Geheimnisvolles Sechseck am Nordpol
von Stefan
Deiters
astronews.com
28. März 2007
Vor über zwei Jahrzehnten entdeckten die beiden Voyager-Sonden
eine mysteriöse Struktur in der Saturnatmosphäre, die den Nordpol des
Ringplaneten umrundete: ein Sechseck, das einer Bienenwabe glich. Jetzt hat
auch die Saturnsonde Cassini das bizarre Sechseck beobachten können. Es
muss sich also um eine sehr langlebige Struktur handeln, doch wie ist sie
entstanden?
Der Nordpol des Saturn. Die eigentümliche
Sechseckstruktur ist deutlich zu erkennen. Foto: NASA /
JPL / University of Arizona |
Zusammen mit dem schon von den Voyager 1 und 2-Aufnahmen
bekannten Sechseck spürten die Instrumente von Cassini auch noch ein
weiteres, deutlich dunkleres Sechseck auf. Es war das erste Mal, dass die
gesamte Struktur in der Atmosphäre des Saturn auf einem Bild festgehalten werden
konnte. Die Aufnahme gelang mit dem Visual and Infrared Mapping Spectrometer
(VIMS) an Bord der Saturnsonde.
"Das ist schon eine wirklich merkwürdige Struktur, die - geometrisch perfekt
- sechs nahezu gleichlange Seiten hat", erläutert Atmosphären-Experte Kevin
Baines, der zum VIMS-Team von Cassini am Jet Propulsion Laboratory
der NASA gehört. "Wir haben noch nie irgendetwas vergleichbares auf einem
anderen Planeten gesehen. Und die dicke Saturnatmosphäre, die von kreisförmigen
Wellen und Konvektionszellen dominiert wird, ist im Grunde genommen der letzte
Platz, an dem man eine solche sechsseitige geometrische Form erwarten würde."
Das Sechseck ähnelt im Prinzip den polaren Sturmsystemen der Erde, durch die
Wind kreisförmig um die Polarregionen bläst. Auf dem Saturn allerdings ist dieses
System nicht kreisförmig, sondern sechseckig und mit einem Durchmesser von fast
25.000 Kilometern würde unsere Erde fast vier Mal dort hineinpassen. Die neuen
Cassini-Bilder zeigen auch, dass das Sechseck deutlich weiter in die
Saturnatmosphäre hineinreicht als bislang angenommen - mehrere 100 Kilometer
tief. Ein Wolkensystem liegt innerhalb des Sechseck und wirbelt darin herum, wie
Rennwagen auf einer Rennstrecke.
"Es ist schon faszinierend so unterschiedliche Strukturen an den beiden
Saturnpolen zu sehen", urteilt Bob Brown von der University of Arizona, der für
das Instrument VIMS verantwortlich ist. "Am Südpol haben wir einen
Wirbelsturm mit einem gewaltigen Auge und am Nordpol eine geometrische Struktur,
die sich davon komplett unterscheidet."
Bislang konnte Cassini das Sechseck am Nordpol nur im Infraroten
aufnehmen, da es in der Region für Aufnahmen im sichtbaren Bereich des Lichtes
zur Zeit einfach zu dunkel ist: es herrscht Winter. Diese Jahreszeit dauert auf
dem Ringplaneten ungefähr 15 Jahre und so ist man derzeit auf
Infrarot-Beobachtungen angewiesen. Die jetzt veröffentlichten Bilder stammen vom
30. Oktober 2006. Die Wissenschaftler hoffen allerdings, in den kommenden zwei
Jahren - mit dem beginnenden Frühling - auch Aufnahmen des Sechsecks im
sichtbaren Bereich des Lichtes machen zu können.
Doch die Beobachtung im Infraroten mit VIMS hat auch Vorteile: Durch
die Verwendung unterschiedlicher Wellenlängen können die Forscher verschiedene
Schichten der Saturn-Atmosphäre untersuchen und so Strukturen an der Oberfläche
mit tiefer liegenden atmosphärischen Erscheinungen in Verbindung bringen. Die
Herkunft des Sechsecks konnten die Wissenschaftler allerdings auf diese Weise
noch nicht klären: Zumindest scheint nun sicher zu sein, dass es nicht - wie
früher angenommen - mit den Radioemissionen des Saturn oder aber mit den am
Nordpol beobachteten Polarlichtern in Zusammenhang steht. Es bleibt also
spannend.
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