Das lange Nachklingen einer Neutronenstern-Verschmelzung
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main astronews.com
7. Februar 2025
Wie es im Inneren von Neutronensternen genau aussieht, ist
bislang unklar. Eine neue Studie zeigt nun, dass sich aus bei Verschmelzungen
entstehenden Gravitationswellen Hinweise auf den Zustand der Materie in
Neutronensternen ableiten lassen. Entscheidend ist dabei die "lange
Abklingphase" eines reinen Signals, das vom Überrest der
Neutronenstern-Kollision ausgesendet wird.

Das von zwei verschmelzenden
Neutronensternen ausgesandte Signal ähnelt dem
einer Stimmgabel. Bild:
L. Rezzolla / pixabay [Großansicht] |
Neutronensterne gehören aufgrund ihrer vergleichsweise großen Masse in Bezug
auf ihre geringe Größe zu den faszinierendsten astrophysikalischen Objekten, die
wir kennen. Doch aufgrund der extremen Bedingungen in ihrem Inneren sind ihre
Zusammensetzung und Struktur weitgehend unbekannt. Die Kollision zweier
Neutronensterne, wie sie 2017 beobachtet wurde, bietet eine einzigartige
Gelegenheit, dieses Rätsel zu entschlüsseln.
Während sich Neutronensterne in Binärsystemen über Millionen von Jahren
spiralförmig annähern, senden sie Gravitationswellen aus. Doch die intensivste
Strahlung tritt während und in den ersten Millisekunden nach ihrer Verschmelzung
auf. Das dabei entstehende Objekt – ein massereiches, schnell rotierendes
Gebilde – verursacht Gravitationswellen in einem starken, aber schmalen
Frequenzbereich. Dieses Signal enthält entscheidende Informationen über die
sogenannte Zustandsgleichung der Kernmaterie, die beschreibt, wie sich Materie
bei extremer Dichte und Druck verhält.
Die Forschungsgruppe von Prof. Luciano Rezzolla an der Goethe-Universität
Frankfurt hat nun entdeckt, dass die Amplitude des Gravitationswellensignals
nach der Verschmelzung zwar mit der Zeit abnimmt, es aber gleichzeitig immer
reiner wird – das heißt, es tendiert immer stärker zu einer einzigen Frequenz,
ähnlich wie eine riesige Stimmgabel, die nach einem Schlag nachklingt. Diese
Phase haben sie als "langes Abklingen" (long ringdown) bezeichnet und eine enge
Verbindung zwischen ihrer Eigenschaften und den dichtesten Regionen in
Neutronensternkernen identifiziert.
"Genauso wie Stimmgabeln aus verschiedenen Materialien unterschiedliche Töne
erzeugen, klingen auch Überreste von Kollisionen, die durch verschiedene
Zustandsgleichungen beschrieben werden, bei unterschiedlichen Frequenzen ab. Die
Entdeckung dieses Signals hat das Potenzial die inneren Bestandteile von
Neutronensternen zu enthüllen", erklärt Rezzolla. "Ich bin besonders stolz auf
diese Arbeit, da sie ein herausragendes Beispiel für die Exzellenz der
Frankfurter und Darmstädter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der
Erforschung von Neutronensternen darstellt – einem zentralen Fokus des
hessischen Clusterprojekts ELEMENTS."
Mithilfe von Simulationen, die die Gesetze der Allgemeinen
Relativitätstheorie berücksichtigen, konnten die Forschenden zeigen, dass die
Analyse des "langen Abklingens" hilft, Unsicherheiten bei der Beschreibung von
Materie unter extrem hohen Dichten zu verringern – einem Bereich, für den es
bislang keine direkten Messungen gibt. "Dank Fortschritten in der statistischen
Modellierung und hochpräzisen Simulationen auf Deutschlands leistungsfähigsten
Supercomputern haben wir eine neue Phase des langen Abklingens in
Neutronenstern-Kollisionen entdeckt", erklärt Dr. Christian Eckervon der
Goethe-Universität Frankfurt. "Diese Entdeckung hat das Potenzial, neue und
präzise Einschränkungen für den Zustand der Materie in Neutronensternen zu
liefern. Sie ebnet den Weg für ein besseres Verständnis dichter
Neutronensternmaterie, insbesondere, wenn zukünftig neue Ereignisse beobachtet
werden."
"Indem wir gezielt einige wenige Zustandsgleichungen ausgewählt haben,
konnten wir die Vielfalt möglicher Materiemodelle mit deutlich weniger Aufwand
nachbilden", ergänzt Kollege Dr. Tyler Gorda. "Dies spart nicht nur Rechenzeit
und Energie, sondern gibt uns auch die Sicherheit, dass unsere Ergebnisse
zuverlässig sind und unabhängig davon gelten, welche Zustandsgleichung in der
Natur tatsächlich vorkommt."
Obwohl Gravitationswellendetektoren das Signal nach der Verschmelzung aktuell
noch nicht gemessen haben, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
optimistisch: Mit dem in Europa geplanten Einstein-Teleskop, das in den nächsten
zehn Jahren in Betrieb gehen soll, könnte das "lange Abklingen" klar gemessen
werden. Sobald dies geschieht, wird es ein leistungsstarkes Werkzeug sein, um
die rätselhaften inneren Strukturen von Neutronensternen zu erforschen und die
Geheimnisse der Materie unter extremsten Bedingungen zu entschlüsseln.
Die Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Communications
veröffentlicht.
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