Rätselhaften Radioblitzen auf der Spur
Redaktion / MPG
astronews.com
19. Mai 2005
Zum
Glück kann das menschliche Auge keine Radiostrahlung erkennen, denn sonst wäre
der Blick in den Himmel hin und wieder äußerst blendend: Ultrakurze und extrem
helle Radioblitze zeugen nämlich von einem ständigen Teilchenbombardement, dem
die Erde aus dem All ausgesetzt ist. Einem Astronomenteam gelang es nun, diese
Blitze nachzuweisen. Jetzt fahnden die Forscher nach der Quelle der rätselhaften
Teilchenstrahlung.

Der helle Fleck in der Mitte zeigt einen Radioblitz, nachdem das
LOPES-Experiment ein Partikel der kosmischen Strahlung
aufgefangen hat. Die hierzu gehörige Filmsequenz verläuft über
100 Nanosekunden, in denen der Radioblitz für etwa 30
Nanosekunden aufscheint. Die grünen Linien sind nachträglich
eingefügte Himmelskoordinaten. Bild: Nature / MPG

Kosmische Teilchenfalle: Das pyramidenförmige Gebilde im
Vordergrund gehört zum LOPES-Experiment, einem großen Feld von
Radioantennen und Teilchendetektoren am Forschungszentrum
Karlsruhe. Bild: LOPES-Kollaboration / MPG |
Hätte der Mensch Augen für Radiostrahlung, würde er beim Blick in den Himmel
von Zeit zu Zeit geblendet: durch Blitze, die zwar ungemein kurz dauern, doch
auf der vierfachen Fläche des Vollmonds etwa 1000fach heller aufleuchten als die
Sonne. Diese Radioblitze zeugen vom Aufprall extrem energiereicher Partikel der
kosmischen Strahlung auf Atome und Moleküle der Erdatmosphäre. Sie stammen von
den Schauern subatomarer Trümmerteilchen aus Materie und Antimaterie, die bei
solchen Kollisionen entstehen.
Nachgewiesen wurden diese Blitze kürzlich von
einem internationalen Team, darunter Astrophysiker des Bonner
Max-Planck-Instituts für Radioastronomie. Weitere Beobachtungen sollen nun die
Herkunft der rätselhaften ultrahochenergetischen Teilchenstrahlung aus dem
Kosmos erhellen. Die Forscher berichten über ihre Arbeit in der aktuellen
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
Die Wissenschaftler benutzten für ihre Entdeckung eine Batterie von
Radioantennen und das große Feld von Teilchendetektoren des
KASCADE-Grande-Experiments am Forschungszentrum Karlsruhe. Beide Detektorfelder
wurden parallel betrieben. Auf diese Weise ließ sich jedes Mal, wenn ein
hochenergetisches Teilchen der kosmischen Strahlung auf die Erdatmosphäre traf,
ein Radiosignal nachweisen. Mit Bildverarbeitungsprogrammen aus der
Radioastronomie erstellten die Forscher außerdem digitale Filmsequenzen von
diesen Ereignissen.
Die Stärke des ausgestrahlten Radiosignals ist direkt
proportional zur Energie der kosmischen Strahlung. "Es erstaunt schon, dass wir
mit einfachen Antennen direkt die Energie von Elementarteilchen aus dem Kosmos
messen können", sagt LOPES-Sprecher Heino Falcke von der Netherlands
Foundation for Research in Astronomy (ASTRON). "Wenn wir empfindliche
Radioaugen hätten, könnten wir den Himmel mit Radioblitzen funkeln sehen."
Einige der aufgezeichneten Radioblitze müssten in der Tat stark genug sein,
um den konventionellen Radio- und Fernsehempfang für einen kurzen Zeitraum zu
überstrahlen. Um diesen Effekt zu verdeutlichen, haben die Forscher das Signal
der kosmischen Strahlung in ein Tondokument umgewandelt. Da jedoch die
Radioblitze aus dem All nur jeweils 20 bis 30 Nanosekunden (milliardstel
Sekunden) dauern, und weil die stärksten Ereignisse dieser Art im Mittel
lediglich einmal pro Tag stattfinden, dürften sie sich kaum auf unseren Alltag
auswirken.
Das Experiment hat außerdem gezeigt, dass die Intensität der
Radiostrahlung von der jeweiligen Ausrichtung des Magnetfelds der Erde abhängt.
Dieses Ergebnis und auch andere Resultate der Messungen bestätigen die
Vorhersagen früherer theoretischer Rechnungen von Heino Falcke und seinem
Doktoranden Tim Huege sowie von Peter Gorham von der Universität Hawaii.
Energiereiche Teilchen der kosmischen Strahlung bombardieren die
Erdatmosphäre und verursachen dort winzige Explosionen von Elementarteilchen -
die ihrerseits einen Strahl von Materie- und Antimaterieteilchen bilden. Das
geomagnetische Feld lenkt die leichtesten der geladenen Partikel (Elektronen und
Positronen) ab, und dabei entsteht Radiostrahlung. Es ist der gleiche
Mechanismus wie bei der mit Teilchenbeschleunigern in irdischen Labors erzeugten
Synchrotronstrahlung. Analog dazu sprechen Astrophysiker von
Geosynchrotronstrahlung und betonen so die Wechselwirkung mit dem Magnetfeld der
Erde.
LOPES steht für LOFAR Prototyp Experimental Station. Die Anlage
arbeitet mit Prototyp-Antennen des demnächst größten Radioteleskops der Erde (LOFAR).
Vom Jahr 2006 an wird das Teleskop in den Niederlanden und einem Teil von
Deutschland errichtet werden (astronews.com berichtete). Die LOPES-Empfänger
sind einfache Antennenpaare - ganz ähnlich denen, die in gewöhnlichen
Radioempfängern zum Einsatz kommen.
"Der Hauptunterschied zu normalen Radios
liegt in der digitalen Elektronik und in den breitbandigen Empfängern, die es
uns ermöglichen, eine Vielzahl unterschiedlicher Frequenzen gleichzeitig
aufzunehmen", sagt Andreas Horneffer, Doktorand der International Max Planck
Research School for Radio and Infrared Astronomy an der Universität Bonn.
Horneffer hat die Antennen als Teil seines Promotions-Projekts gebaut.
Die LOPES-Antennen sind in das KASCADE-Grande Experiment zum Nachweis von
Luftschauern der kosmischen Strahlung integriert. "Das zeigt den Vorteil eines
größeren Experiments der Astroteilchenphysik in unserer direkten Nachbarschaft.
Es gibt uns die Flexibilität, auch ungewöhnliche Ideen wie diese zu erforschen",
sagt Andreas Haungs, Sprecher des KASCADE-Grande Experiments.
Und Harvey Butcher,
Direktor der Netherlands Foundation for Research in Astronomy in
Dwingeloo, ergänzt: "LOPES nimmt erste größere wissenschaftliche Ergebnisse des
LOFAR-Projekts bereits in der Entwicklungsphase vorweg. Das stimmt uns
zuversichtlich, dass LOFAR in der Tat so revolutionär herauskommen wird, wie wir
uns das erhofft haben."
LOFAR verbindet ein komplett neuartiges Design mit einer Vielzahl von
billigen Niederfrequenzantennen, die Radiosignale aus jeder Richtung des Himmels
gleichzeitig aufnehmen können. Die einzelnen Stationen sind über ein
Hochgeschwindigkeits-Internet verbunden, und mittels eines Supercomputers können
ungewöhnliche Signale entdeckt und Radiobilder ausgedehnter Regionen des Himmels
erstellt werden, ohne auch nur ein mechanisches Teil zu bewegen.
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