Wie sich Neutronensterne umkreisen und kollidieren
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Hamburg astronews.com
2. August 2022
An der Universität Hamburg will man sich in den kommenden
Jahren intensiv mit der Simulation von Neutronensternpaaren beschäftigen, die
sich erst umkreisen und schließlich kollidieren. Dabei sollen Gravitationswellen
und elektromagnetische Strahlung zusammen modelliert werden. Der Europäische
Forschungsrat fördert das Vorhaben im Rahmen eines ERC Advanced Grant mit 2,5
Millionen Euro.

Schnappschuss aus einer
Supercomputer-Simulation einer
Neutronenstern-Kollision.
Bild:
S. Rosswog [Großansicht] |
Neutronensterne entstehen, wenn Sterne bestimmter Masse das Ende ihres
Lebenszyklus erreichen. "Neutronensterne zeichnen sich durch extreme
Materiedichten aus, die etwa fünfmal so hoch sind wie in einem Atomkern. Sie
sind also quasi gigantische Atomkerne mit einem Radius von mehreren Kilometern",
erläutert Prof. Dr. Stephan Rosswog, der zum 1. August 2022 einen Ruf an die
Universität Hamburg angenommen hat. Im Rahmen des ERC Advanced Grants
"Inspiration: From inspiral to kilonova" wird er die Physik umeinander
kreisender und kollidierender Neutronensterne erforschen. Dazu modelliert er die
Kollisionen mithilfe von Supercomputern und auf der Grundlage theoretischer
Vorhersagen über die Eigenschaften von Neutronensternen.
Umeinanderkreisende Neutronensterne erzeugen durch ihre extreme Materiedichte
sogenannte Gravitationswellen, also Schwingungen der Raum-Zeit. Daneben wird
durch die Kollision ein Teil ihrer Materie ins All geworfen. Es entsteht
elektromagnetische Strahlung in verschiedenen Frequenzbereichen. „Die
Herausforderung ist, sowohl die Gravitationswellen als auch die
elektromagnetische Strahlung in eine einzige Modellierung zu integrieren, denn
sie basieren auf völlig verschiedenen physikalischen Prozessen. Bislang wurden
das Umeinanderkreisen der Neutronensterne bis zur Kollision und die Strahlung in
separaten Modellen berechnet", erklärt Rosswog. "Inzwischen sind wir aber
soweit, dass wir beides zusammen modellieren können."
Durch einen Abgleich der theoretischen Modellierungen mit den Messdaten von
Gravitationswellendetektoren und Teleskopen lassen sich theoretische Vorhersagen
über Neutronensterne überprüfen. Ende der 1990er Jahren hat Stephan Rosswog
gemeinsam mit Kollegen beispielsweise vorhergesagt, dass bei der Kollision von
Neutronensternen schwere Elemente wie Gold, Platin oder Blei entstehen. Die
darauf basierenden Modellierungen stimmen mit den tatsächlichen Messdaten
überein.
"Neutronensterne sind auch ein Labor für die Relativitätstheorie", sagt
Rosswog. 2017, zwei Jahre nach der Messung des ersten Gravitationswellensignals,
wurden erstmals Gravitationswellen aus der Kollision von zwei Neutronensternen
gemessen. Im Zusammenspiel mit Daten von Teleskopen hat sich damals
experimentell bestätigt, dass sich Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit
ausbreiten. Damit wurde eine zentrale Vorhersage aus Albert Einsteins
Allgemeiner Relativitätstheorie belegt.
Der ERC Advanced Grant ist eines von fünf Programmen, mit denen der
Europäische Forschungsrat Grundlagenforschung fördert. Die Advanced Grants
richten sich an etablierte Spitzenforscherinnen und -forscher mit mehr als zehn
Jahren Erfahrung in der Wissenschaft, die ihre Forschungsfelder maßgeblich
prägen. Die Förderung des Hamburger Projekts von insgesamt 2,5 Millionen Euro
erfolgt über fünf Jahre.
|