Sodom, Gomorrha und die alte Keilschrift
von Stefan Deiters astronews.com
10. April 2008
Mit Hilfe einer alten assyrischen Tonscheibe wollen zwei
Wissenschaftler aus Bristol hinter das Geheimnis eines gewaltigen Bergrutsches
in den Ötztaler Alpen gekommen sein: Er wurde, so die Forscher, durch den
Einschlag eines Asteroiden verursacht, der eventuell auch für den Untergang der
biblischen Städte Sodom und Gomorrha verantwortlich sein könnte.
Die untersuchte Keilschrift wird im britischen Museum in London
aufbewahrt. Foto:
Mark Hempsell / University of Bristol
Der Asteroid flog in einem so niedrigen Winkel an, dass
er die Spitze des Gamskogel abrasierte.
Bild: Mark Hempsell /
University of Bristol |
Eigentlich müssten sich Alan Bond und Mark Hempsell nicht mit
biblischen Mythen und Bergrutschen in den Ötztaler Alpen beschäftigen: Beide
Männer sind akzeptierte Experten in der Raumfahrttechnik. Bond entwickelt als
leitender Direktor der Firma Reaction Engines Limited Technologien für
neue Raketen, Hempsell arbeitet als Senior Lecturer an der
University of Bristol im Bereich Astronautik. Trotzdem hat beide eine alte
assyrische Tonscheibe mit Keilschrift nicht mehr losgelassen, die im 19. Jahrhundert in den
Überresten des königlichen Palastes von Ninive im heutigen Irak gefunden wurde.
Sie wird im britischen Museum aufbewahrt und stammt vermutlich aus der Zeit um
700 vor Christus.
Bislang war es niemandem gelungen herauszufinden, was eigentlich auf dieser
Scheibe dargestellt und zu lesen war. Man hatte jedoch Sternbilder und auch
Namen von Sternbilder ausgemacht. Bond und Hempsell glauben nun eine Erklärung gefunden
zu haben: Mit Hilfe von Computerprogrammen simulierten sie den Nachthimmel der
letzten Jahrtausende. Die Keilschrift, so das Ergebnis ihrer Forschungen, ist
die Kopie der Notizen eines sumerischen Astronomen, der seine Beobachtungen
kurz vor Sonnenaufgang am 29. Juni 3123 vor Christus aufzeichnete.
Die Notizen verraten etwas über ein Ereignis, das den Gelehrten tief
beeindruckt haben muss: So notierte er neben Angaben über die Position von
Planeten und die Bewölkung am Beobachtungsort auch genau die Position eines
vorüberfliegenden Objekts, das so groß war, dass er sogar dessen Form erkennen
konnte. Anhand dieser alten Positionsangaben berechneten Bond und Hempsell die
Bahndaten des Objektes - und diese führten sie in die Ötztaler Alpen.
Im österreichischen Örtchen Köfels war es vor einigen Tausend Jahren zu einem
gewaltigen Bergrutsch gekommen, der Experten lange Zeit vor ein Rätsel stellte.
Zunächst glaubte man an einen Einschlag eines gewaltigen Meteoriten, schloss
diese Möglichkeit dann aber - vor allem mangels eines Einschlagkraters - bald
wieder aus. Durch die Feierabendforschungen von Bond und Hempsell könnte die
alte Theorie nun neue Unterstützung bekommen.
Doch wenn tatsächlich der von dem sumerischen Astronomen beobachtete Asteroid
im österreichischen Ötztal eingeschlagen ist, warum sieht man dann keinen Krater?
Der Grund, so Bond und Hempsell, ist der geringe Bahnwinkel der Asteroiden von nur etwa
sechs Grad. Dieser hätte dazu geführt, dass der Asteroid die Spitze des
Gamskogel, elf Kilometer von Köfels entfernt, abrasiert hat und dabei explodiert
ist. Darauf stürzte ein gewaltiger Feuerball ins Tal und sorgte für
den Bergrutsch. Da es sich aber um keinen festen Körper mehr handelte, fehlt der
typische große Einschlagkrater.
Die beiden Forscher vermuten, dass der damalige Asteroid einen Durchmesser
von etwa einem Kilometer hatte und zur Gruppe der Aten-Asteroiden gehört, deren
Bahnen hauptsächlich innerhalb der Erdbahn verlaufen, diese aber hin und wieder
kreuzen. Der damalige Einschlag könnte nicht nur in Köfels für Verwüstungen
gesorgt haben: "Aufgrund der Bahn des Asteroiden kann man berechnen, dass die
pilzförmige Explosionswolke über das Mittelmeer abgelenkt wurde und irgendwo in
Nordägypten oder Israel wieder den Boden erreichte", erläutert Hempsell. "Obwohl
dies alles nur kurze Zeit dauerte, dürfte es ausgereicht haben, um alles
brennbare Material dort zu entzünden. Vermutlich sind so mehr Menschen gestorben
als in den Alpen."
Auf der Webseite an der University of Bristol, die dem Köfels-Projekt
gewidmet ist, berichten die Forscher noch über eine weitere Vermutung: Ein
solches Ereignis sollte sich nämlich auch durch alte Mythen und Erzählungen
überliefert haben. Und in der Tat würde dafür eine ganze Reihe in Frage kommen aber "auch wir
beide können uns nicht wirklich einigen, welcher Mythos mit dem Ereignis in Köfels in
Verbindung zu bringen ist. Wir meinen aber, dass vermutlich die Erzählung von
Sodom und Gomorrha am wahrscheinlichsten ist."
Haben also zwei Raketenfachleute das Geheimnis einer alten Keilschrift,
eines Bergrutsches in den Alpen und der biblischen Erzählung von Sodom und
Gomorrha gelöst? Die Experten haben ihre Zweifel. Und so
- berichtete das
Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" - lehnten wissenschaftliche Fachzeitschriften
einen Artikel über die Thesen von Bond und Hempsell ab, da sie zu wenig Beweise
vorzuweisen hätten. Die Raketenfachleute stellten ihre Resultate daher in dem
kleinen Buch "A Sumerian Observation of the Köfels' Impact Event" zusammen und
wollen sich nun wieder auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren.
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