Von Radioblitzen und Gravitationswellen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut) astronews.com
9. Januar 2025
Schnelle Radioblitze gehören auch fast 20 Jahre nach
ihrer Entdeckung noch immer zu den rätselhaftesten Phänomenen in unserem
Universum. Gesichert scheint, dass Neutronensterne die Blitze aussenden. Nun
untersuchte ein internationales Team mithilfe von Gravitationswellen einen
besonders nahen Neutronenstern, der gleich mehrere Radioblitze abstrahlte.
Künstlerische Darstellung eines Magnetars,
eines Neutronensterns mit einem extrem starken
Magnetfeld, das hier durch seine Feldlinien
dargestellt ist.
Bild:
ESO / L. Calçada [Großansicht] |
Spezielle Radioteleskope beobachten regelmäßig schnelle Radioblitze aus den
Tiefen des Universums, weit außerhalb der Milchstraße. Die Astronomie geht davon
aus, dass sie von Neutronensternen stammen. Diese sind Überreste von
Supernova-Explosionen und vereinen große Massenanteile ihres Vorgängersterns in
einer Kugel von nur etwa 20 Kilometer Durchmesser. Das bedeutet: Ein Teelöffel
eines solchen Sternüberrests würde auf der Erde mehr als eine Milliarde Tonnen
wiegen. Wie Neutronensterne Radioblitze aussenden, ist noch nicht vollständig
geklärt. Forschende vermuten, dass ihre extrem starken Magnetfelder eine
zentrale Rolle spielen. Denn unter den Exemplaren mit den stärksten Feldern –
den Magnetaren – gibt es welche, die wiederholt Radioblitze aussenden und
gleichzeitig auch im Röntgenlicht aufleuchten.
Dahinter stecken vermutlich Beben des Sterns, die sich ereignen, wenn sich
Spannungen in seiner Kruste lösen. Die dabei freigesetzte Energie hat ein
Doppelwirkung: Sie erschüttert nicht nur das Magnetfeld des Neutronensterns und
löst damit die Radioblitze und das Röntgenleuchten aus, sondern bringt auch den
gesamten Sternenüberrest zum Schwingen. Beschleunigte Massenbewegungen wie die
des vibrierenden Neutronensterns erzeugen nach Einsteins Allgemeiner
Relativitätstheorie Gravitationswellen. Diese Kräuselungen der Raumzeit breiten
sich mit Lichtgeschwindigkeit von ihrem Entstehungsort aus und dehnen und
stauchen den Raum minimal. Kilometergroße Messstationen rund um den Globus
zeichnen diese winzigen Effekte seit mehr als neun Jahren regelmäßig und
routinemäßig mit Laserlicht auf und beobachten so unser Universum auf eine neue
Art und Weise.
"Nahezu zeitgleich schnelle Radioblitze und Gravitationswellen von einem
Magnetar zu beobachten, wäre der Beweis nach dem wir seit langem suchen", sagt
James Lough, leitender Wissenschaftler des deutsch-britischen
Gravitationswellen-Detektors GEO600 am Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover. Damit ließe sich
der gemeinsame Ursprung in den Sternbeben des Neutronensterns bestätigen.
„Deshalb haben wir mit einem internationalen Team Daten untersucht, die wir mit
GEO600 aufgezeichnet haben, während ein Magnetar vor unserer kosmischen Haustür
schnelle Radioblitze ausgesandt hat", fügt Lough hinzu. Der Magnetar mit der
Bezeichnung SGR 1935+2154 befindet sich in unserer Milchstraße in einer
Entfernung von etwa 20.000 Lichtjahren. So nah am Entstehungsort sind mögliche
Gravitationswellen vergleichsweise stark und ihre Auswirkungen leichter zu
beobachten.
Zwischen Ende April 2020 und Mitte Oktober 2022 sendete SGR 1935+2154 in drei
Zeiträumen schnelle Radioblitze aus. Zu allen Zeitpunkten lauschte GEO600, die
Technologieschmiede der internationalen Kollaboration, ins All. "Es war
entscheidend, dass GEO600 weiter beobachtet hat, während alle anderen Detektoren
in einer Ausbauphase waren", erklärt Lough. "Andernfalls hätten wir die
Gelegenheit verpasst, Gravitationswellen-Daten während dieser faszinierenden
Ereignisse zu erhalten, die in so geringer Entfernung zu uns stattfanden."
Nachdem das Forschungsteam alle GEO600-Daten rund um die Zeitpunkte der
schnellen Radioblitze sorgfältig durchsucht hatte, fanden sich keine Spuren von
Gravitationswellen. Da die Entfernung zu SGR 1935+2154 jedoch so gering ist,
lieferte auch die fehlende Beobachtung neue Erkenntnisse: Die maximal mögliche
Gravitationswellen-Energie, die bei den schnellen Radioblitzen abgestrahlt
wurde, ohne als nachweisbares Signal aufzufallen, muss um einen Faktor von bis
zu 10.000 kleiner gewesen sein, als man nach bisherigen Auswertungen geschlossen
hatten. Diese basierten auf Daten der größeren und empfindlicheren Detektoren
LIGO und Virgo. Noch sind die Gravitationswellen-Messungen nicht empfindlich
genug, um zwischen den verschiedenen Modellen für die Entstehung von
Gravitationswellen bei schnellen Radioblitzen zu unterscheiden. Aber bereits
jetzt liefern sie Informationen, die der theoretischen Physik helfen, ihre
Modelle dieser extremen kosmischen Ereignisse zu verfeinern.
"Es könnte schon bald richtig spannend werden. Wir hoffen, dass der Magnetar,
der seit zwei Jahren ruhig ist und keine Radioblitze mehr abgegeben hat, in den
nächsten Monaten wieder aktiv wird", sagt Karsten Danzmann, Direktor am AEI und
Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover.
Der aktuelle Beobachtungslauf des internationalen Detektornetzwerks dauert noch
bis Juni 2025. "Mit den Daten der empfindlicheren Instrumente können wir noch
genauer untersuchen, ob die schnellen Radioblitze der Magnetare von
Gravitationswellen begleitet werden und damit vielleicht ein sehr altes Rätsel
lösen", hofft Danzmann.
Über die Untersuchungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal erschienen ist.
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