Riesenradioteleskop im Herzen Europas
Redaktion
astronews.com
2. Dezember 2003
In Europa
wird bis zum Jahr 2005 ein neues Riesenteleskop entstehen, das den Astronomen
helfen soll, den Anfängen des Universums auf die Spur zu kommen. Durch eine
Entscheidung der niederländischen Regierung ist die Finanzierung des digitalen
Radioteleskops LOFAR nunmehr gesichert. Das Teleskop besteht aus 25.000 über
ultraschnelles Internet verbundene Radiosensoren, die in den Niederlanden und in
Deutschland verteilt sind.
350 Kilometer im Durchmesser - das ist die geplante räumliche
Ausdehnung des LOFAR-Teleskops, das mit Zentrum im
niederländischen Borger-Odoorn,
25 Kilometer westlich der deutsch-niederländischen Grenze
entsteht und sich auch auf das Gebiet von Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen erstrecken wird. Bild: LOFAR |
50 Millionen Euro für den Bau des digitalen Radioteleskops LOFAR (Low
Frequency Array) im Norden Mitteleuropas erhält ein internationales
Konsortium unter Führung des holländischen Instituts ASTRON in Dwingeloo - dies
hat das holländische Kabinett in seiner Sitzung am 28. November 2003
beschlossen. Damit ist die Finanzierung für wesentliche Teile des kreisförmigen
"Riesenauges" gesichert, das ab 2004 im Norden Hollands gebaut wird und sich mit
einem Durchmesser von 350 Kilometer bis nach Deutschland ausdehnen soll. Das
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn ist mit wesentlichen
Vorarbeiten an der Entwicklung von Prototypen beteiligt. LOFAR ist ein
revolutionäres Radioteleskop der nächsten Generation. Es besteht aus 25.000
einfachen Radiosensoren, die über ein ultraschnelles Internet mit einem
zentralen Supercomputer verbunden sind. Das Teleskop kann in mehrere Richtungen
gleichzeitig schauen und in Sekundenbruchteilen seine Sehrichtung beliebig
ändern.
"Dies ist ein wichtiges Signal für die Zukunft der Radioastronomie in Europa und
ein erster Schritt hin zu der nächsten Generation neuartiger Instrumente," sagt
Dr. Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und
Mitglied im Leitungsgremium des internationalen Square-Kilometer-Array
Projekts (SKA). "Radioastronomen aus der ganzen Welt arbeiten im Moment
zusammen, um im nächsten Jahrzehnt gemeinsam über ein Teleskop mit der
äquivalenten Sammelfläche eines Quadratkilometers zu verfügen - diesem Ziel sind
wir nun ein schönes Stück näher."
Das LOFAR-Teleskop beruht auf der modernen "Phased-Array"-Technologie,
die es erlaubt, ein vollständig steuerbares Teleskop komplett ohne bewegliche
mechanische Teile zu erbauen. Das Teleskop besteht aus 25.000 einfachen
Radioantennen (Dipolen), die - in 100 Stationen zusammengefasst - über eine
kreisförmige Fläche mit 350 km Durchmesser verteilt sind. Die Antennen verfügen
über digitale Radioempfänger, die über ein Internet-System der nächsten
Generation ("Internet 2") mit einer Bandbreite von 10 Terabit pro Sekunde die
Weltraum-Signale an einen zentralen Superrechner in Echtzeit übertragen, wo sie
dann ausgewertet werden. Der Aufbau dieses Hochgeschwindigkeitsnetz mit
Datenraten weit jenseits des heutigen Internets ist zugleich von erheblicher
Bedeutung für weitere wissenschaftliche und wirtschaftliche Anwendungen.
