Entstehung schwerer Elemente im Computer
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich astronews.com
10. Dezember 2015
Alle schwereren Elemente werden in Sternen gebildet. Was genau
dabei abläuft, konnte man bislang am Computer nur sehr eingeschränkt
nachvollziehen, da der Rechenaufwand für solche Simulationen einfach zu groß
war. Jetzt haben Physiker aber ein neues Verfahren entwickelt, das den
Rechenzeitbedarf für solche Modelle deutlich verringert.
Streuung zweier Alphateilchen, im
Hintergrund: Supercomputer JUQUEEN am Jülich
Supercomputing Centre (JSC).
Bild: Forschungszentrum Jülich [Großansicht] |
Alphateilchen spielen eine entscheidende Rolle bei der Bildung schwererer
Elemente. Kohlenstoff geht etwa aus der Verschmelzung dreier Alphateilchen
hervor. Kommt noch ein weiterer Heliumkern hinzu, bildet sich Sauerstoff - eine
weitere Voraussetzung für die Entstehung irdischen Lebens. Ein internationales
Forscherteam hat nun eine neue Methode vorgestellt, mit der sich diese
Geburtsprozesse im Innern von Sternen detailliert auf Supercomputern simulieren
lassen. Das Verfahren verringert den Rechenaufwand und ermöglichte es erstmals
den Streuprozess zweier Alphateilchen von Grund auf zu berechnen.
Die Simulation der Prozesse, die zur Bildung schwererer Elemente führen, ist
sehr rechenintensiv. Selbst die schnellsten Supercomputer der Welt sind gerade
einmal in der Lage, die Entstehung sehr leichter Elemente nachzuvollziehen. All
die umherschwirrenden Protonen und Neutronen, aus denen sich auch die Atomkerne
zusammensetzen, stehen miteinander in Wechselwirkung.
Zudem gilt es, vielfältige theoretisch mögliche Quantenzustände jedes Teilchens
zu berücksichtigen. Der erforderliche Rechenaufwand steigt daher mit der Zahl
der beteiligten Partikel sprunghaft an. Sogenannte Ab-initio-Simulationen
beschränkten sich daher bisher auf Reaktionen, an denen nicht mehr als fünf
Partikel beteiligt sind.
Derartige Simulationsverfahren kommen ohne äußere, experimentell zu bestimmende
Parameter aus. Die gewonnenen Erkenntnisse fußen damit allein auf den
zugrunde liegenden Gesetzen der Physik. Mithilfe eines neuen Rechenverfahrens ist
es Wissenschaftlern an den Universitäten in Bonn und Bochum, des
Forschungszentrums Jülich sowie zweier US-amerikanischer Universitäten nun
gelungen, einen deutlich komplexeren Vorgang nachzustellen. Sie untersuchten die
als Streuung bezeichnete Ablenkung zweier Heliumkerne: eine Reaktion, die
insgesamt 8 Nukleonen – so die Sammelbezeichnung für Protonen und Neutronen –
umfasst.
Für ihre Berechnungen nutzten sie einen der leistungsstärksten Supercomputer der
Welt, den Superrechner JUQUEEN am Jülich Supercomputing Centre (JSC).
Den enormen Rechenaufwand verringerten sie dabei mit einem Trick: Die Forscher
platzierten die beteiligten Nukleonen nicht frei im Raum, sondern auf einem
virtuellen Gitter, dessen Zustand sich sehr effizient parallel mit einer großen
Anzahl von Prozessoren berechnen lässt, wie sie heutige Superrechner aufweisen.
Auf diese Weise steigt die Rechenzeit nicht wie bisher exponentiell, sondern nur
noch quadratisch mit der Zahl der beteiligten Nukleonen an. Der Rechenaufwand
für ein System mit 16 Teilchen ist somit nur viermal größer als für ein
8-Teilchen-System. Stiege die Rechenzeit dagegen exponentiell, wäre ein
Supercomputer wie JUQUEEN nicht mehr nur ein paar Wochen, sondern gleich mehrere
Jahrtausende beschäftigt.
Nachdem Physiker bereits vor einigen Jahren die Grundbedingungen für die Bildung
von Kohlenstoff entschlüsseln konnten, rückt mit dem neuen Verfahren die
Erforschung eines weiteren lebenswichtigen Entstehungsprozesses in greifbare
Nähe: die Bildung von Sauerstoff, die auch schon als "heiliger Gral der
Astrophysik" bezeichnet wurde. Die Methode könnte darüber hinaus auch neue
Perspektiven für Simulationsrechnungen in der Elementarteilchenphysik eröffnen,
in der anstelle von Atomkernen das Verhalten von Quarks und Gluonen im Fokus
steht.
Über ihre Simulationen berichteten die Wissenschaftler in der
vergangenen Woche in der Zeitschrift Nature.
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