Neues Licht auf Rolle Wernher von Brauns?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der BTU Cottbus astronews.com
10. Mai 2011
Jetzt entdeckte Dokumente könnten ein neues Licht auf die Geschichte der
Raketenentwicklung in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der
Ostseeinsel Usedom werfen. Im Nachlass eines an der Entwicklung der
V2-Rakete beteiligten Wissenschaftlers fanden sich bislang unbekannte
Hinweise auf die Rolle Wernher von Brauns. Dieser gilt als Vater der
V2-Rakete und spielte später eine wichtige Rolle bei der NASA.
Zeichnung des Aggregat 4, das später als
V2-Rakete bekannt wurde.
Bild: NASA
Glückwünsche nach dem ersten erfolgreichen Start
einer A4-Rakete in Peenemünde am 3. Oktober 1942.
Wernher von Braun ist in der Mitte der zweiten
Reihe zu sehen. Er trägt keine Uniform.
Foto: NASA |
Bei der Erarbeitung eines Denkmalpflege-Managementplans für das Gelände
der ehemaligen Heeresversuchsanstalt in Peenemünde könnte Uta Mense,
akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl Denkmalpflege der
Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus, ein beachtlicher
Archivfund gelungen sein: Es handelt sich dabei um den bislang noch
nicht wissenschaftlich ausgewerteten Nachlass von Dr. Paul Schröder, der
in den Anfangsjahren der Heeresversuchsanstalt neben Wernher von Braun
als einer von vier Abteilungsleitern maßgeblich an der Entwicklung der
V2-Raketenwaffe beteiligt war und der in den 1950er Jahren in den USA
als vehementer Kritiker von Wernher von Braun auf sich aufmerksam zu
machen versuchte.
Das Besondere an diesem Nachlass ist nach Angaben der BTU Cottbus, dass
er neue Einblicke in die Anfänge der Raketenentwicklung in Peenemünde
gibt. Denn anders als die jungen Gefolgsmänner von Wernher von Braun hat
Schröder seine Darstellung der Waffenentwicklung nicht für die breite
Öffentlichkeit und zum Zwecke der nachträglichen Rechtfertigung und
Verklärung des eigenen Handels geschrieben. Schröder wollte vielmehr die
US-Behörden auf diverse Inkompetenzen des ehemaligen Technischen
Direktors Wernher von Braun aus Peenemünde aufmerksam machen, weil
seiner Ansicht nach die Weiterentwicklung der Raketentechnologie in den
USA behindert wurde.
Sowohl Wernher von Braun als auch Paul Schröder arbeiteten nach dem
Zweiten Weltkrieg in den USA - Wernher von Braun schon ab 1945, erst im
Rahmen der Operation Paperclip in Fort Bliss als "Kriegsgefangener", ab
1950 dann für die US-Armee im Marshall Space Flight Center in
Huntsville, wo er zum Direktor ernannt wurde. Paul Schröder kam erst
1952 in die USA und arbeitete dort einige Jahre für die US-Luftwaffe;
danach wechselte er in die Industrie und kehrte 1958 nach Deutschland
zurück.
Im Widerspruch zu der bisherigen Darstellung in der Literatur, wonach
Wernher von Braun die V2-Rakete entwickelt habe, liefern die jetzt
entdeckten Dokumenten nach Ansicht der Wissenschaftler Hinweise darauf,
dass Wernher von Braun nach eigenen Misserfolgen bis zur Fertigstellung
der Rakete "Aggregat 4" (die später als V2 bekannt wurde) von jeglicher
Planung ausgeschlossen war. Des Weiteren beinhaltet der Nachlass die
Korrespondenzen der Witwe Paul Schröders mit verschiedenen ehemaligen
Beteiligten der Heeresversuchsanstalt. Hieraus geht deutlich hervor,
dass es in seiner Zeit durchaus mehr Mitarbeiter mit einer kritischen
Einstellung gegenüber ihrem ehemaligen Vorgesetzten aus Peenemünde,
Wernher von Braun, gegeben hat.
Eine eingehende Analyse und Bewertung der Person Paul Schröder sowie
seines entdeckten Nachlasses wird längere Zeit in Anspruch nehmen. Eine
Kurzvorstellung ist jedoch anlässlich einer Veranstaltung zum
20-jährigen Bestehen des Museums in Peenemünde Ende Mai an der
Universität Greifswald vorgesehen. Die Forschungen von Uta Mense sind
Teil eines interdisziplinären Projektes, in dem der Lehrstuhl der BTU
die nach dem Krieg weitgehend zerstörten Anlagen der ehem.
Heeresversuchsanstalt dokumentiert, erforscht und bewertet sowie neue
Vermittlungskonzepte der für das Historisch-Technische Museum Peenemünde
entwickelt.
Wernher von Braun gilt gemeinhin als Kopf hinter des im Auftrag des
deutschen Militärs in Peenemünde auf der Ostseeinsel Usedom entwickelten
Aggregat 4, das später als V2-Rakete bekannt wurde. Als Waffe sorgte die
V2 für Angst und Schrecken, hatte aber keine kriegsentscheidende
Bedeutung mehr. Gebaut wurde sie durch Zwangsarbeiter unter
menschenunwürdigsten Bedingungen, so dass vermutlich mehr Menschen durch
die Produktion der Rakete starben als durch ihren Einsatz. Die Technik
der V2 bildete später die Grundlage für die ersten amerikanischen
Erfolge im Weltraum. Von Braun war auch maßgeblich am Bau der für das
Apollo-Mondprogramm entscheidenden Saturn-Rakete
beteiligt.
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