Kalter Weltraum im irdischen Labor
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
8. August 2013
Physiker haben erstmals eine neue Falle für kalte Ionen
erfolgreich getestet. Sie ermöglicht den Forschern die Untersuchung von
Molekülen, wie sie etwa in interstellaren Gaswolken vorkommen, unter
kontrollierten Laborbedingungen. Dabei bemühten sie sich, die Bedingungen, wie
sie im Weltraum herrschen, möglichst genau nachzubilden.
Regelmäßige Anordnung von etwa zehntausend Ionen
(Coulomb-Kristall) in der CryPTEx-Falle. Die
einzelnen Ionen werden durch Laserfluoreszenz
sichtbar.
Bild: The Cryogenic
Collaboration |
Eine am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik in Kooperation mit
der Universität Aarhus in Dänemark entwickelte Falle für kalte Ionen wurde
kürzlich erstmals erfolgreich getestet. Die Forscher demonstrierten mithilfe
präziser Laserspektroskopie am Beispiel von Magnesiumhydrid-Ionen die
Leistungsfähigkeit der Falle. Mit ihrer Hilfe sollen ganz neue Untersuchungen
möglich werden, etwa an für die Astrophysik wichtigen Molekülionen. Über ihren
Test berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Physical Review
Letters.
Moleküle, die Infrarotlicht absorbieren oder emittieren können, spielen in
der Geo- und Astrophysik eine große Rolle für den Strahlungshaushalt, etwa in
planetaren Atmosphären oder in interstellaren Wolken. Bekannt und bedeutend ist
beispielsweise der Treibhauseffekt in der Erdatmosphäre, verursacht durch den
geringen Anteil an mehratomigen bzw. polaren Spurengasen wie Wasser,
Kohlendioxid oder Methan, während die symmetrischen zweiatomigen Stickstoff- und
Sauerstoffmoleküle für Infrarotstrahlung praktisch transparent sind.
Die Stabilität interstellarer Molekülwolken gegenüber einem
Gravitationskollaps ist essentiell für die Frage der Entstehung von Sternen und
Planetensystemen. Einen wichtigen Kühlmechanismus stellt die Infrarotstrahlung
aus Molekülen dar. Spektroskopie dieser Strahlung wiederum erlaubt die
Identifizierung der Moleküle und ihrer Häufigkeit. Von Interesse sind dabei
Metallhydride, also zweiatomige, unsymmetrische und somit infrarotaktive
Moleküle und ihre Ionen.
Zum besseren Verständnis der beobachteten Spektren ist die Astrophysik auf
Laborexperimente angewiesen. Diese wiederum müssen die Bedingungen, wie sie im
Weltraum herrschen, also niedrige Dichte und Temperatur, möglichst gut und
kontrolliert nachbilden. Physiker der Gruppe um José Crespo am Heidelberger
Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) und der Ionenfallengruppe von Michael
Drewsen an der Universität Aarhus haben hierfür erfolgreich eine neue Methode
angewandt.
Hierzu präparierten sie kalte Magnesiumhydrid-Ionen (MgH+) in der
am MPIK gebauten Ionenfalle CryPTEx, die eine Temperatur von 4 Kelvin erreicht
und exzellente Vakuumbedingungen von weniger als 10–15 mbar liefert.
In CryPTEx lassen sich Ionen bis zu 30 Stunden speichern. Bei dem Experiment an
der Universität Aarhus haben die Wissenschaftler mit einer von der Aarhuser
Gruppe entwickelten Methode Magnesiumhydrid-Ionen präpariert: Zunächst werden
Magnesiumionen in der Falle gefangen und mit Laserstrahlen gekühlt. Anschließend
reagieren diese mit einem injizierten Wasserstoffstrahl zu MgH+.
In der Falle bilden typischerweise einige Tausend kalte Ionen einen so
genannten Coulomb-Kristall mit regelmäßiger Struktur. Die Forscher untersuchten,
wie schnell ein Zustand von MgH+, bei dem je ein Schwingungs- und
Rotationsquant angeregt ist (1,1), in den Grundzustand (0,0) zurückfällt.
"Diesen Zustand erreichen wir durch gezielte Laser-Anregung von Molekülionen im
Schwingungsgrundzustand, in denen zwei Rotationsquanten angeregt sind (0,2)",
erklärt Michael Drewsen.
Diese Rotation geschieht durch Stöße mit dem Restgas oder durch die schwache
restliche Infrarotstrahlung in der Falle. Im Vergleich der Abnahme der Besetzung
des Zustands (0,2) für verschiedene Einwirkdauern des Lasers ergibt sich die
gesuchte Lebensdauer von (1,1) zu 0,16 Sekunden - in sehr guter Übereinstimmung
mit dem theoretischen Wert. Zudem lässt sich verfolgen, wie schnell sich nach
Entvölkerung von (0,2) durch lange Einwirkung des Lasers dieser Zustand durch
die "Heizrate" aus der Umgebung (wie beispielsweise Stöße oder
Infrarotstrahlung) wieder besetzt. Dies geschieht erst nach etwa 20 Sekunden,
was deutlich langsamer als die gesuchte Lebensdauer ist. Dies ist zugleich die
Voraussetzung, diese messen zu können und demonstriert die Leistungsfähigkeit
der Falle.
"Das Magnesiumhydrid-Ion ist gleichsam ein genauer Nano-Sensor, der uns
verrät, wie kalt es in der Falle unter den Bedingungen des Experiments wirklich
ist", erläutert Oscar Versolato vom MPIK. Bei den Messungen in Aarhus
ergab sich eine Temperatur von 35 Kelvin. Begrenzende Faktoren waren restlicher
Wasserstoff aus der Präparation des MgH+ sowie Infrarotlicht aus den
notwendigen Öffnungen für die Laserstrahlen.
Die CryPTEx-Falle ist mit der vorgestellten neuen Messmethode ein Prototyp
für zukünftige fundamentale Tests an kalten Ionen. Für die Astrophysik
ermöglichen die Labormessungen im Vergleich mit Beobachtungen aus dem Weltall
eine Identifizierung der Moleküle und ihrer Häufigkeit. Im Blick auf Anwendungen
könnten sich hochgeladene Ionen als neuer Zeitstandard eignen. Hierzu besteht
eine Kooperation mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Am MPIK ist
derzeit eine neue Anlage mit einer CryPTEx-Falle zur Speicherung hochgeladener
Ionen im Aufbau.
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