Ohne Nickel kein Magnetfeld
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität Wien astronews.com
21. Juli 2017
Ohne das Magnetfeld der Erde wäre auf unserem Heimatplaneten
wohl kaum Leben möglich. Doch wie entsteht dieser unentbehrliche Schutzschild
für uns Menschen? Das Eisen im Erdkern, das weiß man schon lange, spielt dabei
eine wichtige Rolle. Neue Berechnungen zeigen aber nun, dass Eisen allein nicht
reichen würde: Ohne Nickel gäbe es offenbar kein Magnetfeld.

Konvektion und Korioliskraft führen zu
komplizierten Strömungen im Erdinneren, die das
Erdmagnetfeld verursachen. Das wäre ohne Nickel
in dieser Form nicht möglich.
Bild: TU Wien [Großansicht] |
Jeder von uns kann das Erdmagnetfeld ganz einfach mit einem Kompass
nachweisen – doch wie es genau entsteht ist eine ausgesprochen komplizierte
Frage. Eine wichtige Rolle spielt dabei jedenfalls der heiße Erdkern, der
hauptsächlich aus Eisen besteht. In Kombination mit der Eigenrotation der Erde
führt er zu einem gewaltigen "Dynamoeffekt", der das Erdmagnetfeld erzeugt.
Doch mit Eisen alleine ist dieser Effekt nicht wirklich zu erklären:
Materialwissenschaftliche Berechnungen eines Forschungsteam um Prof. Alessandro
Toschi und Prof. Karsten Held von der Technischen Universität Wien und Prof.
Giorgio Sangiovanni von der Universität Würzburg zeigen, dass die Theorie des
Geo-Dynamoeffekts modifiziert werden muss. Entscheidend ist nämlich, dass der
Erdkern auch bis zu 20 Prozent aus Nickel besteht – ein Metall, das sich unter
den extremen Bedingungen im Erdkern anders verhält als das Eisen.
Der Erdkern ist ähnlich groß wie der Mond und so heiß wie die Oberfläche der
Sonne. Es herrscht ein Druck von mehreren hundert Gigapascal – das entspricht
dem Druck, den man ausüben würde, wenn man mehrere Eisenbahnlokomotiven auf
einem Quadratmillimeter balancieren könnte. "Unter diesen extremen Bedingungen
verhalten sich manche Materialien ganz anders als wir es gewohnt sind", sagt
Held. "Die Bedingungen im Experiment nachzustellen ist kaum möglich, aber mit
aufwändigen Computersimulationen können wir das Verhalten von Metallen im
Erdkern quantenphysikalisch berechnen."
Die Hitze des Erdkerns muss irgendwie entweichen. Heißes Material
steigt in höhere Schichten auf, es entstehen Konvektionsströme. Gleichzeitig
treten durch die Erdrotation starke Korioliskräfte auf, insgesamt entstehen so
im Erdinneren komplizierte spiralförmige Strömungen. "Wenn in einem solchen
Strömungs-System elektrischer Strom zu fließen beginnt, kann dieser ein
magnetisches Feld erzeugen, das wiederum den Stromfluss verstärkt, und so weiter
– bis ein kräftiges Magnetfeld entstanden ist, das wir an der Erdoberfläche
messen können", erklärt Toschi.
Doch nach bisherigem Wissen war eigentlich nicht zu erklären, warum es
überhaupt zu den Konvektionsströmen kommen sollte. Eisen ist nämlich ein
ziemlich guter Wärmeleiter, und bei hohem Druck wird die Wärmeleitfähigkeit von
Eisen sogar noch besser. "Würde das Erdinnere nur aus Eisen bestehen, so könnten
die frei beweglichen Elektronen im Eisen ganz alleine für den nötigen
Wärmetransport sorgen, ohne dass dabei Konvektionsströme entstehen müssten",
sagt Held. "Dann gäbe es allerdings auch kein Erdmagnetfeld."
Allerdings enthält der Erdkern auch bis zu 20% Nickel. Bisher hielt man das
nicht für bedeutend, doch wie nun gezeigt wurde, spielt der Nickel-Anteil eine
ganz entscheidende Rolle. "Nickel verhält sich unter Druck anders als Eisen",
sagt Toschi. "Bei hohem Druck streuen die Elektronen im Nickel deutlich häufiger
als im Eisen, daher ist die Wärmeleitfähigkeit von Nickel, aber auch des
Erdkerns insgesamt, deutlich niedriger als bei einem Kern aus reinem Eisen."
Aufgrund des Nickel-Anteils kann die Temperatur im Erdkern nicht mehr bloß
durch die Bewegung von Elektronen abtransportiert werden, und daher ist das
Entstehen von Konvektionsströmungen unvermeidlich, die dann letztlich für das
Erdmagnetfeld verantwortlich sind. Um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, war
es nötig, unterschiedliche Metallstrukturen am Computer zu simulieren und das
Verhalten ihrer Elektronen zu berechnen. Die Vielteilchen-Rechnungen wurden von
Andreas Hausoel von der Universität Würzburg durchgeführt, unter anderem auch am
Vienna Scientific Cluster.
"Gemeinsam mit unseren Kollegen von der Universität Würzburg
untersuchten wir nicht nur Eisen und Nickel, sondern auch Legierungen aus diesen
beiden Materialien. Auch Störungen und Unregelmäßigkeiten in den Materialien
mussten wir speziell berücksichtigen, das macht die Computersimulationen noch
aufwändiger", erklärt Held. Diese fortschrittlichen Rechenmethoden sind nicht
nur wichtig, um das Erdmagnetfeld besser zu verstehen, sie bieten auch neue
Einblicke in die Streuung der Elektronen. Toschi ist überzeugt: "In naher
Zukunft wird die stetige Verbesserung dieser Algorithmen auch zu spannenden
Anwendungen in der Chemie und Biologie, in der Industrie und Technik führen."
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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