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ISS
Einblicke in die vierte Zustandsform der Materie
Redaktion
astronews.com
29. April 2002
Nach dem problemlosen Start und Andocken des Sojus-Raumschiffs an
die Internationale Raumstation ISS ist nicht nur der zweite
Weltraumtourist Mark Shuttleworth am Ziel seiner Träume angelangt, sondern
auch ein aufwendiges deutsches Experiment, das in den nächsten Tagen neue
Erkenntnisse über die Bewegung von Plasmateilchen liefern soll.
Die Internationale Raumstation ISS. Foto: NASA |
An der am 25. April gestarteten "Taximission" zur Internationalen
Raumstation (ISS) ist auch das Max-Planck-Institut für extraterrestrische
Physik in Garching mit seinem Plasmakristall-Experiment (PKE) beteiligt.
Unter Schwerelosigkeitsbedingungen sollen vom 1. bis zum 4. Mai in diesem
kleinen Labor Versuche laufen, in denen die Einzelbewegungen der Plasmateilchen sichtbar gemacht werden können. Das Experiment dient der
grundlegenden Erforschung der vor wenigen Jahren von Wissenschaftlern des
Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik entdeckten flüssigen
und kristallinen Plasmazustände. "Das Experiment soll unter anderem dazu
beitragen, komplexe Vorgänge wie Schmelzen, Kondensation und
Kristallbildung auf dem fundamentalsten Niveau - der Bewegung einzelner
Teilchen - zu verstehen", sagt Prof. Gregor Morfill. Das Labor war das
erste naturwissenschaftliche Experiment auf der ISS und wird in
Zusammenarbeit mit Forschern der Russischen Akademie der Wissenschaften
betrieben.
Ein Plasma ist ein ionisiertes, elektrisch leitendes Gas aus Elektronen
und Ionen und neben "fest", "flüssig" und "gasförmig" die vierte
Zustandsform der Materie. Plasmen begegnen uns im täglichen Leben, zum
Beispiel in einer Kerzenflamme oder in dem Gas in einer Leuchtstoffröhre.
99 Prozent der sichtbaren Materie im Universum befindet sich im
Plasmazustand. Um ein Plasma zu kristallisieren, bedarf es der Zugabe von
Mikropartikeln ("Staub"). Diese Teilchen - die Wissenschaftler verwenden
Kunststoff-Kügelchen mit einer Größe ab einem Tausendstel Millimeter -
werden im Plasma aufgeladen und beginnen bei hoher Dichte miteinander zu
wechselwirken. Sie formen schließlich ein so genanntes komplexes oder
"staubiges" Plasma. Diese Wechselwirkung kann zu einer starken Kopplung
(Flüssigkeit) führen, bis hin zur Kristallisation der Partikel in
typischen Abständen von einem Zehntel Millimeter: dem "Plasmakristall".
Solche Plasmakristalle zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus:
Teilchen können individuell beobachtet werden; Zeitskalen werden durch die
im Vergleich zu den einzelnen Atomen große Masse der Partikel verlangsamt,
was eine hohe zeitliche Auflösung der beobachteten Prozesse bedeutet;
Teilchen können individuell kontrolliert und manipuliert werden, was
"aktive" Experimente erlaubt. Das alles ermöglicht einen ganz neuen Zugang
zur Physik kondensierter Materie und eröffnet Wege zur Entwicklung neuer
Materialien.
Seitdem Plasmakristalle im Jahr 1994 im Labor entdeckt wurden, ist deren
Untersuchung auf theoretischer und experimenteller Basis sehr stark
angestiegen. Die Schwerkraft spielt eine besondere Rolle im Aufbau von
Plasmakristallen. Unter den Bedingungen im irdischen Labor lassen sich im
Wesentlichen nur zweidimensionale Plasmakristalle bilden. Unter
Schwerelosigkeit dagegen formen sich große, dreidimensionale
Plasmakristalle. Für diese Versuche nutzt das Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik die Internationale Raumstation (ISS). Im März
vergangenen Jahres wurde das Plasmakristall-Experiment in Zusammenarbeit
mit der russischen Raumfahrtagentur als eines der ersten
wissenschaftlichen Versuche an Bord der ISS ausgeführt.
Während der am 25. April gestarteten "Taximission" sollen die Versuche
fortgesetzt werden. Alle Daten werden auf Videobändern aufgezeichnet und
nach dem Ende des Experiments für die Auswertung zur Erde zurückgebracht.
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ESA
ISS, Seiten der
NASA
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