Entwicklung der Milchstraße im Superrechner
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien astronews.com
8. Juni 2017
Durch welche Prozesse entwickelten sich Galaxien wie die
Milchstraße zu den Systemen, die wir heute beobachten können? Eine Antwort auf
diese Frage sollen detaillierte Simulationen auf Hochleistungsrechnern liefern.
Jetzt stellte ein Forscherteam die Ergebnisse von 36 Simulationen
milchstraßenähnlicher Systeme vor. Erstmals wurden dabei auch magnetische
Felder berücksichtigt.
Simulation einer Spiralgalaxie im Rahmen des
Auriga-Projekts: Die Darstellung zeigt die
heutige magnetische Feldstärke in dem simulierten
System. Die Stromlinien zeigen die Richtung der
magnetischen Feldlinien an.
Bild: Robert J. J. Grand, Facundo A. Gomez,
Federico Marinacci, Rüdiger Pakmor, Volker
Springel, David J. R. Campbell, Carlos S. Frenk,
Adrian Jenkins und Simon D. M. White [Großansicht] |
Mit Tausenden Prozessoren, mehreren Terabyte Daten und Monaten an
Rechenzeit hat eine Gruppe internationaler Forscher in Deutschland die bisher
größten und hochauflösendsten Simulationen von Galaxien wie unserer Milchstraße
erstellt. Jetzt wurden die Ergebnisse dieses Projekts Auriga
vorgestellt, das von Dr. Robert Grand vom Heidelberger Institut für Theoretische
Studien gGmbH (HITS) geleitet wird. Es ist ein Teilprojekt des
Sonderforschungsbereichs 881 "Das Milchstraßensystem" der Deutschen
Forschungsgemeinschaft.
Um die Geschichte und Struktur des Universums zu verstehen, untersuchen
Astronomen Galaxien mit Hilfe von Teleskopen und Simulationen und fügen ihre
Ergebnisse zu einem großen Ganzen zusammen. Es wird davon ausgegangen, dass
Spiralgalaxien, wie zum Beispiel unsere Milchstraße, aus mehreren hundert
Milliarden Sternen sowie großen Mengen an Gas und Staub bestehen.
Galaxien wie unsere Milchstraße haben die Form einer Spirale. In ihrer Mitte
befindet sich ein Schwarzes Loch, das von älteren Sternen und Spiralarmen
umgeben ist. Diese Spiralarme der Galaxien erstrecken sich vom Zentrum aus nach
außen, wo eher jüngere Sterne, wie unsere Sonne, zu finden sind. Wie diese
Strukturen genau entstanden sind, ist eine Schlüsselfrage in der Erforschung des
Kosmos.
Die immensen Größenskalen von Galaxien sowie die komplexe Physik, die für
ihre Berechnung benötigt werden, gelten als die größten Herausforderungen bei
der Simulation solcher Strukturen mithilfe von Computermodellen. So ist die
Masse von einzelnen Sternen, die die "Bausteine" von Galaxien darstellen,
jeweils rund eine Billion mal kleiner als die Galaxie, in der sie sich befinden.
Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern vom HITS (Deutschland), der
Durham University (Großbritannien), dem Max-Planck Institut für
Astrophysik (Deutschland) und dem Massachusetts Institute of Technology
(USA) hat sich diesem Problem angenommen. Die Gruppe simulierte insgesamt 30
verschiedene milchstraßenähnliche Galaxien in hoher Auflösung, sechs davon sogar
extrem hochaufgelöst, um noch mehr Details zu berücksichtigen.
Die Simulationen liefen mehrere Monate lang größtenteils auf den deutschen
Supercomputern Hornet/Hazel Hen in Stuttgart und dem SuperMUC in Garching und
nutzten insgesamt rund 18 Millionen CPU-Stunden. Für die Simulationen
verwendeten die Wissenschaftler den sogenannten AREPO-Code, der von
HITS-Wissenschaftler und Gruppenleiter Prof. Volker Springel entwickelt wurde.
Der Code ermöglicht die Simulation verschiedener Galaxien mit nie da
gewesener Präzision und beinhaltet eines der bisher umfassendsten Physikmodelle
auf dem Gebiet. So können mit dem AREPO-Code Phänomene wie Gravitation,
Sternenentstehung, Gasströme und Supernova-Explosionen simuliert werden. Zum
ersten Mal war auch die Simulation magnetischer Felder möglich, die das
sogenannte interstellare Medium zwischen den Sternen durchdringen. Außerdem
wurden Schwarze Löcher simuliert, die Gas um sich herum "aufsaugen" und Energie
in weit entfernte Teile der Galaxie hinausstoßen.
Die Simulationen ergaben eine große Fülle physikalischer Daten und bieten
hilfreiche Erkenntnisse für viele verschiedene Aspekte der Galaxienforschung:
Die Forschungsergebnisse des Auriga-Projekts liefern wichtige
Informationen für andere Astronomen, etwa über die besonderen Eigenschaften von
Satellitengalaxien oder die Verteilung der sehr alten Sterne im sogenannten
Halo, einem Lichthof, der die Galaxie umgibt," so Grand. "Zusätzlich konnten wir
die Entwicklung magnetischer Felder simulieren und untersuchen, wie diese das
Gas in der Galaxie beeinflussen."
Das Team fand insbesondere heraus, dass kleinere Galaxien in der frühen
Entstehungsgeschichte mit der Milchstraßen-Galaxie verschmolzen sein könnten.
Durch diesen Prozess kann eine größere Spiralgalaxie entstehen. "Damit eine
Spiralgalaxie wachsen kann, benötigt sie eine beträchtliche Versorgung mit Gas
zur Sternenentstehung. Kleinere, gasreiche Galaxien, die in unsere Galaxie
hineinfielen, liefern genau das," so Grand weiter.
In einem zweiten Schritt werden die Wissenschaftler die Forschungsergebnisse
des Auriga-Projekts mit Beobachtungsdaten, wie denen der
Astrometriemission Gaia vergleichen. Dadurch wollen sie besser
verstehen, wie diese Verschmelzungen die Entstehung unserer und anderer Galaxien
bestimmt haben.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in den
Monthly Notices of the Royal Society erschienen ist.
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