Gestern Vormittag startete wieder der Airbus A310 ZERO-G vom
Flughafen Bordeaux-Mérignac, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
zusammen mit ihren Experimenten in die Schwerelosigkeit zu bringen. Es war der
erste von drei Flugtagen während der 43. Parabelflugkampagne des DLR. Im Fokus
stehen dabei unter anderem die Gehirne von Astronautinnen und Astronauten.
Während der aktuellen Parabelflugkampagne werden insgesamt elf
Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen an Bord durchgeführt. Neu
dabei sind KORDYGA zur Kollisionsstatistik und Rotationsdynamik in
granularen Gasen, die experimentelle Kühlpumpe FERMIUM für Raumfahrzeuge
sowie das zellbiologische Experiment RUTH zu Gehirnveränderungen von
Astronautinnen und Astronauten nach Weltraumaufenthalten.
Granulare Materialien bestehen aus einer großen Anzahl fester, mit bloßem
Auge erkennbarer Teilchen – wir begegnen Ihnen regelmäßig im Alltag,
beispielsweise als Sand oder Zucker. Die Teilchen granularer Gase bewegen
sich mit zufälligen Geschwindigkeiten und Orientierungen im Raum und stoßen
nur selten mit anderen Teilchen zusammen. Man findet sie massenhaft im
Universum – im Asteroidengürtel oder bei der Entstehung von Planeten, aber
auch in der Natur und in vielen industriellen Prozessen. Die Zusammensetzung
aus zahlreichen kleinen, festen Teilchen erschwert das Verständnis und die
physikalische Beschreibung dabei stark, so dass viele ihrer Eigenschaften
unzureichend vorhersagbar sind. Im Experiment KORDYGA (Kollisionsstatistik
und Rotationsdynamik in granularen Gasen) der Technischen Hochschule
Brandenburg wird ein neues Messystem erprobt, um das Verhalten granularer
Gase modellieren zu können.
Autonome Raumfahrzeuge, Lander und Rover benötigen Kühlsysteme. Im
Experiment FERMIUM (Ferrohydrodynamische Pumpe in Mikrogravitation) der
Universität Bremen wird eine neuartige Kühlpumpe für diese Vehikel getestet.
Sie besteht aus einer Konfiguration aus Magnetspulen, die mit einem
sogenannten Ferrofluid gefüllt ist, also einer Mischung aus Wasser und
magnetischen Nanopartikeln. Die Spulen erzeugen ein Magnetfeld, sodass die
Flüssigkeit durch einen Kühlkreislauf gepumpt werden kann, ohne dessen Wände
zu berühren. Während der Kampagne wird die Pumpe unter Schwerelosigkeit
getestet.
Bei Astronautinnen und Astronauten, die aus dem All zurückkehren, wird
oft eine Abnahme der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit
beobachtet. Sie basiert vermutlich auf strukturellen und funktionellen
Veränderungen des Gehirns. Welche physiologischen Mechanismen diese
Veränderungen auslösen, ist bislang nicht bekannt. Im Experiment RUTH (DLR –
Universität Bonn – TH Köln) wird der Einfluss der veränderten Schwerkraft
auf Entwicklung, Struktur und Funktion neuronaler Netzwerke untersucht. Im
Rahmen des aktuellen Parabelflugs werden zelluläre Netzwerke mit
verschiedenen pharmakologischen Wirkstoffen behandelt, die sich positiv auf
die Zellvernetzung auswirken sollen.
Seit 1999 organisiert die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt regelmäßig eigene Parabelflugkampagnen für
biologische, humanphysiologische, physikalische, technologische und
materialwissenschaftliche Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen.
Das Forschungsflugzeug, der A310 ZERO-G der französischen Firma Novespace,
wird dabei nicht nur für die wissenschaftliche Kampagnen des DLR genutzt,
sondern auch von anderen Raumfahrtagenturen wie der Europäischen
Weltraumorganisation ESA oder der französischen Raumfahrtagentur CNES.
Eine Parabelflugkampagne besteht in der Regel aus drei Flugtagen mit
ungefähr vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden.
Während jeder Parabel herrscht für etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit.
Insgesamt stehen bei einer Flugkampagne also circa 35 Minuten
Schwerelosigkeit – im Wechsel mit normaler und nahezu doppelter
Erdbeschleunigung – zur Verfügung, die Forschende für ihre Experimente
nutzen können. Bis zu 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können an
einem Flug teilnehmen, bei dem sich um die zehn Experimente an Bord
befinden.