Physik-Nobelpreis für Englert und Higgs
von Stefan Deiters astronews.com
8. Oktober 2013
Der diesjährige Physik-Nobelpreis ging, wie von vielen schon
erwartet worden war, an den britischen Forscher Peter W. Higgs. Er erhielt die
Auszeichnung zusammen mit dem Belgier François Englert. Beide hatten in den
1960er Jahren unabhängig voneinander eine Theorie entwickelt, die mithilfe des
Large Hadron Collider erst im vergangenen Jahr experimentell bestätigt
werden konnte.

François Englert
(links) und Peter W. Higgs am 4. Juli 2012 am
CERN in Genf.
Foto: Maximilien Brice / CERN |
Am Ende machte es das Nobelpreis-Komitee noch einmal spannend: Die Bekanntgabe
war zwar für "frühestens" 11.45 Uhr schwedischer Zeit angesetzt, doch kaum einer
der Pressevertreter und der Interessierten weltweit, die die Veranstaltung über
das Internet verfolgten, hatte wohl damit gerechnet, bis 12.45 Uhr auf die
Verkündung der entscheidenden Namen warten zu müssen.
Die Namen selbst - oder zumindest das ausgezeichnete Teilgebiet der Physik -
waren dann weniger überraschend: Den Nobelpreis für Physik 2013 teilen sich der
84-jährige Peter W. Higgs von der University of Edinburgh und der
80-jährige François Englert von der Université Libre de Bruxelles. Der
Name Higgs war im Vorfeld der diesjährigen Nobelpreisvergabe immer wieder
genannt worden. Spekuliert wurde allerdings darüber, wer zusammen mit Higgs die
Auszeichnung erhalten würde.
Mit Englert hat sich das Nobelpreiskomitee nun für den Mann entschieden, der
zusammen mit Higgs als einer der "Väter" der dem Higgs-Teilchen zugrunde
liegenden Theorie gilt. Englert hatte 1964 zusammen mit seinem bereits
verstorbenen Kollegen Robert Brout eine Theorie entwickelt, die beschreibt, wie
subatomare Partikel zu ihrer Masse kommen. Im gleichen Jahr hatte auch Higgs
eine entsprechende Theorie formuliert und veröffentlicht. Diese Theorie wurde im
vergangenen Jahr durch die Entdeckung des von ihr vorhergesagten sogenannten "Higgs-Teilchens"
experimentell bestätigt.
Viele hatten daher spekuliert, ob das Nobelpreis-Komitee auch die beiden
Experimente ATLAS und CMS am Large Hadron Collider des Genfer CERN
irgendwie berücksichtigen würden. Da der Physik-Nobelpreis aber traditionell nur
an Personen und nicht an ganze Kollaborationen vergeben wird, wäre es vermutlich
sehr schwer gewesen, hier ein oder zwei geeignete Kandidaten zu finden.
Ob diese Überlegungen der Grund für die rund 60-minütige Verzögerung der
Bekanntgabe des Preises waren, ließ sich nicht in Erfahrung bringen. Auf der
Pressekonferenz wollte und dufte sich keiner der Beteiligten dazu äußern. Es
wurde allerdings darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über die Vergabe erst
an diesem Morgen gefallen war und es eine lebhafte Diskussion gab.
Nach der offiziellen Begründung wurden Higgs und Englert "für ihre theoretische
Entdeckung eines Mechanismus" ausgezeichnet, "der zu unserem Verständnis des
Ursprungs der Masse von subatomaren Partikeln beiträgt und der kürzlich durch
die Entdeckung des durch die Theorie vorhergesagten Partikels durch die
Experimente ATLAS und CMS am Large Hadron Collider des Genfer CERN
bestätigt wurde."
François Englert, der telefonisch zur Pressekonferenz zugeschaltet war, zeigte
sich hocherfreut über die Auszeichnung. Peter W. Higgs konnte das
Nobelpreis-Komitee nicht erreichen, obwohl man es unter allen bekannten
Telefonnummern versucht hatte. Hinterher wurde die Vermutung geäußert, dass
Higgs extra rechtzeitig vor der Bekanntgabe von der Bildfläche verschwunden war,
um dem zu erwartenden Trubel zu entgehen. Schließlich wäre er als "Favorit" auch
dann ein interessanter Gesprächspartner für die Medien gewesen, wenn er den
Nobelpreis nicht bekommen hätte.
Die ausgezeichnete Theorie ist ein zentraler Bestandteil des sogenannten
Standardmodells der Teilchenphysiker, das den fundamentalen Aufbau unserer Welt
beschreibt. Das Higgs-Teilchen und das mit ihm zusammenhängende Feld spielen
darin eine entscheidende Rolle. Mit ihrer Theorie, aus der die Existenz dieses
Teilchens folgt, retteten Englert und Higgs im Jahr 1964 das Standardmodell, das
ansonsten in große Schwierigkeiten geraten wäre.
Der Nachweis allerdings, dass es dieses Higgs-Teilchen auch gibt, war extrem
schwierig und benötigte fast ein halbes Jahrhundert intensiver Forschung. Mit
dem gewaltigen Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider und zwei
Experimenten, an deren Entwicklung und Betrieb mehrere Tausend Wissenschaftler
beteiligt waren, wurde das Higgs-Teilchen schließlich entdeckt. Bei der
Bekanntgabe der Entdeckung am CERN am 4. Juli 2012 waren Higgs und Englert beide
anwesend. Sie trafen sich an diesem Tag zum ersten Mal.
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