Spuren auf dem Grund der Tiefsee
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
28. Dezember 2018
Durch die Analyse von Sedimentproben aus der Tiefsee kann
die Wissenschaft einiges über das explosive Ende massereicher Sterne erfahren,
die einmal in relativer Nähe unseres Sonnensystems existiert haben müssen.
Nachdem entsprechende Untersuchungen bereits mit einem Eisenisotop durchgeführt
wurden, betrachtete ein Team nun auch ein spezielles Aluminiumisotop.
Findet eine Sternexplosion in der Nähe
unseres Sonnensystems (unten rechts) statt,
werden strahlende Isotope freigesetzt, die sich
auch auf unserer Erde ablagern. (Prinzipskizze)
Bild: NASA/ESA, Sankrit / Blair / Feige (CC
BY 3.0) [Großansicht] |
Wenn ein massereicher Stern am Ende seines Lebens als sogenannte
Supernova explodiert, produziert er unter anderem das langlebige Radionuklid 60Fe,
das sich auf unserer Erde ablagert – falls die Supernova in der Nähe
stattfindet. Das hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern unter Beteiligung der Technischen Universität Berlin vor
wenigen Jahren nachgewiesen.
Nun konnten sie durch genaue Messungen eines
weiteren Radionuklids, des Aluminiumisotops 26Al, noch einen Schritt
weitergehen. Wie das Eisenisotop wurde auch 26Al in Tiefseesedimenten
gemessen. Über die Kombination dieser zwei Isotope konnte erstmals gezeigt
werden, dass Supernovae der Vergangenheit nicht nur auf der Erde nachgewiesen
werden können, sondern damit auch Vorhersagen zu den Abläufen in sterbenden
Sternen möglich sind.
Aus astronomischen Beobachtungen weiß man, dass
die langlebigen Radionuklide 26Al und 60Fe überall in unserer Galaxie verteilt
sind. Hauptsächlich befinden sie sich aber dort, wo sich viele Sternexplosionen
ereignen. Denn beide Radionuklide werden am Ende eines Sternenlebens produziert.
Wenn der Stern schließlich in einer Supernova explodiert, schleudert er diese
Isotope in das umliegende interstellare Medium, dem Gas und Staub zwischen den
Sternen. Dort zerfallen sie entsprechend ihrer Halbwertzeit: die Hälfte aller
26Al-Atome ist nach 0,7 Millionen Jahren, die Hälfte aller 60Fe-Atome nach 2,6
Millionen Jahren zerfallen. Dabei senden sie Strahlung aus, die man mit
Weltraumdetektoren beobachten kann.
Doch woher weiß man, dass
bestimmte auf der Erde gefundene Radionuklide aus den Explosionen von Sternen
stammen? Bei dem Eisenisotop ist der Nachweis einfacher. 60Fe kommt
natürlicherweise auf der Erde nicht vor, so dass sein Vorkommen eindeutig auf
eine extraterrestrische Herkunft verweist. Das 26Al wird dagegen kontinuierlich
in unserer Erdatmosphäre gebildet. Kosmische Strahlung interagiert mit Atomen
unserer Atmosphäre, zertrümmert diese, und zurück bleiben Bruchstücke, wie das
26Al.
Dass das 2016 gefundene und untersuchte Eisenisotop 60Fe aus einer etwa
zwei bis drei Millionen Jahre zurückliegenden Supernova in der Nähe der Erde
stammt, wiesen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damals unter anderem durch Messungen
von Tiefseesedimenten aus dem Indischen Ozean nach. Diese Sedimente lagern sich
nur sehr langsam ab und sind daher wie ein zeitliches Archiv zu lesen.
Die
gleichen Sediment-Archive, in denen sich auch die erwähnten 26Al Bruchstücke
absetzten, gaben nun dem Team um Dr. Jenny Feige vom Zentrum für Astronomie und
Astrophysik der TU Berlin nach aufwendigen Untersuchungen auch Aufschluss
darüber, in welchem Verhältnis das 26Al zum vorher gemessenen 60Fe
in explodierenden Sternen ausgeworfen werden kann. An den Untersuchungen waren
Wissenschaftler aus Australien, Deutschland, Österreich und Südafrika beteiligt.
Dieses Ergebnis ist ein Beispiel für den Erfolg enger nationaler und
internationaler Zusammenarbeit. Feige extrahierte das 26Al mit chemischen
Methoden in den Laboren des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf. Anschließend
konnte es an der Universität Wien mit der Beschleunigermassenspektrometrie
vermessen werden. Mit dieser Methode können extrem niedrige
Isotopenkonzentrationen bestimmt werden. Bei dem Isotop 26Al ist das der Fall:
Unter Hundert Billionen (100.000.000.000.000) stabiler Aluminiumisotope auf der
Erde befindet sich nur ein einziges 26Al-Atom. Alle gemessenen Atome konnten den
atmosphärischen 26Al-Bruchstücken, nicht aber einer nahen Supernova zugeordnet
werden.
Ein weiteres Problem, das sich den Forschenden stellt, ist die Tatsache,
dass es zwischen der ausgestoßenen 26Al-Menge und der Menge, die tatsächlich in
den Tiefseesedimenten ankommt, einen großen Unterschied gibt. Nicht
quantifizierbare Verluste treten auf, weil zum Beispiel Teilchen durch
Magnetfelder und Sonnenwind von ihrer Bahn abgelenkt werden oder die
Wasserbewegungen auf der Erde die Einbaurate von 26Al ins Tiefseesediment
beeinflussen.
Das Wissenschaftlerteam setzte deshalb das in dem atmosphärischen 26Al verborgene Supernova-produzierte 26Al ins Verhältnis mit dem vorher
gemessenen 60Fe, unter der Annahme, dass sich beide während des Transports
zwischen Sternexplosion und Sediment gleich verhalten. Denn dann bleibt auch das
Verhältnis zwischen 60Fe und 26Al unverändert. Dieses Verhältnis wurde mit den
computergenerierten Simulationen von der Synthese der beiden Radionuklide in
massereichen Sternen verglichen.
Die meisten Modellergebnisse, so stellte sich
heraus, sind mit den Ergebnissen aus der Tiefsee vereinbar. Durch diese
Kombination konnten nun erstmals experimentell die Nukleosynthese-Prozesse
bestätigt werden, die in massereichen Sternen ablaufen und die die langlebigen
Radionuklide 26Al und 60Fe produzieren.
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Physical Review Letters
veröffentlicht.
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