Wie ein gigantisches Fischauge hat das Teleskop dabei den gesamten Himmel im
Blick. Das fertige Radiobild wird jedoch erst im Computer aus den Informationen
der einzelnen Antennen erzeugt. Das virtuelle Teleskop im Rechner kann dadurch
in mehrere Richtungen gleichzeitig schauen ("Multi-Beaming") und in
Sekundenbruchteilen die Sehrichtung ändern. "Dieses Teleskop ist ein radikaler
Bruch mit bisherigen Konzepten und gibt uns eine Flexibilität, die in der
Astronomie ihresgleichen sucht," betont Professor Heino Falcke, der bei ASTRON
für LOFAR zuständige Wissenschaftler. "Damit erreichen wir eine um den Faktor
1000 höhere Empfindlichkeit und Sehschärfe im Vergleich zu allem, was bisher im
Frequenzbereich von LOFAR möglich war - es wird viel Neues zu entdecken geben."
Der Frequenzbereich des Teleskops liegt bei langen Radiowellen zwischen 10 und
200 Megahertz. Dieser Bereich ist besonders interessant, weil man hier die
Strahlung des Wasserstoffatoms aus dem frühen Universum beobachtet. Denn die
bekannte "21 Zentimeter-Linie" des atomaren Wasserstoffs bei 1400 Megahertz wird
durch die schnelle Expansion des frühen Universums um einen Faktor z=10-20 in
den Frequenzbereich von LOFAR verschoben. Damit ist es möglich, die allererste
Generation von Sternen und Schwarzen Löchern im Universum zu entdecken und das
so genannte "Zeitalter der Reionisation" zu untersuchen. Dieses noch ziemlich
unerforschte Zeitalter in der Geschichte des Universums markiert den
historischen Übergang vom Chaos des Urknalls zu den ersten makroskopischen
Objekten, also Planeten, Sternen, Galaxien, Schwarzen Löchern etc., die noch
heute das Bild des Universums bestimmen. Weitere Forschungsthemen sind die Suche
nach explodierenden Radioquellen, die Entwicklung von Galaxien und Schwarzen
Löchern im gesamten Universum, das Studium der Sonne, des Sonnensystems und der
Erdatmosphäre sowie die Suche nach hochenergetischen kosmischen Teilchen.
Projektträger für LOFAR ist das holländische Institut ASTRON, Betreiber des
Radioobservatoriums Westerbork. Das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in
Bonn hat sich in Kooperation mit verschiedenen deutschen Hochschulinstituten im
Rahmen des Projekts LOPES (Abkürzung für "LOfar PrototypE Station") an der
Entwicklung und dem Test von Antennen-Prototypen beteiligt, die bei LOFAR
verwendet werden sollen. Das Projekt LOPES, das am Max-Planck-Institut für
Radioastronomie von Heino Falcke betreut wird, wurde im Rahmen der
Verbundforschung "Astroteilchenphysik" seit dem Jahr 2001 vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Seit Sommer 2003 werden die ersten
Prototyp-Antennen für LOFAR im Forschungszentrum Karlsruhe getestet und zeichnen
dort die Radiostrahlung hochenergetischer kosmischer Teilchen in der Atmosphäre
auf.
Zum LOPES-Konsortium gehören die Universität und das Forschungszentrum
Karlsruhe, das Institut für Experimentalphysik der Universität Wuppertal, die
KASCADE-Grande Kollaboration, das Radioastronomische Institut der Universität
Bonn, das Astronomische Institut der Universität Bochum und das I. Physikalische
Institut der Universität Köln. Weitere an LOFAR beteiligte deutsche Gruppen sind
die International University Bremen und der Bereich Solare Radioastronomie am
Astrophysikalischen Institut Potsdam. "Dies ist auch ein gelungenes Stück
deutsch-niederländischer Zusammenarbeit", freut sich Eugene de Geus,
Generaldirektor von ASTRON. "Wir profitieren von der Erfahrung und dem
Engagement der deutschen Radioastronomen und gemeinsam werden wir das Teleskop
wissenschaftlich ausnutzen."
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LOFAR, englische Homepage
LOFAR, niederländische Homepage |
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