Kein Stern ist runder als Kepler 11145123
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
17. November 2016
Mithilfe des Weltraumteleskops Kepler ist es
Astronomen gelungen, die Form eines rund 3000 Lichtjahre entfernten Sterns zu
bestimmen: Danach ist Kepler 11145123 das rundeste Objekt, das bislang in der
Natur beobachtet wurde. Das Team wertete winzige Schwingungen des Sterns aus,
die wiederum Rückschlüsse auf seine genaue Gestalt zuließen.
Der Stern Kepler 11145123 ist das rundeste,
natürliche Objekt im Universum, das je vermessen
wurde.
Bild: Mark A. Garlick [Großansicht] |
Sterne sind keine perfekten Kugeln; mehrere Faktoren können ihre Form
beeinflussen. Einer dieser Faktoren ist die Rotation: Je schneller ein Stern
rotiert, desto flacher wird er. Verantwortlich dafür ist die Zentrifugalkraft.
Da ferne Sterne uns jedoch nur als Punkte am Himmel erscheinen, ist es eine
herausfordernde Aufgabe, ihre Form zu bestimmen. Einem Team von Wissenschaftlern
unter Leitung von Prof. Dr. Laurent Gizon vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS) und der Universität Göttingen, ist es nun gelungen,
die Abflachung eines langsam rotierenden Sterns zu messen.
Sie nutzen dazu erstmals Methoden der Asteroseismologie, um die Abflachung eines
Sterns mit bisher unerreichter Genauigkeit zu bestimmen. Für einen Stern, der
mehr als 5000 Lichtjahre (47.000.000 Milliarden Kilometer) von der Erde entfernt
ist, fanden sie einen Unterschied zwischen dem äquatorialen und dem polaren
Radius von nur drei Kilometern. Im Vergleich zum mittleren Radius des riesigen
Sterns von 1,5 Millionen Kilometern ist diese Abweichung erstaunlich klein.
Alle Sterne drehen sich um ihre eigene Achse. Die Zentrifugalkraft sorgt deshalb
für eine abgeflachte Form. Je schneller ein Stern rotiert, desto stärker ist
dieser Effekt. Unsere Sonne etwa dreht sich innerhalb von 27 Tagen einmal um die
eigene Achse. Ihr Radius am Äquator ist zehn Kilometer länger als der am Pol.
Bei der Erde beträgt dieser Unterschied 21 Kilometer.
Für ihre jüngsten Messungen wählten Gizon und seine Kollegen einen langsam
rotierenden Stern mit Namen Kepler 11145123 aus. Dieser heiße und helle Stern
ist mehr als zweimal so groß wie die Sonne und braucht für eine Umdrehung um die
eigene Achse dreimal so lange wie unser Zentralgestirn. Er befindet sich mehr
als 3000 Lichtjahre von der Erde entfernt – eine gewaltige Strecke im Vergleich
zu den wenigen Kilometern, welche die Wissenschaftler messen konnten.
Die Wahl der Wissenschaftler fiel auf diesen speziellen Stern, weil er
sinusförmige Schwingungen zeigt. Spuren seines periodischen Ausdehnens und
Zusammenziehens finden sich in den Helligkeitsschwankungen des Lichtes, das er
ins All abstrahlt. Mehr als vier Jahre lang konnte das Weltraumteleskop
Kepler der amerikanischen Weltraumagentur NASA diese Schwingungen
ununterbrochen beobachten.
Dabei treten die verschiedenen Schwingungsarten in unterschiedlichen
Breitengraden des Sterns unterschiedlich ausgeprägt auf. Für ihre Studie
verglichen Gizon und seine Kollegen die Frequenzen der Schwingungen, die am
Äquator stärker auftreten, mit denen, die in höheren Breiten dominieren. Aus
diesem Vergleich konnten die Astrophysiker den Unterschied der Strecke vom
Mittelpunkt des Sterns bis zum Pol und der vom Mittelpunkt bis zum Äquator mit
einer Genauigkeit von einem Kilometer bestimmen: Er beträgt drei Kilometer.
"Kepler 11145123 ist somit das rundeste Objekt, das in der Natur je beobachtet
wurde, runder noch als die Sonne", sagt Gizon.
Der Stern ist zudem weniger abgeflacht als die Wissenschaftler auf Grund seiner
Rotation angenommen hatten. Sie vermuten, dass ein Magnetfeld in niedrigen
Breiten für diesen Effekt verantwortlich ist. Auf diese Weise liefert die
Asteroseismologie eine Möglichkeit, magnetische Eigenschaften ferner Sterne zu
untersuchen. Die Magnetfelder solcher Sterne sind direkten Beobachtungen bisher
nur schwer zugänglich.
Kepler 11145123 ist nicht der einzige Stern, der geeignete Schwingungen für
diese Art der asteroseismologischen Untersuchung aufweist. "Wir haben vor, die
Methode auch bei anderen Sternen anzuwenden – bei solchen, die das
Weltraumteleskop Kepler derzeit im Blick hat, und bei solchen, welche
die geplanten Weltraumobservatorien PLATO und TESS beobachten werden", erklärt
Gizon. Vor allem werde es interessant sein zu verfolgen, wie schnellere Rotation
und stärkere Magnetfelder die Gestalt eines Sterns verändern, fügt der Forscher
hinzu. "Ein wichtiges Feld der theoretischen Astrophysik ist dadurch jetzt
Beobachtungen zugänglich geworden", so Gizon.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Science Advances
erschienen ist.
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