Zwei Dynamos erzeugen Magnetfeld
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
19. August 2014
Wissenschaftler haben jetzt die bislang komplexeste
Simulation zur Entstehung des Magnetfelds des Gasriesen Jupiter durchgeführt.
Nach rund einem halben Jahr Rechenzeit auf einem Supercomputer konnten sie so
die Messungen von Raumsonden korrekt wiedergeben. Sie entdeckten zudem
einen zweiten, bislang unbekannten Dynamoprozess.

Der aufgeschnittene Jupiter: Die magnetischen
Feldlinien verdeutlichen die hohe Komplexität des
Magnetfelds im Planeteninnern, die jedoch
jenseits der metallischen Schicht (schwarze
Linie) schnell abnimmt.
Bild: J. Wicht, MPS [Großansicht] |
Superlative sind das Markenzeichen des Planeten Jupiter. So ist das
Magnetfeld des größten Mitglieds im Sonnensystem an der Wolkenoberkante rund
zehnmal stärker als dasjenige auf der Erde, und es bildet die mit Abstand am
weitesten ausgedehnte Magnetosphäre um einen Planeten.
Rätselhaft erschien es lange Zeit, dass dieses Feld eine ähnliche Struktur
besitzt wie das unseres Planeten, obwohl beide Himmelskörper im Innern völlig
unterschiedlich aufgebaut sind. Einem Team unter der Leitung des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen ist es nun mit den
bisher detailliertesten Computersimulationen gelungen, den Ursprung des
Magnetfelds tief im Innern des Gasriesen zu erklären.
Magnetfelder entstehen immer dann, wenn elektrische Ströme fließen. Die Erde
umgibt ein Magnetfeld, weil tief in ihrem Innern eine Eisen-Nickel-Schmelze
zirkuliert. Durch diese Bewegung werden ähnlich wie beim Fahrraddynamo
elektrische Ströme angeworfen, die das bekannte dipolförmige Erdmagnetfeld
erzeugen. Physiker sprechen vom Geodynamo. Doch wie funktioniert der Dynamo im
Innern Jupiters? Jupiter besteht überwiegend aus Wasserstoff und Helium.
Aufnahmen des Planeten zeigen farbige Wolkenbänder und gigantische
Wirbelstürme wie den Großen Roten Fleck. An der Wolkenobergrenze beträgt die
Temperatur minus 100 Grad Celsius, doch mit wachsender Tiefe nehmen Temperatur,
Druck und elektrische Leitfähigkeit stark zu. In einer Tiefe von knapp 10.000
Kilometern und einem Druck von einigen Millionen Atmosphären wird der
Wasserstoff sogar metallisch leitend - ein exotischer Aggregatzustand, den es
auf der Erde nicht gibt. Unklar bleibt, ob sich im Zentrum des Planeten ein
Gesteinskern befindet; er könnte etwa 20 Prozent des Jupiterradius -
entsprechend 14.000 Kilometer - einnehmen.
Bisherige Computersimulationen zur Entstehung des Magnetfelds mussten diesen
komplexen Aufbau stark vereinfachen. So wurden etwa der obere Gasbereich und die
untere metallische Region separat behandelt. Keine Rechnung gab deshalb die mit
Raumsonden ermittelte Stärke und Form des Magnetfelds korrekt wieder. "Einige
Kollegen nahmen an, dass sich bei dem Übergang zum Bereich des metallisch
leitenden Wasserstoffs bestimmte physikalische Größen sprunghaft verändern",
sagt der Projektleiter Johannes Wicht vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung in Göttingen.
Doch neue Modelle von Kollegen der Universität Rostock scheinen zu belegen,
dass dies wohl nicht der Fall ist. Die Eigenschaften ändern sich über die ganze
Gasschicht graduell, sodass die separate Behandlung der äußeren und inneren
Region kaum gerechtfertigt ist. Der bedeutende Fortschritt bestand nun darin,
dass die Göttinger Physiker erstmals alle Bereiche des Planeten in einer
einheitlichen Simulation behandelten. Hierfür musste der große
Hydra-Supercomputer der Max-Planck-Gesellschaft in Garching rund ein halbes Jahr
lang rechnen.
Das Ergebnis war beeindruckend: Es stellte das Jupitermagnetfeld weitgehend
so dar, wie es Raumsonden in der Natur ermittelt haben. "Der Hauptteil des
Magnetfelds, das dem der Erde sehr ähnlich sieht, entsteht in den Tiefen des
Planeten, wo sich die Eigenschaften nicht mehr so stark ändern", so Wicht. Nach
den neuen Simulationen ist jedoch noch ein zweiter, schwächerer Dynamo aktiv. Er
agiert im Übergangsbereich zur metallischen Schicht in Äquatornähe. Ursache ist
ein starker ostwärts gerichteter Wind, ein sogenannter Jet, der sich an den
Wolkenbewegungen erkennen lässt.
Im äußeren, kühlen Bereich der Atmosphäre kann noch kein Magnetfeld erzeugt
werden, weil hier die Leitfähigkeit zu gering ist. Doch in größerer Tiefe steigt
die Temperatur, und ab etwa 8.000 Kilometer unter der Wolkendecke ist die
elektrische Leitfähigkeit dank der Plasmabildung hoch genug, dass der Dynamo
einsetzen kann. "Entscheidend ist das Produkt aus der Windgeschwindigkeit und
der elektrischen Leitfähigkeit", erklärt Moritz Heimpel von der Universität von
Alberta im kanadischen Edmonton. Sobald es einen bestimmten Wert überschreitet,
kann ein Magnetfeld entstehen.
"Der Jet schert das Magnetfeld in Ost-West-Richtung und erzeugt in der
Äquatorregion eine charakteristische magnetische Bandstruktur", sagt Thomas
Gastine, Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. "Um die
besonderen Eigenschaften beider beteiligten Dynamoprozesse wiederzugeben, war es
besonders wichtig, die inneren Eigenschaften des Planeten möglichst genau zu
modellieren", ergänzt Lucia Duarte, die die erste Computerrechnung während ihrer
Doktorarbeit am Göttinger Max-Planck-Institut ausgeführt hat.
Es entstehen also zwei Magnetfelder, die sich überlagern: das erdähnliche in
der tiefen Schicht des metallisch leitenden Wasserstoffs und die von dem
äquatorialen Jet erzeugte schwächere Bandstruktur. "Das erdähnliche Feld
entspricht in Stärke und Struktur den bisherigen Messdaten durch Raumsonden, die
es jedoch nicht erlauben, die Bandstrukturen aufzulösen", sagt Gastine.
Die Simulationen überdecken einen Zeitraum von etwa 6.500 Jahren und
offenbaren auch Veränderungen. So sollte die Feldstärke schwanken und die
Achsneigung sich um etwa 0,02 Grad pro Jahr ändern. Diese und weitere von dem
neuen Modell vorhergesagte Eigenschaften werden sich in Kürze mit der Raumsonde
Juno überprüfen lassen. Das vor drei Jahren gestartete amerikanische
Raumschiff soll im August 2016 in eine Umlaufbahn um den Riesenplaneten
einschwenken. "Mit den neuen Messdaten werden wir sehr viel mehr über den
inneren Aufbau und das Magnetfeld erfahren, als das bisher möglich war und
können hoffentlich auch die Bandstrukturen bestätigen", hofft Wicht.
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