Spiralstruktur um einen alternden Stern
von Stefan Deiters astronews.com
10. Oktober 2012
Mit Hilfe des Radioteleskoparrays ALMA haben Astronomen eine
Spiralstruktur im Material um den alternden Stern R Sculptoris entdeckt. Es ist
das erste Mal, dass eine solche Struktur rund um einen Riesenstern dieser Art
beobachtet wurde. Die Forscher vermuten, dass ein bislang unentdeckter Begleiter
des alternden Sterns für die Spiralstruktur verantwortlich ist.
Visualisierung der ALMA-Beobachtungen von R
Sculptoris.
Bild: ALMA (ESO / NAOJ / NRAO) |
Die in dieser Woche in einem Fachartikel in der Wissenschaftszeitschrift
Nature vorgestellten Untersuchungen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA) gehören mit zu den ersten wissenschaftlichen Resultaten des
Verbunds von Radioteleskopen, der gegenwärtig in der Hochebene Chajnantor in
Chile entsteht. ALMA, dessen offizielle Einweihung im März 2013 geplant ist,
soll einmal aus 66 beweglichen Radioschüsseln bestehen. Doch schon mit den
ersten aufgestellten Antennen lassen sich, wie die aktuellen Ergebnisse
beweisen, interessante neue Beobachtungen machen.
Mit ALMA konnten die Astronomen im Gas rund um den Riesenstern R Sculptoris
eine dort nicht erwartete Spiralstruktur erkennen und auch dreidimensionale
Informationen über die Spirale gewinnen. Sie vermuten, dass ein bislang
unbekannter Begleiter des Sterns Ursache für diese Struktur sein könnte.
Verblüfft waren die Astronomen zudem über die Menge an Material, die der
alternde Stern in die Umgebung abgestoßen hat.
"Zwar konnten bereits zuvor Schalen aus ausgestoßenem Material um diese Art
von Sternen beobachtet werden, aber hier konnten wir erstmals eine Spirale aus
Materie beobachten, die von dem Stern ausgeht und die von einer solchen Schale
umgeben ist", erklärt Matthias Maercker von der ESO und vom Argelander-Institut
für Astronomie der Universität Bonn, der Erstautor des Fachartikels. Bei
früheren Beobachtungen von R Sculptoris wurde lediglich die Schalenstruktur,
nicht aber die Spirale oder gar ein Begleiter entdeckt.
"Als wir den Stern mit ALMA beobachtet haben, war noch nicht einmal die
Hälfte der Antennen einsatzbereit", so Wouter Vlemmings von der Chalmers
University of Technology in Schweden, der auch an der Untersuchung
beteiligt war. "Es ist faszinierend, wenn man sich vorstellt, was das komplette
Array leisten wird, wenn es 2013 fertiggestellt ist."
Sterne mit bis zur achtfachen Masse unserer Sonne blähen sich gegen Ende
ihres nuklearen Lebens zu einem Riesenstern auf. In dieser sogenannten AGB-Phase
(AGB steht für asymptotic giant branch, asymptotischer Riesenast, und
bezieht sich auf einen Bereich im Hertzsprung-Russell-Diagramm, in dem die
Entwicklung von Sternen beschrieben wird) verlieren sie einen beträchtlichen
Teil ihrer Masse durch stellare Winde. Alle 10.000 bis 50.000 Jahre kommt es
zudem zu einem explosiven Zünden von Helium in einer Schale rund um den Kern des
Sterns, das man als thermischen Puls bezeichnet. Dabei wird noch deutlich mehr
Material ins All abgestoßen und es bilden sich Schalen aus Gas und Staub rund um
den Stern.
Die neuen Beobachtungen von R Sculptoris zeigen, dass sich hier ein solcher
thermischer Puls vor rund 1.800 Jahren ereignet hat, der rund 200 Jahre
andauerte. Der Begleitstern von R Sculptoris sorgte dann dafür, dass das
abgestoßene Material eine Spiralstruktur bekam. "Durch die Leistungsfähigkeit
von ALMA können wir feine Details erkennen und dadurch viel besser verstehen,
was mit dem Stern vor, während und nach einem thermischen Puls passiert -
einfach indem wir untersuchen, wie die Schale und die Spiralstruktur geformt
sind", so Maercker. "Wir waren immer davon ausgegangen, dass uns ALMA einen
neuen Blick ins Universum bietet, doch schon mit den ersten Beobachtungen auf
etwas ganz Unerwartetes zu stoßen, ist schon aufregend."
Um die Struktur des Materials rund um R Sculptoris erklären zu können, haben
die Astronomen auch Computersimulationen über die Entwicklung von
Doppelsternsystemen durchgeführt, die in etwa der vermuteten Konstellation von R
Sculptoris entsprechen. Die Ergebnisse stimmen ausgezeichnet mit den Daten von
ALMA überein.
"Es ist schon eine Herausforderung, die detaillierten Beobachtungen von ALMA
mit unseren Theorien zu beschreiben, doch unsere Computermodelle zeigen, dass
wir auf einem guten Weg sind", so Shazrene Mohamed vom Argelander-Institut und
dem South African Astronomical Observatory. "ALMA gibt uns hier einen
neuen Einblick in die Vorgänge in diesen Sternen und damit auch einen
Vorgeschmack darauf, was mit unserer Sonne in einigen Milliarden Jahren
passieren könnte."
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