Streit um
kosmische Hintergrundstrahlung
von
Rainer Kayser
27. November 2007
Aus winzigen Temperaturschwankungen in der kosmischen
Hintergrundstrahlung gewinnen Astronomen wichtige Daten über Entstehung und
Entwicklung von Strukturen im Universum. Doch nun behauptet ein Radioastronom,
dass zumindest einige dieser Schwankungen durch Gaswolken in der Milchstraße
verursacht werden könnten. Seine Kollegen sind empört.
Ausschnitt aus dem von der Wilkinson Microwave Anisotropy Probe
(WMAP) erstellten "Babyfoto" des Universums. Die Farben stehen für
winzige Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung: Wärmere
Regionen sind rot dargestellt, kältere Bereiche blau. Bild:
NASA/ WMAP Science Team |
Die kosmische Hintergrundstrahlung ist eines der wichtigsten Werkzeuge der modernen Kosmologie. Aus winzigen Temperaturschwankungen in diesem
"Echo des Urknalls" können die Astrophysiker Informationen über die Frühzeit des Kosmos, über seine Struktur und Entwicklung gewinnen. Doch nun behauptet ein amerikanischer Radioastronom, die Temperaturschwankungen seien zumindest teilweise nicht kosmologischen Ursprungs, sondern hätten ihre Ursache in Gaswolken in unserer Milchstraße. Unter Kosmologen
trifft diese demnächst im Fachblatt Astrophysical Journal publizierte These freilich auf wenig Gegenliebe.
"Es ist mir klar, dass es für traditionelle Kosmologen nicht leicht ist, meine Ergebnisse zu akzeptieren", sagt Gerrit Verschuur von der
University of Memphis, "ich hoffe jedoch, dass sie zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ihre Daten durch eine bislang unidentifizierte
Radioquelle in unserer Milchstraße gestört werden." Verschuur hatte die im Rahmen mehrerer Radio-Durchmusterungen des Himmels gemessene Verteilung des Wasserstoffs in der Galaxis mit den Temperaturschwankungen in den von dem Satelliten WMAP gelieferten Karten der Hintergrundstrahlung verglichen.
"Bei diesem Vergleich bin ich auf hunderte von Fällen gestoßen, bei denen die Strukturen der Hintergrundstrahlung und die Verteilung des Wasserstoffs sich auffällig ähneln", so Verschuur. Der Radioastronom zieht daraus den Schluss, dass zumindest ein Teil, wenn nicht gar alle Schwankungen der Hintergrundstrahlung durch einen Vordergrundeffekt in der Milchstraße verursacht werden. Alle kosmologischen Interpretationen der Temperaturschwankungen wären dann Makulatur, die tatsächlichen kosmologischen Variationen der Hintergrundstrahlung müssten viel kleiner sein als bislang vermutet.
Unter Kosmologen sorgt Verschuurs These für Kopfschütteln. So publizierte ein britisch-amerikanisches Team bereits eine Gegenanalyse, nach der es sich bei den Übereinstimmungen zwischen der Wasserstoff-Verteilung und der Hintergrundstrahlung lediglich um statistisch nicht relevante Zufälle handelt.
"Es sind zu viele Übereinstimmungen, das kann kein Zufall sein", hält Verschuur dagegen.
Der Chefwissenschaftler der WMAP-Mission, Charles Bennett von der Johns Hopkins University in Baltimore, sieht ein ganz anderes Problem. Die Auswertung der Temperaturschwankungen liefert kosmologische Daten, die vorzüglich mit den Ergebnissen anderer Methoden übereinstimmen, die völlig unabhängig von der Hintergrundstrahlung sind. Der Wasserstoff in der Milchstraße müsste also die Hintergrundstrahlung gerade so verändern, dass es zu dieser verblüffenden Übereinstimmung käme - und das findet Bennet wenig glaubhaft.
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