Forschungen im Bereich der künstlichen Intelligenz wurden
erst gestern mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Auch bei der Verbesserung
von Klima- und Erdsystemmodellen dürfte künstliche Intelligenz künftig eine
bedeutende Rolle spielen, wie eine jetzt vorgestellte Studie aufzeigt. Zusammen
mit Satellitendaten ergeben sich so ganz neue Möglichkeiten.
Satellitengestützte Erdbeobachtungsdaten sind grundlegend für die Klima-
und Umweltforschung. Neben ihrer essentiellen Rolle das Klima zu beobachten,
helfen sie in der Bewertung und Evaluierung von Klima- und
Erdsystemmodellen. Diese Modelle sind wichtige Werkzeuge, um
Klimavorhersagen und Technologiebewertungen für eine nachhaltige Entwicklung
einzelner Sektoren wie Energie, Luftfahrt und Verkehr zu liefern. Künstliche
Intelligenz (KI) kann helfen, diese Modelle weiter zu verbessern: Ein
Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Veronika Eyring vom Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universität Bremen hat einen
Ansatz entwickelt, KI in Erdsystem-Modelle zu integrieren, und hierzu zwei
Perspektiven zukünftiger Forschungsschwerpunkte veröffentlicht. Die
Genauigkeit und Geschwindigkeit von Vorhersagen soll mithilfe maschineller
Lernverfahren maßgeblich verbessert werden. Dieser neuartige Ansatz hat das
Potenzial, charakteristische Einschränkungen von Klimamodellen zu
verringern, und bringt die KI-Revolution in dieses wichtige Forschungsfeld
ein.
Erdsystem-Modelle berücksichtigen wichtige Prozesse der Atmosphäre und
ihre Wechselwirkungen auch mit anderen Komponenten des Erdsystems (z. B.
Ozean und Land), sodass sie Vorhersagen des Gesamtsystems Erde erstellen.
Entsprechend verarbeiten sie große Datenmengen und sind mit Blick auf die
Rechenzeit begrenzt in der räumlichen Auflösung. Daraus ergeben sich
Ungenauigkeiten und systematische Fehler. Diese zu verbessern, gehört zu den
größten Herausforderungen in der Klimamodellierung. Der neu vorgeschlagene
Ansatz setzt nun maschinelle Lernverfahren ein, um in den Simulationen die
Darstellung von Prozessen zu verbessern, die nicht explizit in den Modellen
aufgelöst werden können und die für die Klimadynamik von zentraler Bedeutung
sind.
Simulationen mit hochaufgelösten Klimamodellen im Kilometerbereich haben
im Vergleich mit Beobachtungsdaten eine höhere Genauigkeit, können aber
aufgrund der enormen Rechenkosten derzeit nicht auf Klimazeitskalen von
mehreren Jahrzehnten oder länger durchgeführt werden. Der neue Ansatz der
Forschenden verbindet Modelle über verschiedene Skalen und unterschiedlicher
Prozess-Komplexität mit der systematischen Verwendung von Satellitendaten
und KI. Die KI arbeitet dabei vollständig integriert: Sie nimmt zum Beispiel
ein Klimamodell mit einer sehr hohen räumlichen Auflösung im
Kilometerbereich, lernt den Einfluss eines bestimmten atmosphärischen
Prozesses, setzt dieses gelernte KI-Modell in das "grobmaschige"
Erdsystem-Modell ein und macht es dadurch genauer - eine bahnbrechende
Lösung, die offenbart welches Potenzial allein in den bekannten Datensätzen
steckt.
"Satellitengestützte Erdbeobachtungsdaten sind für die Klima- und
Umweltforschung von unschätzbarem Wert. Wir können und müssen diese
Ressource noch viel intensiver nutzen, um die globalen Vorhersagemodelle zu
kalibrieren, zu bewerten und zu verbessern", betont Eyring. "Durch die
Kombination von KI mit Erdsystem-Modellen und der Erdbeobachtung werden wir
in der Lage sein, die Komplexität des künftigen Erdklimas und der
Extremereignisse mit einer noch nie dagewesenen Genauigkeit vorherzusagen."
Der vom deutsch-spanisch-amerikanischen Forschungsteam formulierte Ansatz
kann auch eine Grundlage für realistischere digitale Zwillinge des
Erdsystems bilden, die skalierbar, benutzerinteraktiv und anpassungsfähig
sind. Prof. Gustau Camps-Valls von der Universität Valencia ordnet die Rolle
der KI bei diesem maßgeblichen Fortschritt ein: "Durch die Integration von
Techniken des maschinellen Lernens in die traditionelle Klimamodellierung
können wir erhebliche Fortschritte beim Verständnis komplexer
Klima-Interaktionen und der Verbesserung der Vorhersagen machen. Die KI
unterstützt uns nicht nur. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der
Neudefinition dessen, was unsere Modelle leisten können."
Die jetzt vorgelegte Studie würde, so die Forschenden, einen Meilenstein
für die Entwicklung von Klimamodellen markieren. Die mittels KI verbesserten
Modelle würden es ermöglichen, Auswirkungen des Klimawandels präziser
vorherzusagen und technologische Bewertungen für einzelne Sektoren zu
verbessern. Hochauflösende Erdbeobachtungsdaten auf globaler Skala und
verbesserte Modellgenauigkeiten seien unerlässlich, um Strategien zur
Verringerung der Treibhausgasemissionen zu entwickeln und die Menschen auf
die Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten.
Dr. David Lawrence vom NSF National Center for Atmospheric
Research ist überzeugt: "Unser vorgeschlagener Ansatz wird es uns
ermöglichen, wichtige Erdsystemprozesse mit beispielloser Genauigkeit zu
simulieren, und so zu einem entscheidenden Werkzeug für Planer und
Entscheidungsträger weltweit werden."
Die Studie ist im September in der Zeitschrift Nature Geoscience
erschienen.