Ferne Quasare und die Quantenverschränkung
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften astronews.com
23. August 2018
Quantenphysikern ist es erstmals gelungen, mithilfe von bis
zu zwölf Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernten Quasaren die sogenannte
Quantenverschränkung nachzuweisen. Das weltweit erste Experiment dieser Art
bestätigte mit dem Licht der entfernten Objekte die Gültigkeit der
Quantenmechanik. Albert Einstein hatte daran immer Zweifel geäußert.
Mit dem William Herschel Telescope auf La
Palma fingen die Quantenphysiker das Licht von
Quasaren ein.
Foto: Max Alexander, / Isaac Newton Group of
Telescopes, La Palma [Großansicht] |
Zu seltsam, um wahr zu sein: So bewerteten der berühmte Physiker Albert
Einstein und seine Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen in einem Aufsatz in
der Fachzeitschrift Physical Review im Jahr 1935 die Quantenmechanik.
Besonders das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung betrachteten sie
mit Skepsis. Wird ein Quantenobjekt – etwa ein Lichtteilchen – gemessen, das mit
einem anderen verschränkt ist, dann, so sagt die Quantenmechanik, ist der
Zustand des einen Teilchens von der Messung, die an dem anderen durchgeführt
wird, abhängig.
Das gilt auch auch dann, wenn die beiden weit voneinander entfernt sind und
obwohl keinerlei Information zwischen ihnen ausgetauscht wird. Das lässt sich
mit der klassischen Physik nicht vereinbaren. Einstein vermutete daher, dass die
Quantenmechanik ein solches Experiment nicht vollständig beschreibt und es noch
unbekannte Einflüsse gebe, durch die das Messergebnis bereits vor der Messung
festgestanden hat.
Doch grau ist alle Theorie. Es dauerte beinahe drei Jahrzehnte nach Einsteins
Aufsatz bis es im Jahr 1964 dem nordirischen Physiker John Stuart Bell gelang,
einen Vorschlag zu formulieren, wie sich die Quantenverschränkung experimentell
überprüfen lässt. Und tatsächlich: Seitdem konnten zahlreiche solcher "Bell
Tests" nachweisen, dass die Voraussagen der Quantenmechanik stimmen. Doch ein
Schönheitsfehler blieb stets: Alle diese Experimente enthielten sogenannte
"Schlupflöcher", die es ermöglichen, gemessene Korrelationen auch ohne die
Quantenmechanik zu erklären.
Eines der hartnäckigsten Schlupflöcher ist jenes der "freien Wahl" (freedom-of-choice
loophole): Teilchen und Messeinrichtung könnten theoretisch schon vor dem
Experiment kausal beeinflusst worden sein. Das Messergebnis wäre dann nicht
zufällig zustande gekommen und Einsteins klassische Physik gerettet. Neue
Experimente zeigen nun allerdings, dass es schlecht aussieht für Einstein, wie
ein internationales Team um Anton Zeilinger von der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien nun berichtet.
Die Wiener Forscher führten einen sogenannten "Cosmic Bell Test" mit Licht
durch, das von zwei weit entfernten Quasaren kurz nach dem Urknall vor 13,8
Milliarden Jahren ausgestrahlt wurde. Dadurch konnten sie erstmals nachweisen,
dass sich ein unbekannter Einfluss auf die Messergebnisse verschränkter Teilchen
aus 96 Prozent des Universums seit dem Big Bang ausschließen lässt.
Für ihr Experiment nutzten das Team zwei der größten Teleskope Europas: das
William Herschel Telescope und das Telescopio Nazionale Galileo,
die sich auf der Kanareninsel La Palma befinden. Mit diesen beiden Teleskopen
fingen sie das Licht von zwei in entgegengesetzten Richtungen im Universum
liegenden Quasaren ein, die jeweils rund 8 und 12 Milliarden Jahre von der Erde
entfernt sind. Quasare sind hochenergetische Kerne von Galaxien, die über eine
extreme Leuchtkraft verfügen. Die Farbe der einzelnen Lichtteilchen – Physiker
sprechen präziser von Photonen –, die bei der Entstehung der Quasare festgelegt
wurde und zwischen rot und blau variiert, steuerte die Wahl der Messeinstellung
von zuvor in einem mobilen Labor vor Ort erzeugten verschränkten Teilchen.
"Wir mussten bei unserem Experiment sicherstellen, dass die Entscheidung, wie
die verschränkten Teilchen gemessen werden, völlig unabhängig von uns und
unserer Umgebung getroffen wird", erklärt Erstautor Dominik Rauch, der am Wiener
Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW und an der Universität
Wien forscht. "Das von Menschen, der Erde und fast unserer gesamten
Vergangenheit völlig unabhängige Licht aus dem All ist dafür ideal geeignet, und
so konnten wir die weit entfernten Quasare als kosmische Zufallsgeneratoren
einsetzen."
Die Quantenphysiker von ÖAW und Universität Wien sind Pioniere dieser Methode
zur Messung der Quantenverschränkung. Bereits im Februar 2017 war ihnen bei
einem Pilotversuch in Wien die erfolgreiche Demonstration eines "Cosmic Bell
Test" mit Sternenlicht aus der Milchstraße gelungen. Bei ihrem neuen Experiment
konnten sie nun erstmals kosmisches Licht verwenden, das beinahe vom Rand des
bekannten Universums zu uns gereist ist.
"Es ist das erste Mal, dass Milliarden Jahre altes Licht aus unserem
Universum zum Nachweis der Quantenverschränkung genutzt wurde. Die
Wahrscheinlichkeit, dass es verborgene Einflüsse gibt, die eine zur
Quantenmechanik alternative Erklärung der Verschränkung liefern, liegt damit bei
nahezu Null. Die Wahl der Messeinstellung hätte für unsere Versuchsanordnung
lange vor der Entstehung der Erde erfolgen müssen“, sagt Quantenphysiker Anton
Zeilinger, der auch die Wichtigkeit des Experiments für quantenphysikalische
Anwendungen betont: "Die Widerlegung von Schlupflöchern ist von großer Bedeutung
für die Quantenkryptografie. Für den sicheren Austausch quantenverschlüsselter
Informationen müssen unbekannte Einflüsse vollständig ausgeschlossen sein."
Neben der ÖAW und der Universität Wien waren an dem erfolgreichen Experiment
auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Massachusetts Institute of
Technology, des kalifornischen Harvey Mudd College und der
University of California in San Diego, der chinesischen School of
Computer sowie der spanisch-britisch-niederländischen Isaac Newton
Group und der italienischen Fundación Galileo Galilei beteiligt.
Über ihre Untersuchung berichten die Forscher in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters.
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