Kühler Zwerg aus einer anderen Galaxie
von
Rainer Kayser
12. Juni 2009
Eine unlängst entdeckte Gruppe von sehr kühlen und massearmen
Sternen, sogenannte ultrakühle Unterzwerge oder Subdwarfs, bewegt sich
offenbar auf äußerst ungewöhnlichen Bahnen durch die Milchstraße. Amerikanische
Astronomen, die dieses Resultat jetzt auf einer Konferenz in Pasadena
präsentierten, fanden unter den Zwergsternen außerdem ein Exemplar, das aus einer
anderen Galaxie zu stammen scheint.
Die Bahnen aller
unlängst entdeckten kühlen Unterzwerge -
betrachtet aus einer Entfernung von 150.000
Lichtjahren.
Bild: MIT / Adam Burgasser |
Ultrakühle Zwergsterne, oder ultracool subdwarfs, sind die kleinsten, masseärmsten Sterne, die die Astronomen kennen - sie leuchten 10.000-mal schwächer als die Sonne und sind entsprechend schwer zu entdecken. Und sie unterscheiden sich noch in anderer Hinsicht von normalen Sternen: Die kühlen Zwerge bewegen sich mit hohen Geschwindigkeiten auf Bahnen, die sie zum Teil bis ins Zentrum der Milchstraße hinein oder weit aus der Ebene der Milchstraße hinaus führen. Das berichten amerikanische Forscher jetzt auf einer Tagung der
American Astronomical Society in Pasadena. Einer der Zwergsterne bewegt sich so schnell, dass er nach Ansicht der Astronomen wahrscheinlich aus einer anderen Galaxie stammt.
"Unsere Berechnungen zeigen, dass der Zwergstern 2MASS 1227-0447 sich bis zu 200.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt, das ist zehnmal weiter als die Sonne", erklärt John Bochanski vom
Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. "Vermutlich
stammt der Stern aus einer anderen, kleineren Galaxie, die der
Milchstraße zu nahe gekommen ist und durch die Schwerkraft zerrissen
wurde."
Bochanski und seine Kollegen hatten die Positionen, Entfernungen und Bewegungen von zwei Dutzend ultrakühlen Zwergsternen vermessen und daraus ihre Bahnen berechnet.
"Die meisten nahen Sterne bewegen sich in Tandem mit der Sonne auf nahezu kreisförmigen Bahnen um das Zentrum der Milchstraße", erklärt der Leiter des Projekts, Adam Burgasser. Doch zur Überraschung der Wissenschaftler zeigen die kühlen Zwerge ein völlig anderes Verhalten: Mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Sekunde rasen sie auf lang gestreckten elliptischen Bahnen durch die Milchstraße.
Die Zwergsterne gehören demnach nicht zur dünnen galaktischen Scheibe, wie die meisten normalen Sterne, sondern zum Halo, der die Milchstraße kugelförmig umgibt. Vermutlich sind die Sterne im galaktischen Halo vor den Sternen in der Scheibe entstanden - dafür spricht auch der geringe Anteil an schweren Elementen in den kühlen Zwergsternen. Die Untersuchung dieser rasanten Ausreißer könnte deshalb, so hoffen die Forscher, einen Einblick in die Frühgeschichte der Milchstraße liefern.
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