist vorstellbar
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
27. März 2019
Auf einer Tagung in Berlin werden gerade die Ergebnisse des
BIOMEX-Experimentes vorgestellt, das von 2014 bis 2016 auf der
Internationalen Raumstation ISS durchgeführt wurde. Mit BIOMEX wollte man
herausfinden, ob primitives Leben auch auf anderen Planeten vorstellbar ist.
Dies wurde mit irdischen Organismen getestet, die sich als erstaunlich
widerstandsfähig erwiesen.

Am 22. Oktober 2014 entfernten die
Kosmonauten Maxim Surajew (links oben im Bild ist
der Handschuh des Raumanzugs zu sehen) und
Alexandr Samokutjaew die Schutzabdeckung von
EXPOSE-R2. In dieser Versuchsanordnung war BIOMEX
eines von vier Experimenten.
Foto: ESA / Roscosmos [Großansicht] |
Die Erde ist ein ganz besonderer Planet: Sie ist der einzige Himmelskörper im
Sonnensystem, von dem wir wissen, dass er Leben beherbergt. Oder gibt es doch
weitere Planeten und Monde, auf denen Leben vorstellbar wäre? Der Mars wird hier
immer zuerst genannt, er hat viele Eigenschaften mit der Erde gemeinsam und in
seiner geologischen Vergangenheit strömte auch Wasser über seine Oberfläche.
Doch heute sind die Bedingungen auf dem Mars so extrem, dass es schwer
vorstellbar ist, dass Organsimen, wie wir sie von der Erde kennen, auf dem
kalten und trockenen Wüstenplaneten überleben könnten.
Herauszufinden, ob es doch möglich ist, war eines der Ziele des vom DLR
koordinierten Experiments BIOMEX (BIOlogy and Mars EXperiment) auf der
Internationalen Raumstation ISS. Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Ein
wesentliches Resultat: Tatsächlich sind manche irdische biologische Substanzen
und Strukturen sehr hart im Nehmen. Sie überlebten grenzwertige
Umweltbedingungen während eines 18-monatigen Stresstests im Weltall. Dabei waren
Proben unterschiedlicher Organismen wie Bakterien, Algen, Flechten und Pilze auf
einer Außenplattform der ISS insgesamt 533 Tage dem Vakuum, intensiver
UV-Strahlung und extremen Temperatur-Unterschieden ausgesetzt.
"Einige der Organismen und Biomoleküle haben im offenen Weltraum eine enorme
Strahlungsresistenz gezeigt und kehrten tatsächlich als 'Überlebende' aus dem
All zur Erde zurück", zeigt sich Dr. Jean-Pierre Paul de Vera vom DLR-Institut
für Planetenforschung in Berlin-Adlershof beeindruckt. Dem Astrobiologen oblag
die wissenschaftliche Leitung von BIOMEX. "Wir haben unter anderem Archäen, also
einzellige Mikroorganismen, wie es sie auf der Erde seit über dreieinhalb
Milliarden Jahren im salzigen Meerwasser gibt, untersucht. Unsere 'Probanden'
sind Verwandte, die aus dem Permafrost der Arktis isoliert wurden. Sie haben
unter Weltraumbedingungen überlebt und sind zudem mit unseren Instrumenten
detektierbar. Solche Einzeller wären Kandidaten für Lebensformen, die wir uns
auch auf dem Mars vorstellen könnten."
Mit diesem Ergebnis wurde das Hauptziel des Experiments erreicht: Prinzipiell
scheinen manche Lebewesen, die auf der Erde unter extremen Umweltbedingungen
vorkommen, sogenannte "extremophile" Organismen, auch auf dem Mars existieren zu
können. "Das bedeutet freilich noch lange nicht, dass Leben auch wirklich auf
dem Mars vorkommt", schränkt de Vera ein. "Aber die Suche danach ist nun mehr
denn je die stärkste Triebfeder für die nächste Generation von
Raumfahrtmissionen zum Mars."
Die Existenz von zumindest sehr einfachen Lebensformen auf dem Mars, ob in
der viereinhalb Milliarden Jahre langen Vergangenheit des Planeten oder sogar
noch in der Gegenwart, ist für DLR-Astrobiologen de Vera und Kollegen
prinzipiell vorstellbar. Doch bis heute fehlt der Nachweis von Leben auf dem
Mars. Raumsonden in der Umlaufbahn und mobile Labore auf der Marsoberfläche
zeigten zwar, dass wichtige Voraussetzungen für Leben auch noch heute vorhanden
sind - eine Atmosphäre, Elemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff,
Stickstoff, Schwefel oder Phosphor, auch Wasser - zumindest in Form von Eis.
Doch Leben selbst oder dessen Stoffwechselprodukte registrierten die Detektoren
der Marsforscher bisher noch nicht.
