"Wohnlicher" Exoplanet in unserer Nachbarschaft?
von Stefan Deiters astronews.com
15. November 2017
Astronomen haben mithilfe des Instruments HARPS einen
kleinen extrasolaren Planeten entdeckt, der um den Zwergstern Ross 128 in nur
elf Lichtjahren Entfernung kreist. Auf dem Planeten könnten lebensfreundliche
Temperaturen herrschen. Zudem gilt Ross 128 als inaktiver Roter Zwergstern, was
es potentiellem Leben auf der Oberfläche einfacher machen sollte.
So könnte der
jetzt entdeckte Planet um den Zwergstern Ross 128
aussehen.
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Extrasolare Planeten, also Welten, die um andere Sonnen kreisen, wurden in
den vergangenen zwei Jahrzehnten schon viele entdeckt. Auch Welten in der
habitablen Zone einer Sonne, also dort, wo die Strahlung des Zentralsterns für
flüssiges Wasser auf der Oberfläche sorgen könnte, kennt man bereits einige. Bei
manchen dieser Welten handelt es sich sogar um Planeten, die in etwa die Größe
der Erde haben.
Die meisten dieser Welten sind zwar sehr interessant, aber gleichzeitig auch
recht weit entfernt. In unserer direkten kosmischen Nachbarschaft sieht es mit
potentiell lebensfreundlichen Welten schon sehr viel schlechter aus. Im
vergangenen Jahr hatte man um den sonnennächsten Stern Proxima Centauri b einen
Gesteinsplaneten aufgespürt. Heute gaben Astronomen die Entdeckung eines
Planeten um den Zwergstern Ross 128 bekannt. Er ist "nur" elf Lichtjahre von der
Erde entfernt.
Die neu entdeckte Welt Ross 128 b umrundet ihren Zentralstern alle 9,9 Tage
und sollte in etwa so groß wie die Erde sein. Da es sich bei Ross 128 um einen
Zwergstern handelt, der deutlich leuchtschwächer als unsere Sonne ist, bedeutet
dieser geringe Abstand, dass auf der Oberfläche von Ross 128 b durchaus
angenehme Temperaturen herrschen könnten - vielleicht entsprechen sie sogar den
Temperaturen auf der Erde. Ross 128 b ist damit der zweitnächste Planet, der
sich in dieser Hinsicht als "potentiell wohnlich" beschreiben lassen würde. Er
hat zudem den Vorteil, dass er mit Ross 128 einen Zwergstern umkreist, der als
inaktiv gilt. Anders als bei Proxima Centauri sind hier also kaum heftige
Strahlungsausbrüche zu erwarten, die es dem Leben auf dem Planeten schwer machen
würden.
"Diese Entdeckung basiert auf mehr als einem Jahrzehnt intensiver
HARPS-Beobachtungen in Verbindung mit modernsten Datenreduktions- und
Analysetechniken", erläutert Nicola Astudillo-Defru von der Sternwarte in Genf.
"Nur HARPS hat eine solche Präzision unter Beweis gestellt und bleibt 15 Jahre
nach der Inbetriebnahme der beste Planentenjäger seiner Art."
Bei HARPS handelt es sich im Prinzip um einen hochempfindlichen
Spektrografen, mit dem sich das geringfügige Wackeln eines Sterns nachweisen
lässt, das entsteht, wenn ein Planet um diesen Stern umläuft. Dieses Wackeln ist
naturgemäß umso größer, je massereicher der Planet ist und je näher er um seine
Sonne kreist. Deswegen wurden in den ersten Jahren der Exoplaneten-Suche mit dem
Instrument auch hauptsächlich massereiche Gasriesen aufgespürt, die ihren
Zentralstern in nur geringem Abstand umrunden. In den letzten Jahren ist es den
Astronomen gelungen, mit dieser sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode auch
immer kleinere Planeten nachzuweisen.
Rote Zwerge sind der häufigste Sternentyp in unserer Milchstraße. Sie sind
deutlich lichtschwächer als unsere Sonne. Damit ein Planet sich in der habitablen Zone eines Roten Zwergsterns befindet, muss er diesen daher in
erheblich geringerem Abstand umkreisen, als etwa unsere Erde die Sonne. Viele
Rote Zwerge, auch unser nächster Nachbar Proxima Centauri, zeigen allerdings ein
eher "lebensfeindliches" Verhalten: Man beobachtet bei ihnen heftige Flares, die
nahegelegene Planeten mit tödlicher ultravioletter Strahlung und auch
Röntgenstrahlung überfluten können. Ross 128 ist hier eine Ausnahme: Der Stern
gilt als inaktiver Roter Zwerg.
Der jetzt aufgespürte Planet hat einen 20-mal geringeren Abstand von Ross 128
als die Erde von der Sonne. Er dürfte allerdings nur etwa 1,38-mal mehr
Strahlung als die Erde abbekommen. Die Temperaturen auf seiner Oberfläche
könnten daher zwischen 20 und -60 Grad Celsius liegen. Damit ist unsicher, ob
der Planet sich tatsächlich in der habitablen Zone befindet. Es ist aber
jedenfalls der uns am nächsten gelegene Planet mit halbwegs erträglichen
Temperaturen um einen nicht aktiven Roten Zwergstern.
Und Ross 128 kommt uns immer näher: Aus der Eigenbewegung des Zwergsterns
haben Astronomen berechnet, dass der derzeit noch elf Lichtjahre entfernte
Zwergstern in rund 79.000 Jahren der Erde näher sein wird als Proxima Centauri.
Dieser gilt mit einer Entfernung von etwas mehr als 4,2 Lichtjahren aktuell als
sonnennächster Stern und sein Planet damit auch als sonnennächster extrasolarer
Planet.
Die Planeten um Proxima Centauri und Ross 128 dürften auf jeden Fall auch von
den Großteleskopen der nächsten Generation unter die Lupe genommen werden, um in
ihren Atmosphären nach Molekülen und Verbindungen zu suchen, die ein Indiz für
möglicherweise vorhandenes Leben sein könnten.
Über ihre Entdeckung berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
|