Magnetfelder regeln Sternentstehung
von
Hans Zekl
für
astronews.com
11. August 2006
Unser Sonnensystem entstand aus einer Gas- und Molekülwolke,
die sich unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenzog. Mit den Details allerdings
haben Wissenschaftler ziemliche Probleme. Jüngste Beobachtungen spanischer und
amerikanischer Astronomen an einem System junger Sterne geben nun den
Theoretikern neue Hinweise, welche Prozesse die Sternentstehung beeinflussen.

Spitzer-Aufnahme von NGC 1333. Bild: NASA
/ JPL-Caltech /R. A. Gutermuth (Harvard-Smithsonian CfA) |
Die Bildung neuer Sterne ist trotz jahrzehntelanger Forschung immer noch
eines der offenen und drängenden Probleme in der Astrophysik. Schon lange ist
klar, dass interstellare Wolken aus Gas und Staub, Molekülwolken, das
Baumaterial für Sterne und Planetensysteme liefern. Erreicht eine Wolke eine
kritische Dichte, beginnt sie sich aufgrund der eigenen Schwerkraft mit
wachsender Geschwindigkeit zusammenzuziehen. Lokale Verdichtungen führen
schließlich zur Bildung neuer Sterne und von Sonnensystemen.
Doch trotzt bedeutender Fortschritte in den letzten Jahren, sind wichtige
Fragen immer noch ungeklärt. So ist unklar, ob die Wolken tatsächlich immer
schneller kollabieren oder ob es einen Mechanismus gibt, der dem Prozess
Widerstand leistet.
Im Standardmodell für massearme Sterne wie unsere Sonne sorgen interstellare
Magnetfelder innerhalb der Molekülwolken dafür, dass sie sich langsamer
zusammenziehen. Ursache dafür sind elektrisch geladene Staubteilchen und
Gasmoleküle, die ein Magnetfeld quasi in der Wolke einfrieren. Die Ionen können
sich nur entlang der Magnetfeldlinien bewegen, senkrecht dazu nicht. Deshalb
bildet sich eine Scheibe aus, die senkrecht zur allgemeinen Ausrichtung des
Magnetfelds liegt. Erhöht sich nun die Dichte, beispielsweise durch eine nahe
gelegen Supernovaexplosion, nimmt die Stärke des Magnetfeld entsprechend der
anwachsenden Materiedichte zu. Dadurch wird der Kollaps einer Wolke verhindert,
obwohl genügend Masse vorhanden ist.
Gäbe es keine anderen Einflüsse, würden keine Sterne entstehen. Aber der
größte Teil einer geeigneten interstellaren Wolke ist elektrisch neutral. Auf
die Bewegungen dieser Materieteilchen hat ein Magnetfeld keinen Einfluss! Diese
Wolkenkomponente unterliegt somit der Schwerkraft und kann neue Sterne erzeugen.
Doch ganz so einfach funktioniert das dann doch nicht.
Auf ihrem Weg zum zentralen, dichtesten Bereich einer Wolke stoßen die
neutralen Teilchen mit den ionisierten Partikeln zusammen und werden dadurch
abgebremst. Im Endeffekt existiert eine Molekülwolke länger, als wenn sie nur
der Wirkung der Gravitation unterliegt. Durch die Kollisionen mit neutralen
Molekülen oder Staubteilchen gelangen mit der Zeit auch elektrische Teilchen
weiter ins Innere der Wolke und pressen dort das Magnetfeld zusammen, so dass
seine Form einem Stundenglas ähnelt.
Es gibt allerdings noch eine alternative Ansicht über die Vorgänge bei der
Sternentstehung: In diesem Gegenmodell sind Magnetfelder zu schwach, um eine
Rolle zu spielen. Die Wolken stürzen in relativ kurzer Zeit zusammen. Turbulente
Strömungen im Überschallbereich führen zu vielen kleinen lokalen Verdichtungen.
Nur ein kleiner Teil der Wolkenmasse wird am Ende in Sterne umgewandelt.
Aus der Beobachtung, wie viele Sterne jährlich in der Milchstraße entstehen - etwa eine
Sonnenmasse pro Jahr - kann leider nicht zwischen den beiden Modellen unterscheiden werden, weil sie zu
gleichen Sternentstehungsraten führen. Doch hat die Natur für ein anderes
Unterscheidungsmerkmal gesorgt. Das haben Josep M. Girart vom Institut de
Ciències de l'Espai in Bellaterra, Spanien, und seine Kollegen ausgenutzt.
In turbulenten Wolken ist auch ein Magnetfeld relativ ungeordnet, während in
langsam kollabierenden die Magnetfeldlinien in etwa parallel ausgerichtet sind.
Das hat Auswirkungen auf die ausgesendete Strahlung. Magnetische Staubteilchen
richten nämlich ihre kurze Achse parallel zu den Magnetfeldlinien aus.
Senkrecht dazu erscheinen die Teilchen deshalb größer und
geben in diese Richtung auch mehr Strahlung ab. Die Strahlung, die hier auf der
Erde empfangen wird, ist deshalb polarisiert, d.h. sie schwingt bevorzugt in
einer bestimmten Richtung. Die Wellen einer Glühbirne beispielsweise schwingen
dagegen in beliebigen Richtungen.
Girart und seine Kollegen untersuchten die Strahlung der Molekülwolke um das
System NGC 1333 IRAS 4A im Molekülwolkenkomplex im Sternbild Perseus. Der
Komplex ist etwa 1.000 Lichtjahre entfernt und enthält rund 20 junge, sternförmige
Objekte im Umkreis von 40.000 Astronomischen Einheiten (eine Astronomische
Einheit ist die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne, also 149,6 Millionen
Kilometer) um IRAS 4A. Wie sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins
Science berichten, konnten sie mit dem Submillimeter Array auf dem
Mauna Kea, Hawaii, mit guter Auflösung die Polarisation der Strahlung bei 345
GHz messen.
Danach ist das Magnetfeld deutlich geordnet und zeigt eine Struktur, ähnlich
einem Stundenglas, genau wie es vom Standardmodell vorhergesagt wird. Die Daten
zeigen auch, dass das Magnetfeld fast die Schwerkraft aufheben kann, aber nur
fast. So zieht sich die Wolke nur sehr langsam zusammen, ohne dass es zu
besonderen Turbulenzen kommen kann. Zumindest bei diesem System - IRAS 4A - wird die Sternbildung vom
Magnetfeld reguliert. Aber die Daten liefern auch wichtige Informationen
darüber, wie unser eigenes Sonnensystem einst entstanden ist.
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