Die BIOMEX-Ergebnisse stärken auch eine Hypothese, die unter Wissenschaftlern
seit Jahrzehnten intensiv diskutiert wird und bei der Frage, wie das Leben vor
3,8 Milliarden Jahre auf die Erde kam, eine Rolle spielt: Die sogenannte
Panspermia-Theorie geht davon aus, dass Organismen auf dem frühen Mars
existierten und durch einen Asteroideneinschlag in ausgeworfenem Gestein von dem
Planeten weggeschleudert und ins innere Sonnensystem verfrachtet wurden. Dort
kollidierten manche als Meteoriten mit der Erde und die darin enthaltenen
Organismen entwickelten sich weiter.
Für das BIOMEX-Experiment wurden am 18. August 2014 mehrere hundert Proben in
einem Experimentkasten von den russischen Kosmonauten Alexander Skwortzow und
Oleg Artemjew auf der Außenplattform des russischen ISS-Moduls Swesda
angebracht. In den zum Weltraum-Vakuum hin offenen Probenbehältern befanden sich
primitive irdische Organismen wie Moose, Flechten, Pilze, Bakterien, Archäen
("Urbakterien") und Algen sowie Zellmembranen und Pigmente. Sie waren unter
anderem in simulierten mineralischen Marsböden mit imitierter Marsatmosphäre
eingebettet.
Am 22. Oktober 2014 entfernten die Kosmonauten Maxim Surajew und Alexandr
Samokutjaew die Schutzabdeckung. Ab diesem Zeitpunkt waren die Proben unter
hochtransparenten Gläsern permanent den harten Weltraumbedingungen im Vakuum
ausgesetzt, mit großen Temperaturschwankungen und der dort herrschenden starken
UV-Strahlung. "Dabei bot die ISS einmal mehr ideale Voraussetzungen für ein
Experiment, das nur unter Weltraumbedingungen durchgeführt werden konnte",
freute sich Dr. de Vera.
Am 3. Februar 2016 wurde das Experiment bei einem dritten Außenbordeinsatz
von den Kosmonauten Juri Malentschenko und Sergeij Wolkow wieder abgedeckt und
in die Raumstation zurückgebracht. Am 18. Juni 2016 kehrten die Proben mit dem
ESA-Astronauten Tim Peake an Bord einer Sojus-Raumkapsel zur Erde
zurück. Anschließend wurde das Experiment von Baikonur zum DLR nach Köln
überführt und die einzelnen Proben von den BIOMEX-Wissenschaftlern in 30
Forschungseinrichtungen in zwölf Ländern auf drei Kontinenten untersucht.
Vom 27. bis zum 29. März 2019 stellt das DLR in Berlin auf einer
wissenschaftlichen Konferenz den BIOMEX-Abschlussbericht mit den Ergebnissen
vor. Bisher wurden 42 begutachtete Artikel in Fachmagazinen veröffentlicht. Das
renommierte Journal Astrobiology widmete BIOMEX im Februar eine
Sonderausgabe.
Die von Mikroorganismen, wie Archäen, gebildeten Stoffwechselprodukte oder
Zellbestandteile könnten von Instrumenten zukünftiger Missionen auf der
Marsoberfläche gemessen werden. Damit wurde ein weiteres Ziel des
BIMOEX-Experiments erreicht. Das Berliner DLR-Institut für Optische
Sensorsysteme nutzt zusammen mit dem Institut für Planetenforschung zu diesem
Zweck Detektionsmethoden zur Identifikation der oben genannten Materialien, die
ohne Probenvorbereitung auskommen. Eine dieser Methoden ist die
Raman-Spektroskopie.
"Mit der Raman-Spektroskopie können wir zerstörungs-und berührungsfrei Proben
auf der Marsoberfläche von einem Rover aus untersuchen", erklärt Dr. Ute Böttger
vom DLR-Institut für Optische Sensorsysteme. "Laserstrahlen, also
energiereiches, gebündeltes Licht, regen Moleküle zu Schwingungen an.
Unterschiedliche Moleküle haben dabei unterschiedliche Schwingungsmuster, die
wie ein unverwechselbarer Fingerabdruck zur Identifikation von Molekülen und
Kristallstrukturen verwendet werden können."
Die Ergebnisse von BIOMEX stellen nicht nur bei der Suche nach Leben auf dem
Mars einen Fortschritt dar. Sie dienen auch der Definition von "Biosignaturen"
im All und erweitern die Basis für eine Datenbank, die als Grundlage für die
Suche nach Leben in unserem Sonnensystem dienen wird. Zukünftige Missionen, wie
die von der ESA für 2020 geplante ExoMars-Mission, werden maßgeblich
von diesen Daten profitieren. Sie können eine wichtige Hilfe bei der
Identifikation und Zuordnung von Signalen darstellen, die bei ExoMars 2020
beobachtet oder die mit Raumsonden von anderen Himmelskörpern gewonnen werden.
Beispielsweise wurden auch in den Eisfontänen auf dem Saturnmond Enceladus
Spuren von Methan nachgewiesen. Dort, wie auch unter den Eiskrusten der
Jupitermonde Europa und Ganymed, sind vermutlich beträchtliche Mengen an Wasser
vorhanden, in denen primitive, einzellige Organismen entstanden sein könnten.
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